Wie Macht Man Quotes

We've searched our database for all the quotes and captions related to Wie Macht Man. Here they are! All 100 of them:

Ich glaube, man sollte überhaupt nur solche Bücher lesen, die einen beißen und stechen. Wenn das Buch, das wir lesen, uns nicht mit einem Faustschlag auf den Schädel weckt, wozu lesen wir dann das Buch? Damit es uns glücklich macht, wie Du schreibst? Mein Gott, glücklich wären wir eben auch, wenn wir keine Bücher hätten, und solche Bücher, die uns glücklich machen, könnten wir zur Not selber schreiben. Wir brauchen aber die Bücher, die auf uns wirken wie ein Unglück, das uns sehr schmerzt, wie der Tod eines, den wir lieber hatten als uns, wie wenn wir in Wälder vorstoßen würden, von allen Menschen weg, wie ein Selbstmord, ein Buch muß die Axt sein für das gefrorene Meer in uns.
Franz Kafka
Ich habe mir Gedanken gemacht," sagte Herr Grün. "Obwohl man das ja eigentlich gar nicht so sagen kann. Man macht sich keine Gedanken. Sie machen sich selber. Fressen sich durch den Kopf wie Holzwürmer durchs Holz.
Charles Lewinsky
Das Schicksal lauert immer gleich um die Ecke - wie ein Dieb, eine Nutte oder ein Losverkäufer, seine drei trivialsten Verkörperungen. Hausbesuche macht es hingegen keine. Man muß sich schon zu ihm bemühen.
Carlos Ruiz Zafón (The Shadow of the Wind (The Cemetery of Forgotten Books, #1))
Wer seinem Volk Angst macht, der braucht es [...] nicht zu fürchten.
Heribert Prantl (Der Terrorist als Gesetzgeber. Wie man mit Angst Politik macht)
Das Feindstrafrecht betrachtet sein Subjekt als Sphinx: halb Mensch, halb Tier.
Heribert Prantl (Der Terrorist als Gesetzgeber. Wie man mit Angst Politik macht)
Heute ist der Terrorist an die Stelle des Mörders von einst getreten.
Heribert Prantl (Der Terrorist als Gesetzgeber. Wie man mit Angst Politik macht)
Der Lebensschutz des potentiellen Opfers soll mehr wiegen als die Menschenwürde des potenziellen Täters.
Heribert Prantl (Der Terrorist als Gesetzgeber. Wie man mit Angst Politik macht)
Wer die rechtsstaatlichen Grenzen von Fall zu Fall verschieben will, der hebt sie auf.
Heribert Prantl (Der Terrorist als Gesetzgeber. Wie man mit Angst Politik macht)
Wo ein Klima der Überwachung und Bespitzelung herrscht, kann ein freier und offener demokratischer Prozess nicht stattfinden.
Heribert Prantl (Der Terrorist als Gesetzgeber. Wie man mit Angst Politik macht)
Im Kampf gegen den Terror zählt [...] die Freiheit des Einzelnen wenig.
Heribert Prantl (Der Terrorist als Gesetzgeber. Wie man mit Angst Politik macht)
Wie ich dich liebe, wenn du grinst. Wenn sich dein Gesicht auf einen Schlag ganz weit öffnet und deine schönen Wimpern Licht in deine Augen lassen und alles um deinen Kopf herum merkwürdig zu flimmern scheint. Ich habe noch nie so viel Freundlichkeit und Wärme in einem Gesicht gesehen wie in deinem, wenn du lächelst. Es macht mich jedes Mal ganz sprachlos. Jedes Mal wie ein kleiner Tritt in den Magen. Ein schöner Tritt. Kann man das so sagen? Dein Lächeln ist wie ein schöner Tritt in den Magen. Es nimmt mir den Atem. Kurz und schmerzhaft.
Sarah Kuttner (Wachstumsschmerz)
Was man über Angst erreichte, das wurde stets auch mit Angst bezahlt. Die Mächtigen fielen irgendwann genauso der Hybris der Macht zum Opfer, wie die Ohnmächtigen dem Zorn über ihre Machtlosigkeit.
David Gray (Der Preis)
Es sollte anders kommen als wir dachten, aber was kann man da schon machen? Man muss das Leben nehmen, wie es kommt, und sehen, dass man das Beste daraus macht.
Yann Martel
Sie machte sich Gedanken darüber, wie man sich keine Gedanken macht.
Margaret Atwood (Der Report der Magd)
Der rechtsstaatliche Katalog ist schön und gut, aber nur, solange er die Bekämpfung des Terrorismus nicht behindert.
Heribert Prantl (Der Terrorist als Gesetzgeber. Wie man mit Angst Politik macht)
Je weiter eine konkrete Tat entfernt ist, umso mehr ist dem Staat erlaubt, um sie zu verhindern.
Heribert Prantl (Der Terrorist als Gesetzgeber. Wie man mit Angst Politik macht)
Der Präventionsstaat muss [...] dem Bürger immer mehr Freiheiten nehmen, um ihm dafür Sicherheit zu geben.
Heribert Prantl (Der Terrorist als Gesetzgeber. Wie man mit Angst Politik macht)
Prävention, die das Recht konsumiert, hat den Zug zu Totalität und Exzessivität.
Heribert Prantl (Der Terrorist als Gesetzgeber. Wie man mit Angst Politik macht)
In einem maßlosen Staat [...] gibt es vielleicht ein wenig mehr Sicherheit, aber ganz sicher sehr viel weniger Freiheit.
Heribert Prantl (Der Terrorist als Gesetzgeber. Wie man mit Angst Politik macht)
Angst macht süchtig nach Strafrecht.
Heribert Prantl (Der Terrorist als Gesetzgeber. Wie man mit Angst Politik macht)
Ein Individuum, das sich nicht in einen bürgerlichen Zustand zwingen [lässt], [kann] den Segnungen des Begriffs „Person“ nicht teilhaftig werden.
Heribert Prantl (Der Terrorist als Gesetzgeber. Wie man mit Angst Politik macht)
Wer ein Feindstrafrecht zu brauchen glaubt, der glaubt nicht an die Überlegenheit des Rechtsstaates über den Fundamentalismus.
Heribert Prantl (Der Terrorist als Gesetzgeber. Wie man mit Angst Politik macht)
Sicherheit ist die gut ausbalancierte Freiheit aller.
Heribert Prantl (Der Terrorist als Gesetzgeber. Wie man mit Angst Politik macht)
Der Staat, der nur wegen und aus der Freiheit seiner Menschen besteht, darf sich nicht gegen seine Schöpfer wenden.
Heribert Prantl (Der Terrorist als Gesetzgeber. Wie man mit Angst Politik macht)
Der Guerillero besetzt das Land, der Terrorist besetzt das Denken.
Heribert Prantl (Der Terrorist als Gesetzgeber. Wie man mit Angst Politik macht)
Übertreibung und Maßlosigkeit im Kampf gegen den Terrorismus diskreditiert den Kampf gegen den Terrorismus.
Heribert Prantl (Der Terrorist als Gesetzgeber. Wie man mit Angst Politik macht)
Als das Grundgesetz entstandt, zitterte förmlich der Boden, auf dem es geschrieben wurde.
Heribert Prantl (Der Terrorist als Gesetzgeber. Wie man mit Angst Politik macht)
Die Folter war [...] praktizierte Schutzpflicht des Souveräns für seine Untertanen.
Heribert Prantl (Der Terrorist als Gesetzgeber. Wie man mit Angst Politik macht)
Nicht nur Menschen, auch Rechtsgrundsätze wurden [...] von den Trümmern der Twin Towers erschlagen.
Heribert Prantl (Der Terrorist als Gesetzgeber. Wie man mit Angst Politik macht)
Foltern zerstört die zivile Basis des Zusammenlebens.
Heribert Prantl (Der Terrorist als Gesetzgeber. Wie man mit Angst Politik macht)
Nirgendwo werden aus vermeintlichen Absurditäten so schnell Normalitäten wie auf dem Gebiet der Inneren Sicherheit.
Heribert Prantl (Der Terrorist als Gesetzgeber. Wie man mit Angst Politik macht)
In einer Welt, die unübersichtlich geworden ist, wächst das Bedürfnis nach der Geordnetheit des Krippleins.
Heribert Prantl (Der Terrorist als Gesetzgeber. Wie man mit Angst Politik macht)
Wer Feind ist, ist keine rechtliche, sondern eine politische Frage.
Heribert Prantl (Der Terrorist als Gesetzgeber. Wie man mit Angst Politik macht)
Ich konnte nicht damit umgehen, deshalb ließ ich es in Ruhe, wie man das als Mann so macht, wenn man weiß, dass die Sonne sowieso aufgehen wird.
Stephen King (Skeleton Crew)
Weißt du, mein Vater hat mir immer gesagt, verlieben geschieht automatisch. Gegen dieses plötzliche, alles ausfüllende Gefühl, das einen wie ein Blitz ereilt, ist man machtlos. ›Verlieben ist Zufall‹, sagte er immer. Aber Liebe …« Nele machte eine kurze Pause, in der die letzte Leuchte im Park ansprang und die Natur in ein schwefelgelbes Licht tauchte. »Liebe ist eine Entscheidung.
Sebastian Fitzek (Flugangst 7A)
Arthur sagt, für die Dinge, die man gerne macht, sollte man sich immer Zeit nehmen", verkündete Talia. "Wenn wir das nicht tun, vergessen wir vielleicht, wie man glücklich ist. Sind Sie nicht glücklich, Mr. Baker?
T.J. Klune (The House in The Cerulean Sea (House in the Cerulean Sea, #1))
Du meinst also, man kann sowieso nichts einfach so lassen, wie es ist, oder? Man verändert alles um sich herum schon dadurch, dass man einfach da ist. Und dann macht es keinen Unterschied mehr, ob man mehr oder weniger kaputt macht.
Ewald Arenz (Alte Sorten)
je kunt alles doorstaan zei Phoebe, zelfs als het vertrouwen geschonden is, als het maar eerlijk wordt bekend. je wordt dan levenspartners op een andere manier, maar je kunt nog wel partners blijven. maar liegen- liegen is een goedkope manier van macht uitoefenen over de ander. wie liegt, kijkt toe terwijl de ander handelt op basis van onvolledige informatie- met andere woorden zichzelf vernedert. ... het is toch eeuwig hetzelfde verhaal. de man verliest de hartstocht voor de huwelikspartner, zonder dat kan hij niet leven. de vrouw is pragmatisch. de vrouw is realistisch. zeker de hartstocht is geluwd, maar zij is tevreden met de lichamelijke genegenheid, gewoon samen met hem in bed liggen, hij in haar armen, zij in de zijne. maar voor hem is dat niet genoeg. hij is een man die niet zonder leven kan
Philip Roth (Everyman)
»Wie hoch muss man die wunderbare Macht der Bücher schätzen, da wir durch sie sowohl die Grenzen der Erde als auch der Zeit unterscheiden können. Wir betrachten in ihnen, wie in einem Spiegel der Ewigkeit, die Dinge, die sind, und die Dinge, die nicht sind.« Richard de Bury, Philobiblon, 1344
Kai Meyer (Die Seiten der Welt (Die Seiten der Welt, #1))
Vielleicht war es gut für mich, dass alles so kam, wie es gekommen war. Damit die Vergangenheit auch verging. Damit man nicht mehr dorthin zurückkonnte, damit man sie hinter sich lassen konnte, als machte man mit einer alten Kamera ein schlechtes Foto und kurbelte den Film dann einfach weiter.
Danny Wallace (Charlotte Street)
Erwägt man, wie auf jeden einzelnen eine philosophische Gesamt-Rechtfertigung seiner Art, zu leben und zu denken, wirkt – nämlich gleich einer wärmenden, sengenden, befruchtenden, eigens ihm leuchtenden Sonne, wie sie unabhängig von Lob und Tadel, selbstgenugsam, reich, freigebig an Glück und Wohlwollen macht, wie sie unaufhörlich das Böse zum Guten umschafft, alle Kräfte zum Blühen und Reifwerden bringt und das kleine und große Unkraut des Grams und der Verdrießlichkeit gar nicht aufkommen läßt – so ruft man zuletzt verlangend aus: Oh daß doch viele solche neue Sonnen noch geschaffen würden! ... Es gibt noch eine andere Welt zu entdecken – und mehr als eine! Auf die Schiffe, ihr Philosophen!
Friedrich Nietzsche (Die fröhliche Wissenschaft)
»Ich glaub, das wär nix für mich.« »Was, Frankie?« »Na, so 'n Lebenssinn. Erst mal muss man ihn finden. Und dann muss man drauf aufpassen, damit man ihn nicht verliert. Und hat man ihn verloren, so wie du jetzt, dann denkt man die ganze Zeit darüber nach, wo er hin is'. So ein Lebenssinn macht nur Ärger. Meine Meinung. Und am Ende hat man kaum noch Zeit für andere Sachen.«
Jochen Gutsch (Frankie)
Man hätte meinen können, all die Unwillkommenen würden sich zusammentun und gemeinsam gegen die Macht auftreten, die sie nicht aufkommen lassen wollte. Aber dem war nicht so. Sie hassten einander ebensosehr, wie die Lehrerin sie hasste. Sie imitierten die [...] Lehrerin [...]. Es gab in jeder Klasse einen Unglücklichen, den die Lehrerin zum Sündenbock stempelte. Dieses arme Kind wurde unausgesetzt getadelt und gequält, an ihm reagierte sie ihre Unzufriedenheit mit sich selbst ab. Und kaum hatten die anderen Schüler erkannt, wen sich die Lehrerin zum Opfer gewählt hatte, wandten auch sie sich mit doppelter Grausamkeit und Herzlosigkeit gegen dieses arme Geschöpf. Dafür schmeichelten sie denjenigen, die bei der Lehrerin in Gunst standen. Vielleicht hatten sie irgendwie das Gefühl, dadurch dem Thron näher zu kommen.
Betty Smith (A Tree Grows in Brooklyn)
Ein ohnmächtiges Wesen, dem es für nichts gerechnet wird, nur so zu Hause zu sitzen, und das Himmel und Erde, Menschen und Vieh, wider sich hätte, wenn es weg wollte (und das Gedanken hat wie ein anderer Mensch), und richtig zu Hause bleiben muß, die man ihm mit raison macht; weil es wirklich nicht raison ist zu schüttlen, denn fallen die Gläser, die Spinnrocken, die Flore, die Nähzeuge weg, so haut alles ein.
Carola Stern (Der Text meines Herzens: Das Leben der Rahel Varnhagen (German Edition))
Daß das Leben des Menschen nur ein Traum sei, ist manchem schon so vorgekommen, und auch mit mir zieht dieses Gefühl immer herum. Wenn ich die Einschränkung ansehe, in welcher die tätigen und forschenden Kräfte des Menschen eingesperrt sind; wenn ich sehe, wie alle Wirksamkeit dahinaus läuft, sich die Befriedigung von Bedürfnissen zu verschaffen, die wieder keinen Zweck haben, als unsere arme Existenz zu verlängern, und dann, daß alle Beruhigung über gewisse Punkte des Nachforschens nur eine träumende Regignation ist, da man sich die Wände, zwischen denen man gefangen sitzt, mit bunten Gestalten und lichten Aussichten bemalt — das alles, Wilhelm, macht mich stumm. Ich kehre in mich selbst zurück, und finde eine Welt! Wieder mehr in Ahnung und dunkler Begier als in Darstellung und lebendiger Kraft. Und da schwimmt alles vor meinen Sinnen, und ich lächle dann so träumend weiter in die Welt.
Johann Wolfgang von Goethe (The Sorrows of Young Werther)
Worte sind die blassen Schatten vergessener Namen. Und wie Namen Macht innewohnt, wohnt auch Worten Macht inne. Mit Worten kann man im Geist der Menschen Feuer entfachen. Mit Worten kann man selbst dem hartherzigsten Menschen Tränen entlocken. Es gibt sieben Worte, die einen Menschen dazu bringen, dich zu lieben. Und es gibt zehn Worte, mit denen man den Willen selbst des stärksten Mannes brechen kann. Aber ein Wort ist weiter nichts als die bildliche Darstellung eines Feuers. Ein Name ist das Feuer selbst.
Patrick Rothfuss (The Name of the Wind (The Kingkiller Chronicle, #1))
Warum hatten sie ihn aufgehängt wie ein Lynchopfer, warum hatten sie ihn nicht einfach weggeworfen wie den Abfall? Um zu beweisen, daß sie es tun konnten, daß sie die Macht hatten, zu töten. Sonst hatte er keinen Wert: aus der Entfernung war er schön, aber man konnte ihn nicht zähmen oder kochen oder ihm Sprechen beibringen; das einzige Verhältnis, das sie zu so einem Tier haben konnten, war, es zu vernichten. Nahrung, Sklave oder Kadaver, das waren die einzigen Möglichkeiten; abgesägte Köpfe mit Hörnern oder Hauern an der Wand von Billardzimmern, präparierte Fische, Trophäen.
Margaret Atwood (Surfacing)
Aber welche Absicht hatte er eigentlich gehabt? In diesem Augenblick hätte er sich nur noch der Philosophie zuwenden können. Aber die Philosophie in diesem Zustand, worin sie sich damals befand, erinnerte ihn an die Geschichte der Dido, wo eine Ochsenhaut auf Riemen geschnitten wird, während es sehr ungewiß blieb, ob man auch wirklich ein Königreich damit umspannt; und was sich von Neuem ansetzte, war von ähnlicher Art wie das, was er selbst getrieben hatte, und vermochte ihn nicht zu verlocken. Er konnte nur sagen, daß er sich von dem, was er eigentlich hatte sein wollen, weiter entfernt fühlte als in seiner Jugend, falls es ihm nicht überhaupt ganz und gar unbekannt geblieben war. In wundervoller Schärfe sah er, mit Ausnahme des Geldverdienens, das er nicht nötig hatte, alle von seiner Zeit begünstigten Fähigkeiten und Eigenschaften in sich, aber die Möglichkeit ihrer Anwendung war ihm abhandengekommen; und da es schließlich, wenn schon Fußballspieler und Pferde Genie haben, nur noch der Gebrauch sein kann, den man von ihm macht, was einem für die Rettung der Eigenheit übrigbleibt, beschloß er, sich ein Jahr Urlaub von seinem Leben zu nehmen, um eine angemessene Anwendung seiner Fähigkeiten zu suchen.
Robert Musil (Der Mann ohne Eigenschaften (Comic-Adaption nach Robert Musil))
Ich wollte ihm erklären, dass Bücher nicht unbedingt denselben Zweck erfüllen wie Werkzeuge, dass es keinen klaren Unterschied gab, ob man sie benutzte oder nicht. Bücher geben mir ein Gefühl der Genugtuung, es war schön, sie aufgereiht in Regalen und am Boden zu sehen. Sie waren der versöhnlichste Blickfang in meiner verwahrlosten Wohnung. Meine Bücher leisteten mir Gesellschaft, munterten mich auf. Und da jedes Buch, das ich seit meiner Kindheit besaß, vom Keller verschimmelt war oder keinen Umschlag hatte, war ich besonders pingelig. Ich schrieb nicht an den Rand, machte keine Eselsohren in die Seiten und lieh sie nie aus
J.R. Moehringer (The Tender Bar: A Memoir)
Denn Romane zu schreiben ist ganz bestimmt keine effektive Tätigkeit. Sie besteht in der immerwährenden Wiederholung gewisser Themen, bei der man sich jedoch verschiedener Motive und Metaphern bedient. Jeder Autor hat in der Regel ein persönliches Thema, an dem er sich in verschiedenen Variationen abarbeitet. Treten bei der Bearbeitung Unklarheiten und verschwommene Stellen auf, macht er sich daran, sie mithilfe neuer Metaphern und Beispiele zu erklären. So ergibt sich unentwegt ein Beispiel aus dem anderen, und eine endlose Kette von Umschreibungen entsteht. Wie bei einer russischen Matrjoschka in jeder Puppe eine weitere Puppe steckt, bringt jedes Motiv wieder ein neues Motiv hervor. Kann es eine weniger effektive und umständlichere Beschäftigung geben?
Haruki Murakami (De qué hablo cuando hablo de escribir)
Man realisiert erst, wie klein man eigentlich ist, wenn man mit so etwas konfrontiert wird. Wir leben unser Leben, als stünden wir im Zentrum des Universums, aber wir sind nur winzige Stücke eines zerbrochenen Ganzen. Hier stand ich nun und machte mir Sorgen, wie ich das Leben nach dem College überleben sollte. Gott, es schien nicht einmal mehr richtig, hier von "Überleben" zu sprechen - nicht vor dieser Gedenkstätte an all die Menschen, die nicht überlebt hatten. Ich strich mir mit den Fingern durchs Haar und schlang sie hinter meinem Nacken ineinander. Ich wusste, dass ich Glück hatte. Dass ich regelrecht gesegnet war. Aber es war auch eine Menge Druck da.. mich zu bemühen, nicht zu vergeuden, was mir geschenkt worden war. Ich wollte etwas erreichen. Etwas lieben. Etwas sein. Aber ich wusste nicht, wie. Ich wusste nicht, was.
Cora Carmack (Finding It (Losing It, #3))
Er stand einen Moment und sah auf den offenen Körper unter den weißen Tüchern. Das grelle Licht machte die Tücher noch weißer, wie frischer Schnee, unter dem der rote Krater der klaffenden Wunde gähnte. Kate Hegström, vierunddreißig Jahre alt, kapriziös, schmal, braun, trainiert, voll von Willen zum Leben – zum Tode verurteilt durch den neblig unsichtbaren Griff, der ihre Zellen zerstört hatte. Er beugte sich wieder über den Körper. „Wir müssen ja noch –“ Das Kind. In diesem zerfallenden Körper wuchs ja noch blind ein tappendes Leben heran. Verurteilt mit ihm. Noch fressend, saugend, gierig, nichts als Trieb zum Wachsen, irgendetwas, das einmal spielen wollte in Gärten, das irgendetwas werden wollte, Ingenieur, Priester, Soldat, Mörder, Mensch, etwas, das leben, leiden, glücklich sein wollte und zerbrechen – vorsichtig ging das Instrument die unsichtbare Wand entlang – fand den Widerstand, brach ihn behutsam, brachte ihn heraus – vorbei. Vorbei mit all dem unbewußten Kreisen, vorbei mit dem ungelebten Atem, Jubel, Klage, Wachsen, Werden. Nichts mehr als etwas totes, bleiches Fleisch und etwas gerinnendes Blut.
Erich Maria Remarque (Arch of Triumph: A Novel of a Man Without a Country)
Sein braungebrannter Oberkörper war noch ein wenig feucht und Wasser tropfte von seinen langen dunklen Haaren auf seine Haut. Ich biss mir auf die Unterlippe, was die einzige Bewegung war, zu der ich fähig war. Mir war klar, dass ich ihn peinlicherweise jetzt genau wie die Schlampen im Club wollüstig anschmachtete, aber ich konnte nichts dagegen tun. Eigentlich sollte ich wirklich gehen, aber ich konnte nicht. Außerdem, hatte er mich nicht schon einmal genau so im Badezimmer beobachtet? Also war es nur fair. Er war so verdammt gut anzusehen und mein Körper reagierte wie der jeder Frau bei diesem Anblick. Mir wurde heiß, nicht nur im Gesicht, sondern überall, vor allem weiter unten. Dabei hatte ich ihn schon in seinen Badeshorts gesehen, aber dennoch, das hier war etwas komplett anderes. Was noch schlimmer wurde, als er das Tuch von der Hüfte löste und begann, damit seine Haare zu rubbeln. Unter der Haut bewegten sich die Muskeln seines Rückens, die hinunter zur schmalen Hüfte verliefen. Mein Blick ging noch tiefer und ich hatte keine Spucke mehr im Mund, als ich seinen Po betrachtete. Unwillkürlich krallte ich die Finger in meine Shorts, was zur Folge hatte, dass mir das Handy aus der Hand rutschte und auf den Boden fiel. Der Teppich war dick und dämpfte das Geräusch, aber man konnte es dennoch deutlich hören. Instinktiv wollte ich die Augen zusammenpressen, so wie kleine Kinder, die sich nur mit dem Gesicht hinter einem Vorhang versteckten, und glauben, wenn sie den anderen nicht sehen konnten, dann würden sie auch nicht gesehen werden. Was natürlich nicht der Fall war. Daher schluckte ich und sah wieder hoch und – wie erwartet – in Johnnys Gesicht, als er über die Schulter blickte. Und was ich in seinen tiefblauen Augen lodern sah, erregte mich stärker und machte mir gleichzeitig mehr Angst, als alles zuvor. Meine Augen blieben an seinen haften, auch als ich aus den Augenwinkeln bemerkte, wie er das Handtuch wieder um die Hüfte legte. Langsam drehte er sich um und beinahe raubtierhaft zielstrebig kam er auf mich zu, wie ein geschmeidiger Panther, den nichts stoppen konnte. Kurz vor mir blieb er stehen, als würde er warten, ob ich davonlief oder nicht. Auf keinen Fall, jetzt nicht mehr. Zu keinem Zeitpunkt hatte er den Blickkontakt zu mir unterbrochen, er musste meine Gedanken darin gelesen haben. Seine Hände umfassten mein Gesicht, strichen mir halbfeuchte Haare aus der Stirn und dann beugte er sich zu mir hinab. Ich hielt den Atem an, wartete auf seine Lippen, die sich aber nicht auf meine legten, sondern einen Zentimeter vorher verharrten. Als würde er noch immer auf meine Entscheidung warten. Mir wurde klar, dass ich diese schon lange getroffen hatte, nur viel zu feige und engstirnig gewesen war, sie mir auch einzugestehen. Ich griff in seine nassen Haare und zog ihn das verbleibende Stück zu mir hinunter. Ein Blitzschlag fuhr von meinen Lippen ausgehend durch meinen Körper, zwischen meine Beine – dann war es um mich und meine Selbstbeherrschung geschehen. Und wie es aussah, auch um seine. Denn statt weiterhin so sanft mein Gesicht zu halten, rutschten seine Hände meinen Rücken entlang bis er an meiner Hüfte angelangt war und sie fest drückte. Wie von selbst bog sich ihm mein Körper entgegen und ich strich mit der Zunge über seine Lippen, dann öffnete ich den Mund für seine und unser Kuss wurde fordernder. Seine Hände glitten noch weiter hinunter, umfassten meinen Po und während wir uns keuchend küssten, hob er mich mit einem Ruck hoch. Meine Beine schlang ich um seine Hüfte und unter dem Tuch konnte ich ihn spüren, was mir ein Stöhnen entlockte, das mir noch nie über die Lippen gekommen war. Daraufhin gab Johnny einen erstickten Laut von sich, küsste mein Kinn, meinen Hals und knabberte am Ohr, an dem er heiser flüsterte: »Sag mir, dass ich aufhören soll.« »Hör nicht auf«, bat ich leise und drückte mich nur noch fester an ihn.
Martina Riemer (Road to Hallelujah (Herzenswege #1))
Und plötzlich bemerke ich zum ersten Mal, dass das hier vermutlich einfach die erste Ruhe nach einem etwa zehnjährigen Sturm ist. Ein Sturm, der mit Ende der Schulzeit plötzlich laut und alles verschlingend losbricht. Ein Sturm der Hysterie, ausgelöst von dem Gedanken, nun endlich erwachsen zu sein, unabhängig, frei! Die Schule ist die letzte Kette, die uns an ein scheinbar fremdbestimmtes Leben bindet. Und wenn man das hinter sich lässt, das Abschlusszeugnis noch in den vor Erregung feuchten Händen, tobt plötzlich alles los. Alles rast, alles dreht sich, das ganze Leben explodiert in irren , leuchtenden Farben und regnet in Form unendlicher Möglichkeiten auf uns herab. Und wirklich nichts macht uns Angst! Alles ist aufregend und neu und so sexy, weil wir selbst bestimmen dürfen, ja sollen, was von diesem enormen Buffet der Chancen in unsere Mägen wandern soll und was nicht. Und so stopfen wir uns voll und schwärmen aus und suchen uns erste eigene Wohnungen, erste Jobs, verdienen unser erstes Geld und geben es mit wirren Augen und unkontrolliert schleudernden Armen aus und kaufen billige, aber eigene Autos, tanzen und ficken, mit wem wir wollen, wir verhüten nur unzureichend, aber wir werden nicht schwanger und AIDS ist so 90er, und wir tanzen noch mehr und trinken und kiffen und ficken und sind ganz erregt von unserer Reife. Wir spielen erwachsen, wie die Großen, und es fetzt, und wir haben doch noch so viel Zeit!
Sarah Kuttner (Wachstumsschmerz)
Wer sich einmal anschaulich macht, wie nach Sokrates, dem Mystagogen der Wissenschaft, eine Philosophenschule nach der anderen, wie Welle auf Welle, sich ablöst, wie eine nie geahnte Universalität der Wissensgier in dem weitesten Bereich der gebildeten Welt und als eigentliche Aufgabe für jeden höher Befähigten die Wissenschaft auf die hohe See führte, von der sie niemals seitdem wieder völlig vertrieben werden konnte, wie durch diese Universalität erst ein gemeinsames Netz des Gedankens über den gesammten Erdball, ja mit Ausblicken auf die Gesetzlichkeit eines ganzen Sonnensystems, gespannt wurde; wer dies Alles, sammt der erstaunlich hohen Wissenspyramide der Gegenwart, sich vergegenwärtigt, der kann sich nicht entbrechen, in Sokrates den einen Wendepunkt und Wirbel der sogenannten Weltgeschichte zu sehen. Denn dächte man sich einmal diese ganze unbezifferbare Summe von Kraft, die für jene Welttendenz verbraucht worden ist, nicht im Dienste des Erkennens, sondern auf die praktischen d.h. egoistischen Ziele der Individuen und Völker verwendet, so wäre wahrscheinlich in allgemeinen Vernichtungskämpfen und fortdauernden Völkerwanderungen die instinctive Lust zum Leben so abgeschwächt, dass, bei der Gewohnheit des Selbstmordes, der Einzelne vielleicht den letzten Rest von Pflichtgefühl empfinden müsste, wenn er, wie der Bewohner der Fidschiinseln, als Sohn seine Eltern, als Freund seinen Freund erdrosselt: ein praktischer Pessimismus, der selbst eine grausenhafte Ethik des Völkermordes aus Mitleid erzeugen könnte – der übrigens überall in der Welt vorhanden ist und vorhanden war, wo nicht die Kunst in irgend welchen Formen, besonders als Religion und Wissenschaft, zum Heilmittel und zur Abwehr jenes Pesthauchs erschienen ist.
Friedrich Nietzsche (Die Geburt der Tragodie, Unzeitgemasse Betrachtungen I-III: (1872-74), Aus: Werke: Kritische Gesamtausgabe, Abt. 3, Bd. 1)
Ehre und Scham vor dem Schlafe! Das ist das Erste! Und Allen aus dem Wege gehn, die schlecht schlafen und Nachts wachen! Schamhaft ist noch der Dieb vor dem Schlafe: stets stiehlt er sich leise durch die Nacht. Schamlos aber ist der Wächter der Nacht, schamlos trägt er sein Horn. Keine geringe Kunst ist schlafen: es thut schon Noth, den ganzen Tag darauf hin zu wachen. Zehn Mal musst du des Tages dich selber überwinden: das macht eine gute Müdigkeit und ist Mohn der Seele. Zehn Mal musst du dich wieder dir selber versöhnen; denn Überwindung ist Bitterniss, und schlecht schläft der Unversöhnte. Zehn Wahrheiten musst du des Tages finden: sonst suchst du noch des Nachts nach Wahrheit, und deine Seele blieb hungrig. Zehn Mal musst du lachen am Tage und heiter sein: sonst stört dich der Magen in der Nacht, dieser Vater der Trübsal. Wenige wissen das: aber man muss alle Tugenden haben, um gut zu schlafen. Werde ich falsch Zeugniss reden? Werde ich ehebrechen? Werde ich mich gelüsten lassen meines Nächsten Magd? Das Alles vertrüge sich schlecht mit gutem Schlafe. Und selbst wenn man alle Tugenden hat, muss man sich noch auf Eins verstehn: selber die Tugenden zur rechten Zeit schlafen schicken. Dass sie sich nicht mit einander zanken, die artigen Weiblein! Und über dich, du Unglückseliger! Friede mit Gott und dem Nachbar: so will es der gute Schlaf. Und Friede auch noch mit des Nachbars Teufel! Sonst geht er bei dir des Nachts um. Ehre der Obrigkeit und Gehorsam, und auch der krummen Obrigkeit! So will es der gute Schlaf. Was kann ich dafür, dass die Macht gerne auf krummen Beinen Wandelt? Der soll mir immer der beste Hirt heissen, der sein Schaf auf die grünste Aue führt: so verträgt es sich mit dem gutem Schlafe. Viel Ehren will ich nicht, noch grosse Schätze: das entzündet die Milz. Aber schlecht schläft es sich ohne einen guten Namen und einen kleinen Schatz. Eine kleine Gesellschaft ist mir willkommener als eine böse: doch muss sie gehn und kommen zur rechten Zeit. So verträgt es sich mit gutem Schlafe. Sehr gefallen mir auch die Geistig-Armen: sie fördern den Schlaf. Selig sind die, sonderlich, wenn man ihnen immer Recht giebt. Also läuft der Tag dem Tugendsamen. Kommt nun die Nacht, so hüte ich mich wohl, den Schlaf zu rufen! Nicht will er gerufen sein, der Schlaf, der der Herr der Tugenden ist! Sondern ich denke, was ich des Tages gethan und gedacht. Wiederkäuend frage ich mich, geduldsam gleich einer Kuh: welches waren doch deine zehn Überwindungen? Und welches waren die zehn Versöhnungen und die zehn Wahrheiten und die zehn Gelächter, mit denen sich mein Herz gütlich that? Solcherlei erwägend und gewiegt von vierzig Gedanken, überfällt mich auf einmal der Schlaf, der Ungerufne, der Herr der Tugenden. Der Schlaf klopft mir auf meine Auge: da wird es schwer. Der Schlaf berührt mir den Mund: da bleibt er offen. Wahrlich, auf weichen Sohlen kommt er mir, der liebste der Diebe, und stiehlt mir meine Gedanken: dumm stehe ich da wie dieser Lehrstuhl. Aber nicht lange mehr stehe ich dann: da liege ich schon.
Friedrich Nietzsche (Thus Spoke Zarathustra)
Wer nicht nur seine Nase zum Riechen hat, sondern auch seine Augen und Ohren, der spürt fast überall, wohin er heute auch nur tritt, etwas wie Irrenhaus-, wie Krankenhaus-Luft – ich rede, wie billig, von den Kulturgebieten des Menschen, von jeder Art »Europa«, das es nachgerade auf Erden gibt. Die Krankhaften sind des Menschen große Gefahr: nicht die Bösen, nicht die »Raubtiere«. Die von vornherein Verunglückten, Niedergeworfnen, Zerbrochenen – sie sind es, die Schwächsten sind es, welche am meisten das Leben unter Menschen unterminieren, welche unser Vertrauen zum Leben, zum Menschen, zu uns am gefährlichsten vergiften und in Frage stellen. Wo entginge man ihm, jenem verhängten Blick, von dem man eine tiefe Traurigkeit mit fortträgt, jenem zurückgewendeten Blick des Mißgebornen von Anbeginn, der es verrät, wie ein solcher Mensch zu sich selber spricht – jenem Blick, der ein Seufzer ist! »Möchte ich irgend jemand anderes sein!« so seufzt dieser Blick: »aber da ist keine Hoffnung. Ich bin, der ich bin: wie käme ich von mir selber los? Und doch – habe ich mich satt!«... Auf solchem Boden[863] der Selbstverachtung, einem eigentlichen Sumpfboden, wächst jedes Unkraut, jedes Giftgewächs, und alles so klein, so versteckt, so unehrlich, so süßlich. Hier wimmeln die Würmer der Rach- und Nachgefühle; hier stinkt die Luft nach Heimlichkeiten und Uneingeständlichkeiten; hier spinnt sich beständig das Netz der bösartigsten Verschwörung – der Verschwörung der Leidenden gegen die Wohlgeratenen und Siegreichen, hier wird der Aspekt des Siegreichen gehaßt. Und welche Verlogenheit, um diesen Haß nicht als Haß einzugestehn! Welcher Aufwand an großen Worten und Attitüden, welche Kunst der »rechtschaffnen« Verleumdung! Diese Mißratenen: welche edle Beredsamkeit entströmt ihren Lippen! Wieviel zuckrige, schleimige, demütige Ergebung schwimmt in ihren Augen! Was wollen sie eigentlich? Die Gerechtigkeit, die Liebe, die Weisheit, die Überlegenheit wenigstens darstellen – das ist der Ehrgeiz dieser »Untersten«, dieser Kranken! Und wie geschickt macht ein solcher Ehrgeiz! Man bewundere namentlich die Falschmünzer-Geschicklichkeit, mit der hier das Gepräge der Tugend, selbst der Klingklang, der Goldklang der Tugend nachgemacht wird. Sie haben die Tugend jetzt ganz und gar für sich in Pacht genommen, diese Schwachen und Heillos-Krankhaften, daran ist kein Zweifel: »wir allein sind die Guten, die Gerechten, so sprechen sie, wir allein sind die homines bonae voluntatis.« Sie wandeln unter uns herum als leibhafte Vorwürfe, als Warnungen an uns – wie als ob Gesundheit, Wohlgeratenheit, Stärke, Stolz, Machtgefühl an sich schon lasterhafte Dinge seien, für die man einst büßen, bitter büßen müsse: o wie sie im Grunde dazu selbst bereit sind, büßen zu machen, wie sie darnach dürsten, Henker zu sein. Unter ihnen gibt es in Fülle die zu Richtern verkleideten Rachsüchtigen, welche beständig das Wort »Gerechtigkeit« wie einen giftigen Speichel im Munde tragen, immer gespitzen Mundes, immer bereit, alles anzuspeien, was nicht unzufrieden blickt und guten Muts seine Straße zieht. Unter ihnen fehlt auch jene ekelhafteste Spezies der Eitlen nicht, die verlognen Mißgeburten, die darauf aus sind, »schöne Seelen« darzustellen, und etwa ihre verhunzte Sinnlichkeit, in Verse und andere Windeln gewickelt, als »Reinheit des Herzens« auf den Markt bringen: die Spezies der moralischen Onanisten und »Selbstbefriediger«.
Friedrich Nietzsche (Jenseits von Gut und Böse/Zur Geneologie der Moral)
Der Wille der Kranken, irgendeine Form der Überlegenheit darzustellen, ihr Instinkt[864] für Schleichwege, die zu einer Tyrannei über die Gesunden führen – wo fände er sich nicht, dieser Wille gerade der Schwächsten zur Macht! Das kranke Weib insonderheit: niemand übertrifft es in Raffinements, zu herrschen, zu drücken, zu tyrannisieren. Das kranke Weib schont dazu nichts Lebendiges, nichts Totes, es gräbt die begrabensten Dinge wieder auf (die Bogos sagen: »das Weib ist eine Hyäne«). Man blicke in die Hintergründe jeder Familie, jeder Körperschaft, jedes Gemeinwesens: überall der Kampf der Kranken gegen die Gesunden – ein stiller Kampf zumeist mit kleinen Giftpulvern, mit Nadelstichen, mit tückischem Dulder-Mienenspiele, mitunter aber auch mit jenem Kranken-Pharisäismus der lauten Gebärde, der am liebsten »die edle Entrüstung« spielt. Bis in die geweihten Räume der Wissenschaft hinein möchte es sich hörbar machen, das heisere Entrüstungs-Gebell der krankhaften Hunde, die bissige Verlogenheit und Wut solcher »edlen« Pharisäer (– ich erinnere Leser, die Ohren haben, nochmals an jenen Berliner Rache-Apostel Eugen Dühring, der im heutigen Deutschland den unanständigsten und widerlichsten Gebrauch vom moralischen Bumbum macht: Dühring, das erste Moral-Großmaul, das es jetzt gibt, selbst noch unter seinesgleichen, den Antisemiten). Das sind alles Menschen des Ressentiment, diese physiologisch Verunglückten und Wurmstichigen, ein ganzes zitterndes Erdreich unterirdischer Rache, unerschöpflich, unersättlich in Ausbrüchen gegen die Glücklichen und ebenso in Maskeraden der Rache, in Vorwänden zur Rache: wann würden sie eigentlich zu ihrem letzten, feinsten, sublimsten Triumph der Rache kommen? Dann unzweifelhaft, wenn es ihnen gelänge, ihr eignes Elend, alles Elend überhaupt den Glücklichen ins Gewissen zu schieben: so daß diese sich eines Tags ihres Glücks zu schämen begännen und vielleicht untereinander sich sagten »es ist eine Schande, glücklich zu sein! es gibt zu viel Elend!«... Aber es könnte gar kein größeres und verhängnisvolleres Mißverständnis geben, als wenn dergestalt die Glücklichen, die Wohlgeratenen, die Mächtigen an Leib und Seele anfingen, an ihrem Recht auf Glück zu zweifeln. Fort mit dieser »verkehrten Welt«! Fort mit dieser schändlichen Verweichlichung des Gefühls! Daß die Kranken nicht die Gesunden krank machen – und dies wäre eine solche Verweichlichung –, das sollte doch der oberste Gesichtspunkt auf Erden sein – dazu aber gehört[865] vor allen Dingen, daß die Gesunden von den Kranken abgetrennt bleiben, behütet selbst vor dem Anblick der Kranken, daß sie sich nicht mit den Kranken verwechseln. Oder wäre es etwa ihre Aufgabe, Krankenwärter oder Ärzte zu sein?... Aber sie könnten ihre Aufgabe gar nicht schlimmer verkennen und verleugnen – das Höhere soll sich nicht zum Werkzeug des Niedrigeren herabwürdigen, das Pathos der Distanz soll in alle Ewigkeit auch die Aufgaben auseinanderhalten! Ihr Recht, dazusein, das Vorrecht der Glocke mit vollem Klange vor der mißtönigen, zersprungenen, ist ja ein tausendfach größeres: sie allein sind die Bürgen der Zukunft, sie allein sind verpflichtet für die Menschen-Zukunft. Was sie können, was sie sollen, das dürften niemals Kranke können und sollen: aber damit sie können, was nur sie sollen, wie stünde es ihnen noch frei, den Arzt, den Trostbringer, den »Heiland« der Kranken zu machen?... Und darum gute Luft! gute Luft! und weg jedenfalls aus der Nähe von allen Irren- und Krankenhäusern der Kultur! Und darum gute Gesellschaft, unsre Gesellschaft! Oder Einsamkeit, wenn es sein muß! Aber weg jedenfalls von den üblen Dünsten der inwendigen Verderbnis und des heimlichen Kranken-Wurmfraßes!... Damit wir uns selbst nämlich, meine Freunde, wenigstens eine Weile noch gegen die zwei schlimmsten Seuchen verteidigen, die gerade für uns aufgespart sein mögen – gegen den großen Ekel am Menschen! gegen das große Mitleid mit dem Menschen!...
Friedrich Nietzsche (Jenseits von Gut und Böse/Zur Geneologie der Moral)
Früher oder später werden wir alle lernen müssen, dass die Welt das eine oder andere über uns weiß. Das war im Übrigen schon immer so. Ich bin in einem echten Kaff in Sussex groß geworden. Jeder kannte jeden. Wusste, wer mit wem hinter der nächsten Brombeerhecke fremdging. Wer soff, wer krank oder impotent war oder ein Geschäft plante. Heute wohne ich eben im globalen Dorf." "Das alte Dorf war ein überschaubarer Kreis." "Aber er war nicht angenehmer. Und auch nicht gnädiger. Wehe, du hast nicht mitgespielt, warst am Sonntag nicht in der Kirche oder beim Feuerwehrfest oder im Elternrat der Schule. Anonymoität, Privatsphäre? Fehlanzeige. Ein Außenseiter hat kein leichtes Leben im Dorf." "Aus dem Dorf kann man wegziehen. Stadtluft macht frei. Warum bist du in London?" "Weil man da draußen nur Schafhirte oder Alkoholiker werden kann?", fragt Anthony. "Oder beides?" "Aus dem globalen Dorf kann man nicht wegziehen." "Willst du das denn?" "Ich habe schon ganz gern einen Platz, an dem ich nicht gestört werde." "Ich habe nichts zu verbergen", meint Anthony jovial. "Wie langweilig!", erwidert Cyn und amüsiert sich über Anthonys verdutze Miene. Chander im Nebensitz grinst mit ihr. "Wie viel verdienst du eigentlich?", fragt sie. "Was hat das damit zu tun?", fragt Anthony zurück. "Wie viel verdienst du?" "Ich...ähm", druckst Anthony herum. "Na also, geht doch! Wie sieht dein bestes Stück aus?" "Ja, los, sag schon", lacht Chander. "Ich weiß, worauf du hinaus willst"; lächelt Anthny nachsichtig. "Dass wir alle unsere kleinen Geheimnisse brauchen.
Marc Elsberg (ZERO)
...jedoch spürt man auf ziemlich perverse Art, dass man dem Leben an sich ausgeliefert ist, weil es einen zwingt, zu atmen und zu atmen und zu atmen in einer endlosen Kapitulation vor der biologischen Routine, und dass das menschliche Streben nach Kontrolle ebenso viel mit der Machtergreifung über den eigenen Körper zu tun hat wie mit der Ausübung von Macht über andere.
Tim Winton (Breath)
Wenn man Schluss macht, gibt es immer den Augenblick, wo sich ein Mensch, der Teil deines Lebens war, wieder in die Menge einreiht, und obwohl er noch immer vor einem steht, wieder zum Fremden wird. Der Körper vor einem erstarrt zu etwas, woran man sich nur aus der Zeit erinnert, bevor man ihn sehr gut kannte. Das ist wie die Umkehrung eines ersten Kusses, der sich von Intimität zur Fremdheit zurückentwickelt, ohne das man den Ort wechselt. Es hat den Ruch von Erinnerung, ähnlich wie das erste mal, wenn du dir von jemandem das Top ausziehen lässt.
Anna Stothard (The Art of Leaving)
Im Schwarzbrot war die Welt, was sie in ihrem Wesen nach ist - eine primitive, durch Magie gelenkte Welt, in der die Angst die Hauptrolle spielt. Der Junge, der die meiste Angst einfloessen konnte, wurde zum Anfuehrer und so lange geachtet, wie er seine Macht behaupten konnte. Andere Jungen waren Rebellen,und sie wurden bewundert, aber Anfuehrer wurden sie nie. Die Mehrheit war nichts als Ton in den Händen der Furchtlosen. Auf ein paar wenige konnte man sich verlassen, auf die meisten aber nicht. Die Luft war voller Spannung, man konnte nichts für morgen voraussagen. Dieser lockere, primitive Kern einer Gesellschaft brachte heftige Begierden, Gefühle, heftigen WIssensdurst hervor. Nichts wurde als erwiesen hingenommen; jeder Tag verlangte eine neue Kraftprobe, ein neues Gefühl von Kraft oder Versagen. Und so hatten wir bis zum Alter von neun oder zehn Jahren einen echten Geschmack vom Leben - wir waren unsere eigenen Herren. Das heißt diejenigen von uns, die das Glück hatten, nicht durch ihre Eltern verdorben worden zu sein, die abends frei durch die Straßen streunen und die Dinge mit unseren Augen entdecken konnten. Nicht ohne ein gewisses wehmütiges Bedauern denke ich daran, daß dieses streng begrenzte Leben der frühen Knabenjahre wie eine unermeßliche Welt, das Leben, das ihm folgte, das Leben der Erwachsenen, mir als ein ständig schrumpfender Bereich erscheint. Von dem Augenblick an, wo man in die Schule gesteckt wird, ist man verloren: man hat das Gefühl, daß man einen Halfter um den Hals gelegt bekommt. Das Brot verliert seinen Geschmack, wie das Leben ihn verliert. Sein Brot zu verdienen, wird wichtiger, als es zu essen. Alles wird berechnet, und alles hat seinen Preis.
Henry Miller (Tropic of Capricorn (Tropic, #2))
Man weiß nie, wie jemand ist, solange man ihn nicht mächtig oder machtlos erlebt hat
Jon Bauer
Es ist in vieler Hinsicht leichter, ohne Horizonte zu leben, im Nebel und in der Enge, jedenfalls ist mir bewusst, dass ich mich an simple und praktische Tätigkeiten halten muss: wie gesagt, Beschlüsse fassen und sie in die Tat umsetzen, sonst könnten alle Dämme brechen. Wenn alles, jeder Schritt und jede Handlung und Unternehmung, ohne tieferen Sinn ist, wenn man ebenso gut etwas völlig anderes hätte tun können als das, was man gerade macht, und man es einfach nicht lassen kann, sich daran zu erinnern – und wenn das Einzige, was eventuell von Bedeutung ist, in den Fehlern und Missetaten zu bestehen scheint, die man in der Vergangenheit begangen hat –, tja, dann lauert der Wahnsinn hinter der nächsten Ecke.
Håkan Nesser (Die Lebenden und Toten von Winsford)
41. Maqâme (Al-Hamadhânî) Das Wissen Als ich einst durch eine Ortschaft in der Fremde zog, da sah ich einen Mann und hörte diesen einen andern fragen: "Wie erlangtest du dein Wissen?" Und ich hörte drauf den andern sagen: "Mir wurde auf der Suche nach dem Wissen klar, dass dieses in der Ferne nur zu finden war uns dass es sich nicht jagen lässt mit Pfeilen, dass es Glücksspielhölzer nicht verteilen, dass man es im Traum nicht findet, dass kein Zügel fest es bindet, dass kein Oheim es vererben kann und dass es nicht zu borgen ist von einem Edelmann. Ich machte mir deshalb auf meinem Weg zum Wissen aus dem Lehm der Erde meine Lagerstätte, nahm die Steine mir als Kissen, kämpfte mit den Ärgernissen, ließ den Schlaf mich ständig missen, überlegte viel und dachte nach beflissen. Ich erkannte, dass man Wissen außer in der Seele nirgends pflanzen kann und dass es nur in ihr gedeiht sodann. Ich fand es wie ein Jagdtier, das sich in die Falle selten nur verirrt und nur vom Herzen eingefangen wird, und einem Vogel ähnlich, den zu täuschen außer mit des Wortes Waffen nicht gelingt und den allein die Schlinge der Gedächtniskraft bezwingt. So ließ ich meine Seele denn das Wissen tragen, ließ mein Auge es behüten, gab viel aus von meinem Lebensunterhalt, doch häufte Schätze an in meinem Herzen. Ich widmete mich gänzlich dem Studieren, kam vom Meditieren dann zum Recherchieren und vom Recherchieren dann zum Kommentieren, und bei allem bat ich Gott, er möge zum Erfolg mich führen." Die Worte, die ich hörte, sprengten mir die Ohren, drangen mir ins Herz und tauchten tief in meine Brust. "O Jüngling, wo ist diese Sonne aufgegangen?", fragte ich, worauf er sagte: "Alexandria ist mein Zuhaus, und wär mein Wohnsitz fest, es wäre dort, doch so bin ich des Nachts in Syrien, ziehe zum Irak am Tag dann fort." (Al-Hamadhâni, "Vernunft ist nichts als Narrerei", Edition Erdmann, S. 170-171)
Al-Hamadhâni
Zu diesem Zeitpunkt bin ich zweiundzwanzig, der Umstand, erwachsen zu sein, gefällt mir außerordentlich. Doch Teil dieses Erwachsenseins ist die beunruhigende Einsicht, wie schlecht ich mich im Leben auskenne. Man muss extrem viel wissen, und das Leben ändert sich ständig. Vor drei jahren war die Welt noch geordneter, da war ich vollkommen sicher in dem, was ich gedacht, und in dem, was ich empfunden habe, so sicher, wie nur jemand sein kann, der völlig ahnungslos ist. Absolute Überzeugungen, absolute Gefühle: das macht die Dinge übersichtlich. Jetzt hingegen: wenn ich an die Gegenwart denke, schlägt mein Herz unregelmäßig. Und wenn ich an die Zukunft denke, kommt ein Stechen dazu. Wachstumsschmerzen, ich weiß.
Arno Geiger
Als Knabe trug ich außer Ruten, Gesträuchen und Blüten, die mich ergötzten, auch noch andere Dinge nach Hause, die mich fast noch mehr freuten, weil sie nicht so schnell Farbe und Bestand verloren wie die Pflanzen, nämlich allerlei Steine und Erddinge. Auf Feldern, an Rainen, auf Haiden und Hutweiden, ja sogar auf Wiesen, auf denen doch nur das hohe Gras steht, liegen die mannigfaltigsten dieser Dinge herum. Da ich nun viel im Freien herum schweifen durfte, konnte es nicht fehlen, daß ich bald die Plätze entdeckte, auf denen die Dinge zu treffen waren, und daß ich die, welche ich fand, mit nach Hause nahm. Da ist an dem Wege, der von Oberplan nach Hossenreuth führt, ein geräumiges Stück Rasen, welches in die Felder hinein geht und mit einer Mauer aus losen Steinen eingefaßt ist. In diesen Steinen stecken kleine Blättchen, die wie Silber und Diamanten funkeln, und die man mit einem Messer oder mit einer Ahle herausbrechen kann. Wir Kinder hießen diese Blättchen Katzensilber, und hatten eine sehr große Freude an ihnen. Auf dem Berglein des Altrichters befindet sich ein Stein, der so fein und weich ist, daß man ihn mit einem Messer schneiden kann. Die Bewohner unserer Gegend nennen ihn Taufstein. Ich machte Täfelchen, Würfel, Ringe und Petschafte aus dem Steine, bis mir ein Mann, der Uhren, Barometer und Stammbäume verfertigte und Bilder lackierte, zeigte, daß man den Stein mit einem zarten Firnisse anstreichen müsse, und daß dann die schönsten blauen, grünen und rötlichen Linien zum Vorscheine kämen. Wenn ich Zeit hatte, legte ich meine Schätze in eine Reihe, betrachtete sie, und hatte mein Vergnügen an ihnen. Besonders hatte die Verwunderung kein Ende, wenn es auf einem Steine so geheimnisvoll glänzte und leuchtete und äugelte, daß man es gar nicht ergründen konnte, woher denn das käme. Freilich war manchmal auch ein Stück Glas darunter, das ich auf den Feldern gefunden hatte, und das in allerlei Regenbogenfarben schimmerte. Wenn sie dann sagten, das sei ja nur ein Glas, und noch dazu ein verwitterndes, wodurch es eben diese schimmernden Farben erhalten habe, so dachte ich: Ei, wenn es auch nur ein Glas ist, so hat es doch die schönen Farben, und es ist zum Staunen, wie es in der kühlen, feuchten Erde diese Farben empfangen konnte, und ich ließ es unter den Steinen liegen.
Adalbert Stifter
Aber ich will überhaupt nicht ans Theater!' 'Weshalb nicht?' 'Weil es mich nicht interessiert!', schießt es aus mir heraus, und sofort schäme ich mich, als hätte ich absichtlich eine alte Frau geschubst. Sich nicht fürs Theater interessieren ist wie nie die Tagesschau sehen oder nicht wählen gehen. Macht man einfach nicht.
Sarah Kuttner (Wachstumsschmerz)
Wir wissen, wie man den einen Schritt zu viel macht: Er liegt schon lange hinter uns.
Mariette Navarro (Wir Wellen)
Postmodernes & gendermäßiges Denken & wissenschaftsgeschichtliche Überlegungen & Dekonstruktion von Landschaft als "Natur" & Transkulturation: - "Auch Wildnis kann Menschenwerk sein." - Natur als menschliches Konstrukt und Projektionsfläche etc. - das Buchfinken-Experiment des Wissenschaftlers Thorpes (er zog junge Finken isoliert in schalldichten Käfigen auf, um ihr angeborenes oder antrainiertes Singverhalten zu untersuchen) war in den Ägnsten der Zeit des Kalten Krieges verwurzelt: Fragen eines Nachkriegswissenschaftlers, der von der eigenen Identität besessen war und Angst vor Gehirnwäsche hatte: Wie lernst du, wer du bist? Kann man dich unmpolen? Was macht dich zu einem Buchfinken? (94) - männlicher viktorianischer Blick auf Habichte entsprach männlichem Blick auf (hormongesteuerte, launische) Frauen: "Habichte konnte man nicht verstehen, wie Frauen. Sie waren launisch, flatterhaft, hysterisch, ihre Stimmungen pathologisch. Jenseits aller Vernunft." - Anders im elisabethanischen und jakobinischen 17. Jh.: "Damals erachtete man sie als 'umgänglich und vertraut', wenngleich ihrer Natur nach eher 'scheu und ängstlich', wie Simon Latham 1615 schrieb. Sie nehmen 'Anstoß' an 'grober und schroffer Behandlung durch den Menschen'; behandelte man sie dagegen mit Güte und Umsicht, waren sie 'so liebevoll und ihrem Falkner zugetan wie jeder andere Greifvogel'. Auch hier sprach man über die Vögel wie über Frauen - etwas, das man für sich gwinnen, umwerben, lieben sollte, Aber man betrachtete sie nicht als hysterische Monster. Sie waren echte, widersprüchliche Wesen mit einem eigenen Willen, 'imposant und mutig', aber eben auch 'scheu und ängstlich'. (157) - Beziehung zwischen Mensch & Tier: "So viel von dem, wofür sie [Mabel] steht, ist Menschenwerk. Seit Tausenden von Jahren hat man Greifvögel wie sie eingefangen und in menschliche Obhut gegeben." (15) - "Dass das Downland nicht nur mit Naturgeschichte, sondern auch mit Begriffen wie Nation und Volk verknüpft war." (359) - "Das flüchtende Damwild und der flüchtende Hase. Vermächtnisse des Handels und der Inbesitznahme des Landes, der Bewirtschaftung, der Jagd, der Besiedlung. Hasen sind vermutlich von den Römern hierhergebracht worden, das Damwild ganz sicher. Fasane auch, in Scharen aus Kleinasien. Die Rebhühner, denen dieses Land gehört, stammen ursprünglich aus Frankreich; die, die ich hier sehe, wurden in Brutschränken mit Luftumwälzpumpen auf Federwildfarmen ausgebrütet. Das Grauhörnchen auf der Kastanie? Nordamerika. Kaninchen? Wurden im Mittelalter eingeführt. Filz, Fleisch, Fell, Federn aus allen Teilen der Welt. Und trotzdem gehört dieses Land ihnen." (361) - "Ich denke an all die komplizierten Geschichten der Landschaften und wie leicht es ist, sie beiseitezufegen, si abzutun, und stattdessen bequemere, sicherere Geschichten zu etablieren." (363) - "Diese Geschichten sind nur für uns sicher." (363) - "Das gute alte England existiert nur in der Vorstellung - ein Land, das aus Wörtern, Holzschnitten, Filmen, Gemälden und pittoresken Stichen zusammengezimmert ist." (364)
Helen Macdonald (H is for Hawk)
Ich will mir vorstellen, unter welchen neuen Merkmalen der Despotismus in der Welt auftreten könnte: Ich erblicke eine Menge einander ähnlicher und gleichgestellter Menschen, die sich rastlos im Kreise drehen, um sich kleine und gewöhnliche Vergnügungen zu verschaffen, die ihr Gemüt ausfüllen. Jeder steht in seiner Vereinzelung dem Schicksal aller andern fremd gegenüber: Seine Kinder und seine persönlichen Freunde verkörpern für ihn das ganze Menschengeschlecht; was die übrigen Mitbürger angeht, so steht er neben ihnen, aber er sieht sie nicht; er berührt sie, und er fühlt sie nicht; er ist nur in sich und für sich allein vorhanden, und bleibt ihm noch eine Familie, so kann man zumindest sagen, dass er kein Vaterland mehr hat. Über diesen erhebt sich eine gewaltige bevormundende Macht, die allein dafür sorgt, ihre Genüsse zu sichern und ihr Schicksal zu überwachen. Sie ist unumschränkt, ins Einzelne gehend, regelmäßig, vorsorglich und mild. Sie wäre der väterlichen Gewalt gleich, wenn sie wie diese das Ziel verfolgte, die Menschen auf das reife Alter vorzubereiten; statt dessen aber sucht sie bloß, sie unwiderruflich im Zustand der Kindheit festzuhalten; es ist ihr recht, dass die Bürger sich vergnügen, vorausgesetzt, dass sie nichts anderes im Sinne haben, als sich zu belustigen. Sie arbeitet gerne für deren Wohl; sie will aber dessen alleiniger Betreuer und einziger Richter sein; sie sorgt für ihre Sicherheit, ermisst und sichert ihren Bedarf, erleichtert ihre Vergnügungen, führt ihre wichtigsten Geschäfte, lenkt ihre Industrie, ordnet ihre Erbschaften, teilt ihren Nachlass; könnte sie ihnen nicht auch die Sorge des Nachdenkens und die Mühe des Lebens ganz abnehmen?
Alexis de Tocqueville (Democracy in America)
Wie die Größe des römischen Gemeinwesens nicht das Werk hervorragender Individuen, sondern das einer tüchtig organisierten Bürgerschaft gewesen ist, so ist auch der Verfall dieses gewaltigen Gebäudes nicht aus der verderblichen Genialität einzelner, sondern aus der allgemeinen Desorganisation hervorgegangen. Die große Majorität der Bürgerschaft taugte nichts und jeder morsche Baustein half mit zu dem Ruin des ganzen Gebäudes; es büßte die ganze Nation, was die ganze Nation verschuldete. Es war ungerecht, wenn man die Regierung als den letzten greifbaren Ausdruck des Staats für alle heilbaren und unheilbaren Krankheiten desselben verantwortlich machte; aber das allerdings war wahr, daß die Regierung in furchtbar schwerer Weise mittrug an dem allgemeinen Verschulden.
Theodor Mommsen
Selbst wenn es geschehen ist, selbst wenn etwas geschehen ist, was dem gleicht, selbst wenn es nachprüfbare Fakten sind, bleibt es immer noch eine Geschichte, die man sich erzählt. Wir spielen uns gegenseitig etwas vor. Und im Grunde ist vielleicht das das Entscheidende. Diese winzigen Dinge, die nicht an der Wirklichkeit kleben, sondern sie verändern. Diese Stellen an den Rändern und Ecken, wo sich das Pauspapier ablöst. Denn was man auch tut, es wellt und krümmt sich und es täuscht. Und vielleicht hat das Buch Sie gerade deshalb berührt.Wir alle sind Voyeure, da stimme ich Ihnen zu, aber was uns im Grunde interessiert, fasziniert, ist vielleicht nicht so sehr die Realität wie die Art, in der sie von denjenigen verändert wird, die sie uns zu zeigen oder zu erzählen versuchen. Es ist der Filter vor dem Objektiv. Ein Realitätszertifikat macht den Roman nicht besser. Das glaube jedenfalls ich.
Delphine de Vigan (D'après une histoire vraie)
Und deswegen will Hermann Kesten vor allem das von ihrem Gespräch in Brüssel von ihr wissen: °Wie ist es in Deutschland heute? ...° Aber sie erzählt von einem Deutschland , in dem Kolonialwarenhändler und Feldwebelwitwen Nietsches Philosophie vollstreckten. Einem Deutschland mit unfrohen, rohen Gesängen und drohenden Rundfunkreden, mit der künstlichen Dauer-Ekstase von Aufmärschen, Parteitagen, Heil-Jubeln und Feiern. Einem Deutschland voll berauschter Spießbürger. Berauscht, weil sie es sein sollten - berauscht weil man ihnen Vernunftlosigkeit als Tugend pries, berauscht, weil sie gehorchen und Angst haben durften, und berauscht, weil sie Macht bekommen hatten.
Volker Weidermann, Ostende
Spirituelles Wissen entsteht nicht, indem man etwas lernt, sondern indem man etwas entdeckt, indem man die Fesseln des falschen Bewusstseins zerbricht und der Seele erlaubt, sich mit Licht und Macht zu entfalten. Was ist die wirkliche Bedeutung des Wortes spirituell? Spirituell bedeutet: Geist-Seele-Bewusstsein. Wer sich nur seines Körpers bewusst ist, kann nicht spirituell sein. Solch ein Mensch gleicht einem König, der seine Königswürde nicht kennt. Sobald sich der Mensch bewusst wird, eine Königin oder ein König zu sein, ist er Königin oder König. Jede Seele wird als Königin oder König geboren. Erst danach wird sie zum Sklaven. Jede Seele wird mit königlichen Möglichkeiten geboren, aber sie werden ihr von dieser schlechten Welt fortgenommen. Davon wird in vielen symbolhaften Geschichten erzählt, wie in der von Rama, dem seine geliebte Sita geraubt wurde. Jede Seele muss um dieses Königreich kämpfen, und siegen. Durch diesen Kampf wird das spirituelle Königreich verwirklicht. (S. 11)
Hazrat Inayat Khan (Meisterschaft: Spirituelle Verwirklichung in dieser Welt)
Der persische Dichter Saadi ein großer Lebenskünstler, sagte: „Welchen Wert hat die Vernunft, wenn sie mich nicht rettet, bevor ich etwas sage!“ Das zeigt uns, dass wir Fehler machen können, wenn wir keine Kontrolle über unsere Worte haben, wie weise wir auch sein mögen. Für diese Wahrheit können wir leicht Beispiele finden; diejenigen, die viel reden, haben weniger Macht als jene, die wenig sprechen. Denn geschwätzige Menschen sind nicht fähig, eine Idee in tausend Worten auszudrücken, die Meister der Stille in nur einem Wort vermitteln können. Alle können sprechen, aber nicht alle Worte haben dieselbe Kraft. Überdies sagen Worte viel weniger, als Stille auszudrücken vermag. Die Basis eines harmonischen Lebens ist Stille. […] Die Essenz der Religion ist Verständnis. Und diese Religion können wir nicht leben, ohne Macht über unsere Worte zu haben, ohne die Macht der Stille zu realisieren. Es gibt so viele Gelegenheiten, bei denen wir bereuen, unsere Freunde verletzt zu haben, und die wir hätten vermeiden können, wenn wir unsere Sprache unter Kontrolle gehabt hätten. Schweigen ist das Schild der Unwissenden und der Schutz der Weisen. Denn die Unwissenden zeigen ihre Unwissenheit nicht, wenn sie schweigen, und die Weisen werfen keine Perlen vor die Säue, wenn sie den Wert der Stille kennen. Was gibt uns Macht über die Worte? Was erzeugt die Kraft, die durch Stille erlangt werden kann? Die Antwort ist: Es ist die Willenskraft, die uns Macht über unsere Worte verleiht; es ist Ruhe, die uns die Kraft der Stille verleiht. Ruhelosigkeit lässt uns zu viel reden. Je mehr Worte wir brauchen, um eine Idee auszudrücken, umso kraftloser wird sie. Wie schade, dass die Menschen so oft daran denken, ihr Geld zu sparen, und nie daran denken, Worte zu sparen. Das ist, als würde man Kieselsteine aufheben und die Perlen wegwerfen. Ein indischer Dichter sagt: „Perlenmuschel, was gibt dir deinen wertvollen Inhalt?“ - „Die Stille, meine Lippen waren jahrelang geschlossen.“ zunächst bedeutet Stille, mit sich selbst zu kämpfen, einen Impuls zu kontrollieren, aber dann wird genau das zu einer Macht. (S. 210 - 211)
Hazrat Inayat Khan (Heilung aus der Tiefe der Seele: Mystik und geistige Heilung)
Und an dem Tag, an dem die Seele sich selbst erkennt, beginnt ein neues Leben, eine Neugeburt. Solange die Seele sich nicht selbst erkannt hat, entwickelt sie sich nicht, sie wächst nicht. Deshalb beginnen die Menschen in dem Moment, in dem die Seele anfängt, sich selbst zu erkennen, wirklich in der Welt zu leben. Wir sollten aber begreifen, dass der Magnetismus einer selbstverwirklichten Seele größer ist als alle Magnetismen, die man sich jemals vorstellen könnte. Er ist Macht. Er ist Weisheit. Er ist Friede. Er ist Intelligenz. Er ist alles. Dieser Magnetismus heilt. Er heilt Körper und er heilt Herzen. Er erhebt jene, die in Schwierigkeiten, in Leid und Sorgen versunken sind. Er befreit andere aus ihrer Verwirrung, ihrer Dunkelheit. Durch diesen Magnetismus verbreiten die erleuchteten Seelen ihre Liebe und gewinnen dadurch alle Lebewesen. Diesen Magnetismus meinte Christus, als er zu den Fischern sagte: „Folgt mir, und ich werde euch zu Menschenfischern machen.“ Durch diesen Magnetismus kamen die Großen wie Buddha, Moses, Christus, Mohammed und gewannen die Gunst der Menschheit. Und die Menschheit hat das all die Jahrhunderte hindurch nicht vergessen. Es ist deren Magnetismus, der, auch nachdem sie die Erde verlassen hatten, Millionen und Abermillionen Menschen in einem Bund der Geschwisterlichkeit, Sympathie und Freundschaft zusammenhielt. Die immense Kraft, die der Seelenmagnetismus verleiht, beweist, dass er ein göttlicher Magnetismus ist. Er ist ein Beweis für etwas hinter der sichtbaren Welt. (S. 173)
Hazrat Inayat Khan (Heilung aus der Tiefe der Seele: Mystik und geistige Heilung)
Was auch immer die Form und die Bezeichnung einer Regierung sein mag, Monarchie, Republik oder Demokratie, zu allen Zeiten lauert eine Oligarchie hinter der Fassade; und die römische Geschichte, die republikanische wie die der Kaiserzeit, ist die Geschichte einer herrschenden Klasse. Den Feldherren, Diplomaten und Finanziers der Revolution begegnet man in der Republik des Augustus wieder als Werkzeugen und Hoheitsträgern der Macht - denselben Männern, nur in anderem Kleide. Sie bilden die Regierung des Neuen Staates.
Ronald Syme (The Roman Revolution)
Irgendetwas war falsch an dieser Vorstellung. So erregend sie war. Er machte daran herum, wie man mit der Zunge an den Zähnen herumtastet, wenn man glaubt, irgendwo könnte ein Loch sein.
Andreas Eschbach (Eine Billion Dollar)
Zu den glücklichsten Minuten, die ich kenne, gehört die Minute, [...] Menschen sind eine Anstrengung für mich, auch Männer. Was die Stimmung betrifft, so mache ich mir nichts draus, wie gesagt. Manchmal wird man weich, aber man fängt sich wieder. Ermüdungserscheinungen! Wie beim Stahl, Gefühle, so habe ich festgestellt, sind Ermüdungserscheinungen, nichts weiter, jedenfalls bei mir. Man macht schlapp! Dann hilft es auch nichts, Briefe zu schreiben, um nicht allein zu sein. Es ändert nichts; nachher hört man doch nur seine eignen Schritte in der leeren Wohnung.
Max Frisch (Homo Faber)
Zu den glücklichsten Minuten, die ich kenne, gehört die Minute, wenn ich eine Gesellschaft verlassen habe, wenn ich in meinem Wagen sitze, die Türe zuschlage und das Schlüsselchen stecke, Radio andrehe, meine Zigarette anzünde mit dem Glüher, dann schalte, Fuß auf Gas; Menschen sind eine Anstrengung für mich, auch Männer. Was die Stimmung betrifft, so mache ich mir nichts draus, wie gesagt. Manchmal wird man weich, aber man fängt sich wieder. Ermüdungserscheinungen! Wie beim Stahl, Gefühle, so habe ich festgestellt, sind Ermüdungserscheinungen, nichts weiter, jedenfalls bei mir. Man macht schlapp! Dann hilft es auch nichts, Briefe zu schreiben, um nicht allein zu sein. Es ändert nichts; nachher hört man doch nur seine eignen Schritte in der leeren Wohnung.
Max Frisch (Homo Faber)
Die Zeit macht etwas mit einem Menschen, weil ein Mensch keine Maschine ist, die man an- und ausschalten kann. Die Zeit, in der ein Mensch nicht weiß, wie sein Leben ein Leben werden kann, füllt so einen Untätigen vom Kopf bis zu den Zehen.
Jenny Erpenbeck (Gehen, ging, gegangen)
Einen größeren Betrug als all die Märchen um Liebe gibt es nicht. Liebe ist gefährlich. Liebe ist blind. Liebe ist unbesiegbar. Nur trifft sie leider häufig nicht die Richtigen, da Liebe unter Geschmacksverirrungen leidet und ein Handicap hat, wie man es heutzutage wohl höflich umschreibt. So sieht es aus. Die Tussi, die für euer Liebesglück zuständig ist, hat eine so verdammt miese Erfolgsquote, dass ihr von jedem anderen euer Geld zurückverlangen oder ihn verklagen würdet.
Nicole Gozdek (Murphy: Rache ist süß)
ärgerlich. Er war Reporter beim Gammelsberger Tagblatt und lebte von aufregenden Neuigkeiten. Harry saß jetzt auf dem Balkon seiner kleinen Wohnung und verdrückte eine große Portion Fleischsalat. Als er damit fertig war, schob er sich noch zwei Schokoriegel in den Mund, diesmal Nuss-Nugat. Heute Nachmittag musste er unbedingt einen Artikel bei der Zeitung abliefern und war wie immer ziemlich spät dran. Das machte Harry nervös. Er nahm einen dritten Nuss-Nugat-Riegel aus der Packung und klappte seinen Laptop auf. Es war Zeit für seinen Bericht über die Olchi-Familie. Er hatte in den letzten Wochen eine Menge von ihr gehört. Professor Brausewein, ein bekannter Gammelsberger Forscher und Erfinder, hatte sogar im Fernsehen über sie berichtet. Daraufhin war Harry sofort mit seinem Cabrio auf die Schmuddelfinger Müllkippe gedüst und hatte die Olchis besucht. Harry kaute seine Schokolade und dachte scharf nach. Als Erstes brauchte er eine gute Überschrift für seinen Bericht. Die Grünlinge von der Müllkippe, schrieb er. Aber das löschte er gleich wieder, denn es schien ihm nicht spannend genug. Die Monsterfamilie von Schmuddelfing, das war schon eine bessere Schlagzeile. Harry tippte weiter: Eine Großfamilie mit drei Kindern haust in einer Höhle auf der Müllkippe von Schmuddelfing. Sie nennen sich DIE OLCHIS und ihre grüne Haut fühlt sich an wie Tintenfisch. Unser Reporter Harry Hahn hat sie getroffen. Sind es Monster aus dem All? Kommen sie aus der Tiefe des Meeres? An so etwas könnte man durchaus denken.
Erhard Dietl (Die Olchis fliegen zum Mond)
Ich denke, das allerbeste, das man gegen Körperangst, Ekel oder Scham tun kann, ist, sich sehr genau mit sich auszukennen. Sich damit zu befassen, wie irrsinnig geistreich unser Körper gestaltet ist. Alles hat seinen Platz, seine Funktion, und eine gewisse Ästhetik kann man solchen Innereien auch nicht absprechen. Wissen ist in diesem Fall weniger Macht als vielmehr Abenteuer und Freundschaft mit sich selbst.
Luisa Stömer & Eva Wünsch
Es geht nicht darum, dass eine Person aus einer Minderheit es schafft, und dann ist alles erreicht. Es geht darum, dass wir die gleichen Träume haben können, sie laut aussprechen können, ohne dass jemand lacht. Lacht, weil er oder sie weiß, dass das ein Traum ist, den man nicht haben kann. Wie bereit wäre diese Gesellschaft für eine Schwarze im Vorstand eines DAX-Konzerns? Für eine Schwarze Kanzlerin? Wir reden oft über gläserne Decken für Frauen. Was ist mit Schwarzen Mädchen? Mit deutsch-türkischen Jungen? Was ist mit uns? Ich habe es lange Zeit nicht einmal gewagt, bestimmte Dinge zu träumen, weil sie mir vermessen vorkamen. Beim Träumen geht es gerade nicht darum, dass etwas realistisch ist. Es geht darum zu träumen, was man sich für sich, für die Welt, für das Umfeld, für die Familie vorstellt. Und wer sich schon im Träumen begrenzen muss, der ist nicht frei oder gleichgestellt.
Aminata Touré (Wir können mehr sein: Die Macht der Vielfalt)
Sei mir nicht böse, wenn ich nicht glaube, dass sich Vernunft und Macht jemals heiraten werden. Es handelt sich leider um eine Antinomie. Ich bin der Überzeugung, dass es für die Menschheit, so wie sie ist, nur zwei Möglichkeiten gibt. Entweder ist man mit seinem Los unzufrieden, und dann schlägt man einander tot. um die Lage zu verbessern. oder man ist, und das ist eine rein theoretische Situation, im Gegenteil mit sich und der Welt einverstanden, dann bringt man sich aus Langeweile um. Der Effekt ist derselbe. Was nützt das göttliche System, solange der Mensch ein Schwein ist?
Erich Kästner (Fabian: Die Geschichte eines Moralisten)
«Die Massen tragen euch, stumm und ergeben, so wie sie in anderen Ländern andere tragen, aber es schwingt nicht mehr mit in ihrer Tiefe. Die Massen sind wieder stumm und taub geworden, das große, schweigende X der Geschichte, gleichgültig wie das Meer, das die Schiffe trägt. Jeder flüchtige Glanz kann sich in seiner Oberfläche spiegeln, aber unten ist Schweigen und Finsternis. Vor langer Zeit haben wir es einmal bis hinunter aufgewühlt, aber das ist vorbei. Mit anderen Worten» — er machte eine kleine Pause und setzte seinen Zwicker wieder auf—, damals haben wir Geschichte gemacht, heute macht ihr Politik. Das ist der ganze Unterschied.» [...] «Ein Mathematiker hat einmal gesagt, die Algebra sei die Wissenschaft der faulen Leute — man rechnet das X nicht aus, sondern operiert damit, als ob man es kennen würde. Das X in unserem Falle sind die anonymen Massen, das Volk. Politik treiben heißt, mit diesem X zu operieren, ohne sich um seine Beschaffenheit zu kümmern. Geschichte machen heißt, zu erkennen, wofür es in der Gleichung steht.»
Arthur Koestler (Darkness at Noon)
Du sollst dir kein Bildnis machen. Es ist bemerkenswert, dass wir gerade von dem Menschen, den wir lieben, am mindesten aussagen können, wie er sei. Wir lieben ihn einfach. Eben darin besteht ja die Liebe, das Wunderbare an der Liebe, dass sie uns in der Schwebe des Lebendigen hält, in der Bereitschaft, einem Menschen zu folgen in allen seinen möglichen Entfaltungen. Wir wissen, dass jeder Mensch, wenn man ihn liebt, sich wie verwandelt fühlt, wie entfaltet, und dass auch dem Liebenden sich alles entfaltet, das Nächste, das lange Bekannte. Vieles sieht er wie zum ersten Male. Die Liebe befreit es aus jeglichem Bildnis. Das ist das Erregende, das Abenteuerliche, das eigentlich Spannende, dass wir mit den Menschen, die wir lieben, nicht fertig werden: weil wir sie lieben; solang wir sie lieben. Man höre bloß die Dichter, wenn sie lieben; sie tappen nach Vergleichen, als wären sie betrunken, sie greifen nach allen Dingen im All, nach Blumen und Tieren, nach Wolken, nach Sternen und Meeren. Warum? So wie das All, wie Gottes unerschöpfliche Geräumigkeit, schrankenlos, alles Mögliche voll, aller Geheimnisse voll, unfaßbar ist der Mensch, den man liebt - Nur die Liebe erträgt ihn so. Warum reisen wir? Auch dies, damit wir Menschen begegnen, die nicht meinen, dass sie und kennen ein für allemal; damit wir noch einmal erfahren, was uns in diesem Leben möglich sei - es ist ohnehin schon wenig genug. Unsere Meinung, dass wir das andere kennen, ist das Ende der Liebe, jedesmal, aber Ursache und Wirkung liegen vielleicht anders, als wir anzunehmen versucht sind - nicht weil wir das andere kennen, geht unsere Liebe zu Ende, sondern umgekehrt: weil unsere Liebe zu Ende geht, weil ihre Kraft sich erschöpft hat, darum ist der Mensch, fertig für uns. Er muss es sein. Wir können nicht mehr! Wir künden ihm die Bereitschaft auf weitere Verwandlungen einzugehen. Wir verweigern ihm den Anspruch alles Lebendigen, das unfassbar bleibt, und zugleich sind wir verwundert und enttäuscht, dass unser Verhältnis nicht mehr lebendig sei. „Du bist nicht“, sagt der Enttäuschte oder die Enttäuschte: „wofür ich dich gehalten haben.“ Und wofür hat man sich denn gehalten? Für ein Geheimnis, das der Mensch ja immerhin ist, ein erregendes Rätsel, das auszuhalten wir müde geworden sind. Man macht sich ein Bildnis. Das ist das Lieblose, der Verrat. (…) Man wird das Gegenteil, aber man wird es durch den anderen. (…) In gewissen Grad sind wir wirklich das Wesen, das die andern in uns hineinsehen, Freunde wie Feinde. Und umgekehrt! auch wir sind die Verfasser der anderen; (…) Wir halten uns für den Spiegel und ahnen nur selten, wie sehr der andere seinerseits eben der Spiegel unseres erstarrten Menschenbildes ist, unser Erzeugnis, unser Opfer -.“ -Tagebücher von 1946-1949
Max Frisch
Vorteil eines Abseits von seiner Zeit. – Abseits gestellt gegen die beiden Bewegungen, die individualistische und die kollektivistische Moral – denn auch die erste kennt die Rangordnung nicht und will dem einen die gleiche Freiheit geben wie allen. Meine Gedanken drehen sich nicht um den Grad von Freiheit, der dem einen oder dem anderen oder allen zu gönnen ist, sondern um den Grad von Macht, den einer oder der andere über andere oder alle üben soll, resp. inwiefern eine Opferung von Freiheit, eine Versklavung selbst, zur Hervorbringung eines höheren Typus die Basis gibt. In gröbster Form gedacht: wie könnte man die Entwicklung der Menschheit opfern, um einer höheren Art, als der Mensch ist, zum Dasein zu helfen?
Friedrich Nietzsche
»Ich glaub, das wär nix für mich.« »Was, Frankie?« »Na, so 'n Lebenssinn. Erst mal muss man ihn finden. Und dann muss man drauf aufpassen, damit man ihn nicht verliert. Und hat man ihn verloren, so wie du jetzt, dann denkt man die ganze Zeit darüber nach, wo er hin is'. So ein Lebenssinn macht nur Ärger. Meine Meinung. Und am Ende hat man kaum noch Zeit für andere Sachen.«
Jochen Gutsch, Maxim Leo
Die positive Seite des modernen Heidentums hat man dort, wo es einen Realismus gibt, der Überwindung des Romantizismus bedeutet; dort, wo sich in den neuen Generationen eine nicht theoretische, sondern praktisch erlebte Liquidation der verschiedenen Schreckbilder des Denkens, des Fühlens, der Kunst und der Moral vollzogen hat; dort, wo etwas Ursprüngliches und Barbarisches ersteht, aber gepaart mit den vereinfachten, klaren und beherrschten Formen einer äußersten Modernität; dort, wo tatsächlich eine neue Sachlichkeit, ein neuer Ernst eingetreten ist, eine neue Absonderung, die gleichwohl die Möglichkeit eines Zusammengehens in der Tat und für die Tat nicht ausschließt; dort, wo die Objekte wieder mehr interessieren als die Menschen, und die Werke mehr als die privaten Persönlichkeiten und die „Tragödien“ ihrer Autoren - seien diese nur Individuen, Rassen oder Kollektivitäten; dort, wo sich der Drang geltend macht, herauszugehen aus seiner „Seele“ in die weite, in ihrem Ewigkeitscharakter und ihrer Gleichgültigkeit gegenüber dem Menschlichen wiederhergestellte Welt: aber nicht wie in einer Flucht, sondern wie in einer Rückkehr zur Normalität, zur Natürlichkeit, zur Zentralität. Das alles kann Prinzipien für eine für eine vorläufige Katharsis enthalten. Die Bemühung muß dahin wirken, dass der Weg solcher „Überwindungen“ nicht - wie es meistens der Fall ist - in die Ebene der Materie und des bloßen „Lebens“ einmündet - des bloßen Diesseits -, um dort mit der niederträchtigsten Verelendung der menschlichen Möglichkeiten zu enden. Nötig wäre somit, daß es den Themen eines neuen Realismus, eines neuen nordisch-heidnischen Klassizismus, einer neuen Freiheit im Wesentlichen, im Antisentimentalen, im „Dorischen“ und im Objektiven - die hier und dort in verschiedenen Strömungen der jüngsten Generation, nicht selten von den männlichen Themen eines neuen Nietzschetums begleitet, sich zeigen -, dass es diesen Themen gelänge, sich zu verwandeln, auf eine wahre ebene der Geistigkeit zu gelangen (folglich Wege zu finden, die zu etwas führen, das sowohl jenseits der Materie als auch des „Geistes“, wie ihn die moderne Kultur begriffen hat, steht) und - durch vorauseilende Eliten - ins Außermenschliche zu münden, durch einen Stil der klaren Schau, der Herrschaft und der überindividuellen Vollendung. Wenn man auf dieser Grundlage eine Ethik, die wir auch nordisch-heidnisch nennen können, unsere noch gesunden Rassen reinigt und integral mit einem neuen Lebensstil durchdringt, wird der Boden bereitet sein für das Verständnis und die stufenweise Verwirklichung dessen, was noch höher steht und von dem wir gesprochen haben, damit man erkenne, daß nicht davor und dahinter die Leere ist, sondern daß die Leere nur jetzt ist.
Julius Evola (Heidnischer Imperialismus)
Der selbstgefällige Eindruck, den die Bundesrepublik von sich machte, als sie in den sechziger Jahren stolz von einem «Eingliederungswunder!» sprach, ist durch die Forschung der letzten Jahre korrigiert worden. Viele Deutschen verhielten sich ihren geflohenen Landsleuten gegenüber nicht weniger hartherzig als gegenüber den ausländischen DPs (Displaced Persons). Daraus könnte man den womöglich tröstlichen Schluss ziehen, ihr Egoismus sei zumindest nicht rassistisch motiviert gewesen. Doch die Vertriebenen wurden gern und häufig als «Zigeunerpack» beschimpft, mochten sie noch so blond und blauäugig sein. [...] Die Zuzügler, wie sie damals von der Verwaltung genannt wurden, trafen auf eine Mauer von Ablehnung. [...] Die Einheimischen, ob in Bayern oder Schleswig-Holstein, wehrten sich teilweise so vehement gegen die Einquartierungen, dass die Vertriebenen nur unter dem Schutz von Maschinengewehren in ihre zugewiesenen Behausungen geleitet werden konnten. Gegen deren Not wappneten sich die Bauern mit einer Sturheit, die die ihrer Ochsen weit übertraf. Der Schriftsteller Walter Kolbenhoff berichtete 1946 aus einem oberbayrischen Dorf: «Diese Bauern haben nie in Luftschutzkellern gesessen, als die Bomben hagelten und das Leben der Angehörigen erlosch. Sie sind nie frierend und hungernd über fremde Landstraßen gezogen. Sie haben, als die anderen jeden Tag, den ihnen das Leben erneut schenkte, wie eine Gabe begrüßten, auf ihren Höfen gesessen und Geld verdient. Aber dieses Schicksal hat sie nicht demütig gemacht. Es ist, als wäre alles nicht gewesen und als ginge alles sie nichts an.» [...] Besonders unwürdige Szenen spielten sich ab, wenn die Bauern selbst bestimmen konnten, wen aus der ankommenden Flüchtlingsgruppe sie aufzunehmen bereit waren. Es ging zu wie auf dem Sklavenmarkt. Man wählte unter den Männern die Kräftigsten, unter den Frauen die Schönsten und stieß die Schwachen unter höhnischen Bemerkungen weg. Manche Bauern sahen in den Vertriebenen einen ihnen rechtmäßig zustehenden Ersatz für die Zwangsarbeiter und reagierten wütend auf das Ansinnen, den «Polacken» künftig angemessenen Lohn zahlen zu sollen.
Harald Jähner (Aftermath: Life in the Fallout of the Third Reich, 1945–1955)
Das ominöse Wort der Stunde war damals 'Fremdenfeindlichkeit'. Keine schlechte Erfindung für die deutsche Dominanzkultur, denn es machte alle Diskriminierten, Angegriffenen und Ermordeten gleichermaßen zu Fremden und wies den Angreifer*innen und Stammtischen implizit die Definitionsmacht darüber zu, wer sich hier gegen wen wandte: Die Einheimischen gegen die Fremden, was sich damals besonders gegen türkeistämmige, vietnamesische und Schwarze Deutsche richtete. Diese Entwicklung gipfelte in der Veränderung des Grundgesetztes am 26. Mai 1993, als er Bundestag das uneingeschränkte Recht auf Asyl abschaffte. Man begründete diese Entscheidung damals mit, halten Sie sich an Ihrem zinsfreien Sparbuch fest: der zunehmenden Fremdenfeindlichkeit. Keine Pointe! Die damalige Begründung ist so logisch, als schaffte man das Verfallsdatum von Milch ab, damit die Milch nicht mehr so schnell schlecht wird.
Max Czollek (Gegenwartsbewältigung)
Wir leben im Zeitalter des organisierten Diebstahls; eines so raffinierten Diebstahls, dass der Geschädigte kaum merkt, wie er bestohlen wird, und der Dieb seine Finger gar nicht zu beschmutzen braucht, um fremdes Gut an sich zu bringen. Der Vorgang, der das Eigentum vogelfrei macht, erscheint dem einfältigen Auge als eine elementare, dem menschlichen Einfluss entrückte Schicksalsprüfung, die man gottergeben hinzunehmen hat. Nur wenige ahnen, dass das vermeintliche Naturereignis in Wirklichkeit nichts anderes ist als ein roher Willkürakt der Menschen, den man frevelhaft nennen müsste, wenn hier nicht Christi Wort gälte: "Herr, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun." Sie wissen es wirklich nicht, weil sie nicht wissen, was Geld ist. Es klingt wie eine Profanierung, aber es ist so. Die Unkenntnis vom Gelde wird hier tatsächlich zur epidemischen Unmoral.
Argentarius (Vom Gelde)
Wieso macht man das eigentlich?“, fragte ich. „Wieso fühlt man sich nach einem Tod so oft schuldig, selbst wenn man weiß, dass es falsch ist?“ Er schien mit den Gedanken weit weg. Und für einen Moment wirkte er wie der älteste Mensch der Welt. „Wir suchen unsere Fehler und unsere Schuld, weil es leichter ist, als zu trauern ... Es lenkt uns davon ab.
Benedict Wells (Hard Land)
Ich wusste, wie verletzlich ich mich gerade machte, aber ich hatte keine Angst mehr davor. Man würde sowieso irgendwann verletzt, ich wollte wenigstens selbst entscheiden, wofür ich es riskierte.
Merit Niemeitz (No Longer Yours (Mulberry Mansion, #1))
Wie ich mir schon hatte vorstellen können, machte sie im hautengen, ärmellosen Neoprenanzug eine Top-Figur. Auch wenn ich sie bereits im Bikini gesehen – also richtig angestarrt – hatte, war es beim Surfunterricht wieder etwas vollkommen anderes, da ich nun näher an sie herantreten musste. Natürlich nur, um ihre Beine richtig zu positionieren oder ihre Haltung auszubessern, während ich beim Trockentraining am Strand erklärte: »Du musst in der Mitte immer fest bleiben, sonst hast du auf der Welle keine Chance. Körperspannung ist das A und O beim Surfen. Und natürlich Talent«, witzelte ich großspurig und Sarah verdrehte ihre hübschen, grünen Augen. »Klar, du hast aber auch überall Talente, stimmt‘s?« »Stimmt genau!« »Kann man Selbstbewusstsein eigentlich irgendwo in einer Dose kaufen? Du scheinst das ja zu löffeln wie andere Nutella«, gab sie schlagfertig zurück. Unbekümmert zuckte ich mit den Schultern. »Klar, haben sie jetzt drüben bei Wal-Mart. Aber nur für Kunden über 1,60. Tut mir leid, knapp verpasst.«
Martina Riemer (Road to Hallelujah (Herzenswege #1))
Schon als Kind war er von recht massiver Körperlichkeit gewesen, in die er sich zurückzuziehen pflegte wie in einen Bunker, da war nichts zu bewegen und nichts zu erschüttern, und aus seinen Kinderaugen sprach Ablehnung. Seine Schulkameraden fürchteten ihn, weil er sofort zuschlug, er ließ sich nicht auf Diskussionen ein, sondern pflanzte dem Kontrahenten ohne Vorwarnung die Faust gezielt auf die Nase. Nur vor den hübschen Mädchen, vor denen fürchtete er sich. Er wusste von Kindesbeinen an, dass sie sich Zutritt verschaffen konnten in sein Innerstes, in das Herz aller Dinge, einfach so, ohne jede Anstrengung, und dass sie dort schlimme Dinge taten, ohne Gewissen und ohne Mitleid. Sie quälten und verletzten und töteten, mit einem Blick, und er begriff nicht, wie sie das machten. Er dachte an Zauberei. Er sah auch, dass sie über manche Jungs diese Macht nicht hatten, und denen unterwarfen sie sich, denen rannten sie nach, von denen ließen sie sich benutzen. Er sah das und begriff auch das nicht. Es hat etwas mit Liebe zu tun, dachte er. Wer sie liebt, den verletzen und demütigen sie. Wer sie verachtet, von dem lassen sie sich benutzen als Klopapier. Wer sie liebt, ernsthaft liebt, dem verweigern sie sich. Wer sie verachtet, bekommt eine ganze Sammlung von ihnen. Du liebst eine Frau? Liebst sie wirklich? Damit lädst du sie ein, dir das Herz zu brechen. Und sie wird der Einladung folgen. Die Versuchung ist einfach zu groß. Er liebt mich, er ist schwach, denkt sie voller Verachtung. Sowas muss man zertreten. Wonach du dich am meisten sehnst, das bekommst du nicht. Was du verachtest, wirft sich dir zu Füßen. Er sah das, und verstand es nicht.
Peter von Mundenheim (Das Leben in unserem Tal)
Ich fragte nicht weiter. Die Menschen reagieren empfindlich, wenn man ihren Glauben mit der Ökonomie verknüpft. Es gibt aber nichts, was die Welt bewegt, als allein das Gold. Selbst die Liebe entzündet sich am Gold. Und der Glaube erst recht. Ihr senkt die Knie vor eurer Göttin, wenn sie vors Portal tritt, juwelenüberrieselt der reine Leib. Würdet ihr sie auch lieben, wenn sie im Keller die Asche versorgte, Krätzeflecken auf der Haut? Nur eine Macht habe ich gefunden in der Welt, die kümmert sich nicht ums Gold: die Geilheit. Aber die ist schnell verraucht, und ohne Folgen. Vornehme Frauen habe ich gesehen, die Spreize machend unter einem Stallknecht, der stank nach Mist. Ergraute Männer habe ich gesehen, schwer von Würde, die rannten eine Hure zu ficken, die die ganze Stadt schon hatte. Ich sprach davon zu meinem alten Lehrer, und er sah mich an und sagte: Man soll nicht davon reden. Ich war schon ein junger Mann damals, war auf Reisen gewesen, und mein alter Lehrer erhielt sein Gnadenbrot auf meines Vaters Gut, wie es den Pferden und den Sklaven zusteht. Ich war enttäuscht über seine Antwort und verachtete ihn. Heute weiß ich, dass ich ein Kind war und dumm und hochfahrend. Er hatte recht. In seinen Worten lag die einzige Weisheit, zu der einer kommen kann. Man soll nicht darüber reden.
Peter von Mundenheim (An der Mauer)