“
Nach Hause zu kommen. Und nun ist da nur diese Dunkelheit und Leere. Ich hätte es wissen müssen, dass man niemals zurückkehren kann. Ich bin nicht mehr, der ich war, darum ist nichts mehr, wie es war. Jetzt weiß ich es.
”
”
Michael Ende (Der Spiegel Im Spiegel Ein Labyrinth)
“
Ich will zu der Luft werden, die Nicholas einatmet, zu seinem Blut, zu seinem Herzschlag, zu allem, ohne das er nicht mehr leben kann.
”
”
Andreas Steinhöfel (Die Mitte der Welt)
“
Aber heute weiß ich nicht mehr, was ich eigentlich will und wünsche. Früher war alles einfach, so einfach wie die Buchstaben in einem Lesebuch. Jetzt ist nichts mehr einfach, nicht einmal mehr die Buchstaben. Alles hat viele Bedeutungen und Gesichter bekommen. Ich weiß nicht, was aus mir werden soll, ich kann jetzt nicht an solche Sachen denken.
”
”
Hermann Hesse (Narcissus and Goldmund)
“
Wenn du mich einmal nicht mehr magst, Und geht mein Herz in Scherben -
Daß du nicht fragst, noch um mich klagst! Ich kann so leise sterben.
”
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Mascha Kaléko (In meinen Träumen läutet es Sturm)
“
Ich weiß nicht, wo ich die Überzeugung herhole, aber ich habe sie, und sie ist sehr groß: Ich weiß, dass dort mein Mann steht. Mehr kann ich mir noch nicht darunter vorstellen. (Seite 13)
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Connie Palmen (I.M.: Ischa Meijer. In Margine. In Memoriam)
“
Ich dachte daran, dass es jetzt nicht mehr lange dauern würde, bis ich Tschick in seinem Heim besuchen konnte, und ich dachte an Isas Brief. Auch an Horst Fricke und sein Carpe diem musste ich denken. Ich dachte an das Gewitter über dem Weizenfeld, an Pflegeschwester Hanna und den Geruch von grauem Linoleum. Ich dachte, dass ich das alles ohne Tschick nie erlebt hätte in diesem Sommer und dass es ein toller Sommer gewesen war, der beste Sommer von allen, und an all das dachte ich, während wir da die Luft anhielten und durch das silberne Schillern und die Blasen hindurch nach oben guckten, wo sich zwei Uniformen ratlos über die Wasseroberfläche beugten und in einer stummen, fernen Sprache miteinander redeten, in einer anderen Welt - und ich freute mich wahnsinnig. Weil, man kann zwar nicht ewig Luft anhalten. Aber doch ziemlich lange.
”
”
Wolfgang Herrndorf (Tschick)
“
Wichtig war nur, dass ich nicht mehr stillstand, dass ich mich den Dingen wieder stellte, egal was aus mir werden würde. Dennn alles andere wäre falsch, denke ich, unecht, irgendwie so, wie wenn man verrauchte Luft einatmet. Man kann damit leben, aber es ist nicht das Wahre, man atmet nicht so tief ein, wie man könnte.
”
”
Benedict Wells (Spinner)
“
Alles Mögliche kann einem im Leben passieren, und vor allem nichts. Manchmal kommt es mir seltsam vor, dass ich jemals versucht habe, glücklich zu werden. Der Mensch hat eine Vorliebe für Tragik, eine Voreinstellung, die sich im Laufe der Evolution bewährt hat. Man scheut das Risiko stärker, als man das Glück sucht, denn Verluste tun mehr weh, als Gewinne Freude bereiten. Mit jedem Jahr, das verstreicht, wird die Lage aussichtsloser, und am Ende kann man gar nicht fassen, dass DAS alles gewesen sein soll.
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Heinz Strunk (Die Zunge Europas)
“
Ich würde meinem Freund so gerne ein wenig beim Leben zusehen, aber ich bin immer so nah bei ihm, dass ich ihn gar nicht mehr sehen kann.
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”
Sarah Kuttner (Wachstumsschmerz)
“
Du hast recht, wir werden es nicht schaffen. Es ist besser, du verschwindest. Aber lass mich noch zwei Sachen sagen, bevor ich dir alles Gute wünsche: Erstens, das mit den Intellektuellen. Es ist leicht, sich über sie lustig zu machen. Ja, sehr leicht. Häufig sind sie nicht besonders muskulös, und sie prügeln sich auch nicht gern. Das Stampfen von Stiefeln, Medaillen, große Limousinen kann sie nicht groß bewegen, es ist also nicht sehr schwer. Es genügt, ihnen ihr Buch zu entreißen, ihre Gitarre, ihren Stift oder ihren Fotoapparat, und schon sind sie zu nichts mehr zu gebrauchen, diese unbeholfenen Tolpatsche. Übrigens, das ist das erste, was die meisten Diktatoren machen: Brillen kaputttreten, Bücher verbrennen oder Konzerte verbieten, das kostet sie nicht viel und kann ihnen in der Folge viele Unannehmlichkeiten ersparen. Aber du siehst, wenn intellektuell sein heißt, sich zu bilden, neugierig zu sein und aufmerksam, zu bewundern, erschüttert zu sein, verstehen zu wollen, wie alles zusammenhängt, damit man etwas weniger dumm ins Bett geht als am Abend zuvor, dann fordere ich dies für mich ein: Nicht nur bin ich dann eine Intellektuelle, ich bin auch noch stolz darauf. Sehr stolz sogar.
”
”
Anna Gavalda (Hunting and Gathering)
“
Ich bin nicht mehr so jung, wie ich mal war, aber eins kann ich Ihnen verraten: Man sagt nie Nein, wenn sich die Gelegenheit bietet, zu pissen, zu essen oder sich für 'ne halbe Stunde aufs Ohr zu legen.
”
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Neil Gaiman (American Gods)
“
„Wir haben von allem zu wenig […] und ihr habt von allem zu viel – auch von der Freiheit. Ich sehe, der Mensch verdient die Freiheit nicht. Er weiß nicht, wo er Halt machen muß, er hat kein Maß und keinen Instinkt mehr. Er will mehr und mehr und kann gar nichts damit anfangen. Er langweilt sich, er freut sich nicht mehr, er wird krank, weil er nicht weiß, warum er nicht glücklich ist mit all dem, was er hat..[…]
”
”
Angelika Schrobsdorff (Die Reise Nach Sofia)
“
Ich bin sehr müde. Einen zusammenhängenden Schlaf habe ich seit Wochen nicht gehabt. Unglaubhaft, aber ich könnt jetzt einschlafen. Kann ja nichts mehr verschieben, auch den Schlaf nicht. Ungut, übermüdet in den Tod zu gehen.
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”
Christa Wolf (Kassandra)
“
Es ist hell. Es ist Nacht. Es braucht nicht viel. Ich brauche nichts mehr. Die Dinge quellen aus der Tonne, obszön sieht das aus, all die unnützen Sachen, Gier im Kleinen, so fängt das Elend an, mehr zu wollen, als man brauchen kann.
”
”
Sibylle Berg (Ende gut)
“
Denk ich an Deutschland in der Nacht,
Dann bin ich um den Schlaf gebracht,
Ich kann nicht mehr die Augen schließen,
Und meine heißen Tränen fließen.
Die Jahre kommen und vergehn!
Seit ich die Mutter nicht gesehn,
Zwölf Jahre sind schon hingegangen;
Es wächst mein Sehnen und Verlangen.
Mein Sehnen und Verlangen wächst.
Die alte Frau hat mich behext,
Ich denke immer an die alte,
Die alte Frau, die Gott erhalte!
Die alte Frau hat mich so lieb,
Und in den Briefen, die sie schrieb,
Seh ich, wie ihre Hand gezittert,
Wie tief das Mutterherz erschüttert.
Die Mutter liegt mir stets im Sinn.
Zwölf lange Jahre flossen hin,
Zwölf lange Jahre sind verflossen,
Seit ich sie nicht ans Herz geschlossen.
Deutschland hat ewigen Bestand,
Es ist ein kerngesundes Land,
Mit seinen Eichen, seinen Linden,
Werd' ich es immer wiederfinden.
Nach Deutschland lechzt ich nicht so sehr,
Wenn nicht die Mutter dorten wär;
Das Vaterland wird nie verderben,
Jedoch die alte Frau kann sterben.
Seit ich das Land verlassen hab,
So viele sanken dort ins Grab,
Die ich geliebt -- wenn ich sie zähle,
So will verbluten meine Seele.
Und zählen muß ich -- Mit der Zahl
Schwillt immer höher meine Qual;
Mir ist, als wälzten sich die Leichen,
Auf meine Brust -- Gottlob! Sie weichen!
Gottlob! Durch meine Fenster bricht
Französisch heitres Tageslicht;
Es kommt mein Weib, schön wie der Morgen
Und lächelt fort die deutschen Sorgen.
”
”
Heinrich Heine
“
Seele im Raum
Hier bin ich, hier bin ich, Entrungene,
taumelnd.
Wag ichs denn? Werf ich mich?
Fähige waren schon viel
dort, wo ich drängte. Nun wo
auch noch die Mindesten restlos Macht vollziehn,
schweigend vor Meisterschaft —:
Wag ichs denn ? Werf ich mich?
Zwar ich ertrug, vom befangenen Körper aus,
Nächte; ja, ich befreundete
ihn, den irdenen, mit der Unendlichkeit;
schluchzend
überfloß, das ich hob,
sein schmuckloses Herz.
Aber nun, wem zeig ichs,
daß ich die Seele bin? Wen
wunderts?
Plötzlich soll ich die Ewige sein,
nicht mehr am Gegensatz haftend, nicht mehr
Trösterin; fühlend mit nichts als
Himmeln.
Kaum noch geheim;
denn unter den offenen
allen Geheimnissen eines,
ein ängstliches.
O wie durchgehn sich die großen Umarmungen. Welche
wird mich umfangen, welche mich weiter
geben, mich, linkisch
Umarmende?
Oder vergaß ich und kanns?
Vergaß den erschöpflichen Aufruhr
jener Schwerliebenden? Staun',
stürze aufwärts und kanns?
”
”
Rainer Maria Rilke (Fünfzig Gedichte)
“
Aber ich kann nicht. Ich bin kein Feigling mehr. Ich habe es satt, auf Pause gestellt zu sein, vergraben und versteckt, vor Angst erstarrt im wahrsten Sinne des Wortes. Ich will mir keine Wiesen vorstellen, ich will durch sie hindurch laufen
”
”
Jandy Nelson (I'll Give You the Sun)
“
Es ist seltsam, aber ich sehne mich umso mehr nach dem Leben, je mehr ich davon getrennt bin. Es ist seltsam, meinen Sie nicht auch, dass Verzweiflung in Lebensdurst umschlagen kann und dass man selbst in diesen düsteren Zeiten das Glück in den kleinen Dingen finden kann.
”
”
Kate Morton (The Secret Keeper)
“
Bis Anfang dreißig ist es einfach, normal zu sein. Alle Probleme kann man unter postadoleszente Überspanntheiten verbuchen und sich bei jeder Krise damit beruhigen, dass irgendwann alles anders sein wird. Besser. Dann kommt das Alter, in dem einem jugendliche Verzweiflung nicht mehr steht. Wer unter dreißig ist und viel trinkt, ist ein Partytyp, jenseits der dreißig ist man Alkoholiker; aus sympathisch verplant wird schnell verlebt. Jenseits der dreißig entscheidet sich, ob der Mensch, der man geworden ist, für die restlichen fünfzig Jahre taugt.
”
”
Kristof Magnusson (Das war ich nicht)
“
Am Anfang hätte ich noch reden können, kurz vor dem Anfang hätte ich etwas sagen können, so ist es ja meistens, man kann am besten reden, bevor etwas anfängt, aber wenn es schon losgegangen ist, sitzt man bereits drin in diesem Zug nach irgendwo, in einem Boot, das treibt, in einem Bob, der talwärts fährt, die Geschwindigkeit spielt keine Rolle, man sitzt drin, und wenn man in der Bewegung redet, sind es bestenfalls Kommentare, man ist ja nicht mehr im Draußen, denn man hat bereits 'Ja' gesagt, man ist teilhaftig, und alles ist ein bisschen weniger geworden.
”
”
Arezu Weitholz (Wenn die Nacht am stillsten ist)
“
Ich bin also bei denen, die beschlossen haben, nichts mehr zu wissen, die unterwegs dieses komplizierte Ding, das man Wirklichkeit nennen mag, fallengelassen und sich in eine Welt zurückgezogen haben, in die man ihnen nur mit Mühe folgen kann, von der aus sie aber dennoch rufen, weil niemand gern allein ist und weil die Prüfung einer übergroßen Einsamkeit ihnen, wie sie glaubten, keine andere Wahl gelassen hatte als aufzugeben. All diese Ausdrücke die man verwendet: die Arme sinken lassen, die Augen verschließen, den Rücken kehren. Ich halte die Augen offen - wie lange noch?
”
”
Cécile Wajsbrot (Die Köpfe der Hydra)
“
»Ich kann, ich kann nicht anders. Ich liebe Sie, liebes Fräulein von Bernburg! Ich liebe Sie, so, so sehr wie meine Mutter – ja und noch viel, viel mehr! Wenn ich Ihre Hände sehe, zieht es mich hin, sie zu fühlen. Ihre Stimme, wenn Sie rufen, packt mich, reißt mich – ich kann nichts dafür, ich liebe, liebe Sie!«
”
”
Christa Winsloe (The Child Manuela)
“
Wichtig war nur, dass ich nicht mehr stillstand, dass ich mich den Dingen wieder stellte, egal was aus mir werden würde. Denn alles andere wäre falsch, denke ich, unecht, irgendwie so, wie wenn man verrauchte Luft einatmet. Man kann damit leben, aber es ist nicht das Wahre, man atmet nicht so tief ein, wie man könnte.
”
”
Benedict Wells (Spinner)
“
Ein Junge und ein Mädchen liegen auf dem Boden, vor sich die Dachschräge. Sie konzentriert sich auf den Jungen, der aus dieser Entfernung so aussieht, als wäre er in ihrem Alter. Und selbst aus dieser Entfernung kann sie erkennen, dass das Buch, aus dem er ihr vorliest, "Das Buch der Begebenheiten" ist.
Der Junge schläft ein, und das Mädchen legt den Kopf auf seine Brust. Brod will mehr hören - sie will schreien: LIES MIR WEITER VOR! ICH MUSS ES WISSEN! -, aber sie können sie von dort, wo sie ist, nicht hören, und von dort, wo sie ist, kann sie die Seite nicht umblättern. Die Seite - Brods papierdünne Zukunft - ist, von dort, wo Brod ist, unendlich schwer.
”
”
Jonathan Safran Foer (Everything is Illuminated)
“
Reden wir über Schmerz. Schmerz ist eine Form von Energie. Er kann erzeugt werden wie Elektrizität. Er kann fließen wie Strom. Er kann gleichmäßig sein oder pulsierend. Er kann stark und überwältigend sein, oder schwach und störend. Schmerz kann einen Mann zum Reden bringen. Was viele Menschen nicht wissen - Schmerz kann einen Mann zum Nachdenken bringen. Er kann einen Menschen nach seinem Abbild formen. Er kann ihn zu dem machen, was er selbst ist. Ich kenne den Schmerz. Ich habe ihn verstanden. Er hat mich Dinge gelehrt. Zum Beispiel, dass die Menschen ihn fürchten. Zugleich können sie viel mehr Schmerzen ertragen, als sie glauben. Wenn ich dir beispielsweise sage, dass ich dir eine Nadel in den Arm ramme, wirst du Angst bekommen. Wenn ich es tatsächlich tue, wird der Schmerz unerträglich sein. Aber wenn ich es wieder tue, und wieder und wieder, jede Stunde, ein ganzes Jahr lang, wirst du dich daran gewöhnen. Es wird dir niemals gefallen, doch du fürchtest dich auch nicht mehr davor. Genau darum geht es.
”
”
Cody McFadyen (The Face of Death (Smoky Barrett, #2))
“
Ich gehe rüber zur Tauentzienstraße, ein Pappschild unter dem Arm, das ich am Europacenter anschlage wie einst Luther seine Thesen in Wittenberg. Dort stehe ich, und kann nicht anders. Ein paar Leute bleiben stehen und sehen sich an, was das auf dem Pappschild steht. "Das Romanische Café" steht da, "ist die Stätte der höchsten intellektuellen Verfeinerung und der tiefsten sozialen Ignoranz; die Stätte anekdotische Selbstbefriedigung, wo Aphorismen aufeinander Jagd machen, kopulieren und kleine Witze in die Welt setzen. Das Romanische Café ist die Stätte, wo jedes normale Wort in den Verdacht gerät, dem Unterbewusstsein einer Amöbe entsprungen zu sein; die Stätte, wo Friedrich Gundelfinger den Finger verlor und daher nicht auf den jungen Journalisten namens Joseph Goebbels deuten konnte, der mit bösem Lächeln und einem kleinen Notizblock auf den Knien zu Füßen des zelebrierten und entfingerten Gundolf saß. Das Romanische Café ist die Stätte, wo Pegasus mit Aperçus gefüttert wurde, bis er nicht mehr krauchen konnte…"
Ein Herr mit Pfeife bleibt eine Weile vor dem Pappschild stehen.
"Das mit Goebbels ist mir neu". Sagt er und bläst mir Pfeifenrauch ins Gesicht.
”
”
Peter Fürst (Schnitzeljagd Berlin--New York (German Edition))
“
Weißt du, warum man so auf seinen Schlaf erpicht ist? Nur um ein paar Tage länger jung auszusehen? Ach, und wenn dann der Schlaf kommt und man träumt, dann ist man uralt, und kein Engel ist da; man liegt da wie ein Stück Holz im Moor, ewig, und kann nicht sterben. Und das alles zur Strafe, weil man ein einziges Mal wach gewesen ist, als der Engel da saß und man dachte: Nun brauche ich nie mehr zu schlafen.
”
”
Hans Erich Nossack (Der jüngere Bruder)
“
Bist du Vegetarierin?" [...] "Wieso?"
"Weil ich so eine Theorie habe: Wenn wir sterben, darf jedes Tier, das wir gegessen haben, dafür uns fressen. Und wenn du als Fleischfresser mal alle Tiere zusammenzählst, die du in deinem Leben gegessen hast - da kommt eine Menge Zeit im Fegefeuer zusammen, in der irgendwelche Viecher auf dir rumkauen?"
"Im Ernst jetzt?"
Sie lacht. "Nein. Ich kann die Frage bloß nicht mehr hören...
”
”
David Levithan (Every Day (Every Day, #1))
“
..."Bist du Vegetarierin?" [...] "Wieso?"
"Weil ich so eine Theorie habe: Wenn wir sterben, darf jedes Tier, das wir gegessen haben, dafür uns fressen. Und wenn du als Fleischfresser mal alle Tiere zusammenzählst, die du in deinem Leben gegessen hast - da kommt eine Menge Zeit im Fegefeuer zusammen, in der irgendwelche Viecher auf dir rumkauen?"
"Im Ernst jetzt?"
Sie lacht. "Nein. Ich kann die Frage bloß nicht mehr hören...
”
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David Levithan (Every Day (Every Day, #1))
“
... "Bist du Vegetarierin?" [...] "Wieso?"
"Weil ich so eine Theorie habe: Wenn wir sterben, darf jedes Tier, das wir gegessen haben, dafür uns fressen. Und wenn du als Fleischfresser mal alle Tiere zusammenzählst, die du in deinem Leben gegessen hast - da kommt eine Menge Zeit im Fegefeuer zusammen, in der irgendwelche Viecher auf dir rumkauen."
"Im Ernst jetzt?"
Sie lacht. "Nein. Ich kann die Frage bloß nicht mehr hören...
”
”
David Levithan (Every Day (Every Day, #1))
“
Wenn ich nur ein Telephon habe, der Wald
wird sich finden! Ohne Telephon kann man nur
deshalb nicht leben, weil es das Telephon gibt.
Ohne Wald wird man nicht leben können, auch
wenn's längst keinen Wald mehr geben wird. Dies
gilt für die Menschheit. Wer über ihren Idealen
lebt, wird doch ein Sklave ihrer Bedürfnisse sein
und leichter Ersatz für den Wald als für das
Telephon finden. Die Phantasie hat ein Surrogat
an der Technik gefunden; die Technik ist ein
Surrogat, für das es keines gibt. Die Andern, die
nicht den Wald, wohl aber das Telephon in sich
haben, werden daran verarmen, daß es außen keine Wälder gibt. Die gibt es nicht, weil es innen und außen Telephone gibt. Aber weil es sie gibt, kann man ohne sie nicht leben. Denn die technischen Dinge hängen mit dein Geist so zusammen, daß eine Leere entsteht, weil sie da sind, und ein Vakuum, wenn sie nicht da sind. Was sich innerhalb der Zeit begibt, ist das unentbehrliche Nichts.
”
”
Karl Kraus
“
Woher glaubst Du, daß uns ein fester Halt werden könnte in solchen Zeiten des Zerfalls des Inneren?” fragte ich Klara.
„Jedenfalls nicht aus Welten, von denen wir nichts wissen noch kennen können, das siehst Du nun an dieser verarmten Marie. Von jenen überirdischen Tröstungen weiß sie, aber sonst weiß sie nichts und besitzt nichts. Wir haben reale geistige Güter, an denen sich die Seele erquicken kann, was uns auch treffen mag. Für solche arme, beraubte Leben möchte man bitten: ...
„Klara,“ sagte ich, „ist denn nicht neben all‘ den köstlichen Quellen der Poesie und alles Wissens auch die Herrlichkeit dieser Natur, die uns umgiebt, eine solche, ja eine Hauptquelle der Erquickung? Marie kennt diese, warum kann sie nicht mehr daran trinken?“
„Sie hat nie recht daran getrunken,“ meinte Klara, „ihr inneres Auge war nie geöffnet für diese Schönheit.“
„Sollte es nicht Krankheiten geben, die auch die geöffneten Augen schließen und die Aufnahme all‘ dieser Erquickungen unmöglich machen könnten, Klara?“
„Nein,“ sagte sie bestimmt; „ausgerüstet mit dem geweiteten Blicken des Gebildeten, dem alle Quellen des geistigen Lebens geöffnet sind, kann uns ein solches Kranken nicht niederwerfen. Nicht die Schutzmittel fehlen, die Kenntnis derselben fehlt, wo solches geschehen kann. Versiegt für uns eine Quelle, die uns Kräfte des Lebens zugeführt, so kennen wir tausend andere, daraus wir schöpfen können; wir müssen nicht ermatten, wie das Land, dem der einzige Bach vertrocknet, dessen Wasser es grünen gemacht.
~ Aus Früheren Tagen
”
”
Johanna Spyri (Die Werke von Johanna Spyri)
“
Aber auch dann ist diese Einkehr, um die ich Sie bitte, nicht vergebens gewesen. Ihr Leben wird auf jeden Fall von da ab eigene Wege finden, und daß es gute, reiche und weite sein mögen, das wünsche ich Ihnen mehr, als ich sagen kann.
[...] und schließlich wollte ich Ihnen ja auch nur raten, still und ernst durch Ihre Entwicklung durchzuwachsen; Sie können sie gar nicht heftiger stören, als wenn Sie nach außen sehen und von außen Antwort erwarten auf Fragen, die nur Ihr innerstes Gefühl in Ihrer leisesten Stunde vielleicht beantworten kann.
”
”
Rainer Maria Rilke
“
Aber ich hab für uns einen Plan gemacht:
Ich werde alles, was ich vorwärtslaufe,
auch rückwärtsgehen,
ich werde Laub an Bäume kleben
und Uhrzeiger drehen.
Ich werde Sterne an der Erde festbinden,
damit sie irgendwann steht,
ich werde Gegenwind gegen Wind pusten,
bis er nicht mehr weht.
Ich werde tun, was ich kann,
dass die Zeit nicht vergeht.
Was euch betrifft, kann ich leider nicht zulassen,
dass ihr mal weg seid,
weil allein der Gedanke so schmerzt,
dass der Schmerz viel zu schlimm wär.
Also darf die Zeit nicht vergehen,
denn dann sind wir für immer.
”
”
Julia Engelmann (Eines Tages, Baby)
“
Und nun beginnt er [Caesar], den Gallischen Krieg und den Bürgerkrieg zu übermalen. Ich ging einmal fünf Seiten der ›Commentare‹ aufs genaueste mit meinem Bruder Quintus durch, der sich während der da beschriebenen Ereignisse in Caesars nächster Umgebung aufhielt. Es findet sich keine einzige Unwahrheit, nein, — aber nach zehn Zeilen kreischt die Wahrheit auf, sie läuft verstört und zerzaust durch die Gänge ihres Tempels und kennt sich selbst nicht mehr. ›Ich kann Lügen ertragene, schreit sie, ›aber diese erstickende Wahrheitsähnlichkeit kann ich nicht überleben‹«
”
”
Thornton Wilder (The Ides of March)
“
Kannst Du Dir vorstellen, daß ich es plötzlich nicht mehr ertrage? Vielleicht hättest Du das nicht von mir erwartet, und vielleicht findest Du das blöd von mir, aber ich kann es nicht ändern. Es ist wie mit einem Streichholz: Man kann es zweimal brechen, und die Hälften bleiben aneinander hängen, aber beim dritten Mal, da zerbricht es. In manchen Ländern gibt es kleine Wachsstreichhölzer, die man so lange hin und her biegen kann, wie man will, sie zerbrechen nie, aber so bin ich nicht. Diese Wachsstreichhölzer taugen übrigens nichts, man verbrennt sich immer die Finger daran.
”
”
Harry Mulisch (The Discovery of Heaven)
“
»Vermutlich ist Ihnen das Leben dieses afrikanischen Jungen egal. Wahrscheinlich erschrecken Sie jetzt viel mehr, wenn ich Ihnen verrate, dass das Fleisch auf Ihrem Porzellanteller kein Ibaiona-Schwein ist, sondern aus herkömmlicher Massentierhaltung stammt.« Auch wenn es kein Witz war, nutzten einige der Anwesenden den Moment für ein befreiendes Auflachen. »Ich bitte Sie, einmal den Teller zu heben.« Geschäftige Unruhe machte sich breit. Lautes Gemurmel brandete auf, als die Gäste ein Stück Papier fanden, das auf Wunsch Zaphires unter jedes Gedeck gelegt worden war. Lakonisch sagte er: »Was Sie jetzt in den Händen halten, ist ein Beipackzettel, wie er in Millionen von Medikamentenpackungen steckt. Und wie er jedem im Supermarkt gekauften Schnitzel beiliegen müsste: Tylosinphosphat, Olaquindox, Aminosidin, Clorsulon, Clavulansäure, Levamisol, Azaperon – die Liste ist endlos. Sogar Aspirin wurde von unserem Labor nachgewiesen. Und das ist ja auch ganz logisch.« Er räusperte sich und nippte kurz an dem bereitstehenden Wasserglas. »Wenn ich Sie hier alle anketten und in einem lichtlosen Raum auf wenigen Quadratmetern zusammenpferchen würde, wenn ich Ihnen wie den Schweinen im Stall unserer Fleischfabriken die Eckzähne herausbräche, damit Sie Ihren Platznachbarn nicht totbeißen können, und wenn ich Sie dann mit genmanipuliertem Billigfraß und Wachstumshormonen in Blitzgeschwindigkeit bis zur Schlachtreife hochmästen würde, die nebenbei bemerkt viele der Anwesenden hier im Saal schon längst überschritten haben, dann ist es klar, dass mein Massenmenschschlachtungs-Geschäftsmodell ohne Einsatz von Schmerzmitteln, Antibiotika, Psychopharmaka und Antiparasitika nicht auskommen könnte, ganz zu schweigen von den Tonnen an Sedativa, damit Sie auf dem Transport zum Schlachthof nicht randalieren, bevor ich Sie dort lebendig in ein Brühbad kippen kann.«
”
”
Sebastian Fitzek (Noah)
“
Mehr und mehr komme ich zu der Überzeugung, dass ich dazu bestimmt bin, ein einsamer Wanderer der Wildnis zu bleiben. Gott, welch verführerische Macht der Trail doch auf mich ausübt. Du kannst die unwiderstehliche Faszination, die von ihm ausgeht, nicht nachvollziehen. Schließlich ist der einsame Trail auch der beste… Ich werde ewig weiterwandern. Die Schönheit dieses Landes wird allmählich zu einem Teil meiner selbst. Ich fühle mich dem Leben entrückter, in irgendwie sanfter und gütiger geworden…
Das Leben, wie die meisten Leute es führen, hat mich noch nie befriedigt. Schon seit ich denken kann, sehne ich mich nach einem intensiveren, reicheren Leben.
”
”
Everett Ruess (Everett Ruess: A Vagabond for Beauty & Wilderness Journals)
“
So begriff Don Calogero allmählich, dass eine gemeinsame Mahlzeit nicht unbedingt ein Orkan von Kaugeräuschen und Fettspritzern sein muss, dass ein Gespräch sehr gut auch anders als ein Streit unter Hunden ablaufen kann, dass einer Frau den Vortritt zu lassen ein Zeichen von Stärke ist und nicht von Schwäche, wie er gemeint hatte; dass man bei einem Gesprächspartner mehr erreichen kann, wenn man zu ihm sagt: »Vielleicht habe ich mich nicht gut ausgedrückt«, anstatt »Du hast überhaupt nix kapiert«, und dass, wenn man solche Taktiken anwendet, Mahlzeiten, Frauen, Argumente und Gesprächspartner etwas hinzugewinnen, was voll und ganz zum Vorteil dessen gereicht, der sie gut behandelt.
”
”
Giuseppe Tomasi di Lampedusa (Der Leopard: Roman)
“
Als Kind, da war so ein Vorhang, vor einer kleinen Besenkammer, und da hab ich mich hineingestellt, mit der Hand oben, und wenn meine Großmutter vorbeigegangen ist, habe ich die Hand herunterfallen lassen.
Die ist zu Tode erschrocken, immer! Aber nicht jeden Tag. Wenn ich das Gefühl gehabt habe, jetzt hat sie die Sache vergessen, jetzt kann ich's wieder machen, hat's immer gewirkt.
Und das kann man nicht mehr, ist ja auch keine Großmutter mehr da, aber dann sind's eben solche Sachen.
Oder daß jemand sagt: »Kommen Sie zu uns, lesen Sie vor«, und ich sag nein. Da hab' ich meinen Mordsspaß. Da denk ich mir zwar, Gott bist du blöd, das Geld, alles ist weg, aber der Spaß ist dann vielleicht noch größer.
”
”
Thomas Bernhard (Thomas Bernhard - eine Begegnung: Gespräche mit Krista Fleischmann)
“
Als Kind, da war so ein Vorhang, vor einer kleinen
Besenkammer, und da hab' ich mich hineingestellt, mit der Hand oben, und wenn
meine Großmutter vorbeigegangen ist, habe ich die Hand herunterfallen lassen. Die
ist zu Tode erschrocken, immer! Aber nicht jeden Tag. Wenn ich das Gefühl gehabt
habe, jetzt hat sie die Sache vergessen, jetzt kann ich's wieder machen, hat's immer
gewirkt. Und das kann man nicht mehr, ist ja auch keine Großmutter mehr da, aber
dann sind's eben solche Sachen. Oder daß jemand sagt: »Kommen Sie zu uns, lesen
Sie vor«, und ich sag' nein. Da hab' ich meinen Mordsspaß. Da denk' ich mir zwar,
Gott bist du blöd, das Geld, alles ist weg, aber der Spaß ist dann vielleicht noch
größer.
”
”
Thomas Bernhard (Thomas Bernhard - eine Begegnung: Gespräche mit Krista Fleischmann)
“
Nur die Zeitangabe mußte ich lange überlegen, denn es ist mir fast unmöglich, "heute" zu sagen, obwohl man jeden Tag "heute" sagt, ja, sagen muß, aber wenn wir etwa Leute mitteilen, was sie heute vorhaben - um von morgen ganz zu schweigen -, bekomme ich nicht, wie man oft meint, einen abwesenden Blick, sondern einen sehr aufmerksamen, vor Verlegenheit, so hoffnunglos ist meine Beziehung zu "heute", denn durch dieses Heute kann ich nur in höchster Angst und fliegender Eile kommen und davon schreiben, oder nur sagen, in dieser höchsten Angst, was sich zuträgt, den vernichten müßte man es sofort, was über Heute geschrieben wird, wie man die wirklichen Briefe zerreißt, zerknüllt, nicht beendet, nicht abschickt, weil sie von heute sind und weil sie in keinem Heute mehr ankommen werden.
”
”
Ingeborg Bachmann (Malina)
“
Kleine Pause, damit ich die nächsten Worte, die mir, nicht einzeln, doch in ihrer Abfolge, aus gewissen, persönlichen Gründen heilig sind, mit dem entsprechenden Raum sprechen kann:
Manchmal, sage ich, bin ich von Liebe und Hingabe ganz erfüllt. So ganz und gar, dass ich fast aufhöre, ich zu sein. Meine Sehnsucht, sie zu sehen und zu verstehen, ist so groß, dass ich mir wünsche, die Luft zwischen ihnen zu sein, dass sie mich einatmen und ich eins mit ihnen werde bis hinunter in die letzte Zelle. Ein anderes Mal bin ich wiederum so überschwemmt von Ekel, wenn ich sie vor mir sehe, diese Kadavermünder, wie sie essen und trinken und reden, und alles in ihnen wird zu Morast und Lüge, und ich fühle, wenn ich mir das noch einen Augenblick länger ansehen und anhören muss, werde ich auf das nächstbeste Gesicht so lange einprügeln, bis nichts mehr davon übrig ist.
”
”
Terézia Mora
“
Das typische Wiener Kaffeehaus, das in der ganzen Welt berühmt ist, habe ich immer gehasst, weil alles in ihm gegen mich ist. Andererseits fühlte ich mich jahrzehntelang gerade im Bräunerhof, das immer ganz gegen mich gewesen ist (wie das Hawelka), wie zuhause, wie in Cafe Museum, wie in anderen Kaffeehäuser von Wien, die ich in meinen Wiener Jahre frequentiert habe. Ich habe das Wiener Kaffeehaus immer gehasst und bin immer wieder in das von mir gehasste Wiener Kaffeehaus heineingegangen, habe es tagtäglich aufgesucht, denn ich habe, obwohl ich das Wiener Kaffeehaus immer gehasst habe, und gerade weil ich es immer gehasst habe, in Wien immer an der Kaffeehausaufsuchkrankheit gelitten, denn es hat sich herausgestellt, dass diese Kaffeehausaufsuchkrankheit die unheilbarste aller meiner Krankheiten ist. Ich habe die Winer Kaffeehäuser imme gehasst, weil ich in ihnen immer mit Meinesgleichen konfrontiert gewesen bin, das ist die Wahrheit und ich will ja nicht ununterbrochen mit mir konfrontiert sein, schon gar nicht im Kaffeehaus, in das ich ja gehe, damit ich mir entkomme, aber gerade dort bin ich dann mit mir und Meinesgleichen konfrontiert. Ich ertrage mich selbst nicht, geschweige denn eine ganze Horde von grübelnden und schreibenden Meinesgleichen. Ich meide die Literatur, wo ich nur kann, weil ich mich selbst meide, wo ich nur kann und deshalb muss ich mir den Kaffeehausbesuch in Wien verbieten oder wenigstens immer darauf Bedacht nehmen, wenn ich in Wien bin, unter keinen wie immer gearteten Unständen ein sogenanntes Wiener Literatenkaffeehaus aufzusuchen. Aber da ich an der Kaffeehausaufsuchkrankheit leide, bin ich gezwungen, immer wieder in ein Literatenkaffeehaus hineinzugehen, auch wenn sich alles in mir dagegen wehrt. Je mehr und je tiefer ich die Wiener Literatenkaffeehäuser gehasst habe, desto öfter und desto intensiver bin ich in sie hineingegangen. Das ist die Wahrheit.
”
”
Thomas Bernhard (Wittgenstein’s Nephew)
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[…] Ich möchte aber gern noch einmal auf meinen Ratschlag zurückkommen; ich finde nämlich, dass du dein Leben radikal ändern und ganz mutig Dinge in Angriff nehmen solltest, die dir früher nie in den Sinn gekommen wären oder vor denen du im letzten Moment zurückgeschreckt bist. So viele Leute sind unglücklich mit ihrem Leben und schaffen es trotzdem nicht, etwas an ihrer Situation zu ändern, weil sie total fixiert sind auf ein angepasstes Leben in Sicherheit, in dem möglichst alles gleichbleibt – alles Dinge, die einem scheinbar inneren Frieden garantieren. In Wirklichkeit wird die Abenteuerlust im Menschen jedoch am meisten durch eine gesicherte Zukunft gebremst. Leidenschaftliche Abenteuerlust ist die Quelle, aus der der Mensch die Kraft schöpft, sich dem Leben zu stellen. Freude empfinden wir, wenn wir neue Erfahrungen machen, und von daher gibt es kein größeres Glück als in einem immer wieder wechselnden Horizont blicken zu dürfen, an dem jeder Tag mit einer neuen ganz anderen Sonne anbricht. Wenn du mehr aus deinem Leben machen willst, Ron, dann muss du deine Vorliebe für monotone, gesicherte Verhältnisse ablegen und das Chaos in dein Leben lassen, auch wenn es dir am Anfang verrückt erscheinen mag. Aber sobald du dich an ein solches Leben einmal gewöhnt hast, wirst du die volle Bedeutung erkennen, die darin verborgen liegt, und die schier unfassbare Schönheit. Um es auf den Punkt zu bringen, Ron: Geh fort raus Salton City und fang an zu reisen. […] Sei nicht so träge und bleib nicht einfach immer am selben Platz. Beweg dich, reise, werde ein Nomade, erschaffe dir jeden Tag einen neuen Horizont. Du wirst noch so lange leben, Ron, und es wäre eine Schande, wenn du die Gelegenheit nicht nutzen würdest, dein Leben von Grund auf zu ändern, um in ein vollkommen neues Reich der Erfahrungen einzutreten.
Es stimmt nicht, wenn du glaubst, dass Glück einzig und allein zwischenmenschlichen Beziehungen entspringt. Gott hat es überall um uns herum verteilt. Es steckt in jeder kleinen Erfahrung, die wir machen. Wir müssen einfach den Mut haben, uns von unserem gewohnten Lebensstil abzukehren und uns auf ein unkonventionelles Leben einzulassen.
Vor allem möchte ich dir sagen, dass du weder mich noch sonstwen brauchst, um dieses neue, hoffnungsfroh schimmernde Licht in dein Leben zu bringen. Du musst nur zur Tür hinausgehen und die Hand danach ausstrecken und schon ist es dein. Du selbst bist dein einziger Feind, du und deine Sturheit, mit der du dich weigerst, dich auf etwas Neues einzulassen. […]
Du wirst staunen, was es alles zu sehen gibt, und du wirst Leute kennenlernen, von denen man eine Menge lernen kann. Aber mach es ohne viel Geld, keine Motels, und dein Essen kochst du dir selbst. Je weniger du ausgibst, desto höher der Erlebniswert. […]
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Jon Krakauer (Into the Wild)
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»O du Gott im Himmel, vergib mir, was ich getan; ich war ein Kind ... Aber nein, nein, ich war kein Kind, ich war alt genug, um zu wissen, was ich tat. Ich hab es auch gewußt, und ich will meine Schuld nicht kleiner machen, ... aber das ist zuviel. Denn das hier, mit dem Kinde, das bist nicht du, Gott, der mich strafen will, das ist er, bloß er! Ich habe geglaubt, daß er ein edles Herz habe, und habe mich immer klein neben ihm gefühlt; aber jetzt weiß ich, daß er es ist, er ist klein. Und weil er klein ist, ist er grausam. Alles, was klein ist, ist grausam. Das hat er dem Kinde beigebracht, ein Schulmeister war er immer, Crampas hat ihn so genannt, spöttisch damals, aber er hat recht gehabt. '0 gewiß, wenn ich darf.' Du brauchst nicht zu dürfen; ich will euch nicht mehr, ich hasse euch, auch mein eigen Kind. Was zuviel ist, ist zuviel. Ein Streber war er, weiter nichts. – Ehre, Ehre, Ehre ... und dann hat er den armen Kerl totgeschossen, den ich nicht einmal liebte und den ich vergessen hatte, weil ich ihn nicht liebte. Dummheit war alles, und nun Blut und Mord. Und ich schuld. Und nun schickt er mir das Kind, weil er einer Ministerin nichts abschlagen kann, und ehe er das Kind schickt, richtet er's ab wie einen Papagei und bringt ihm die Phrase bei 'wenn ich darf'. Mich ekelt, was ich getan; aber was mich noch mehr ekelt, das ist eure Tugend. Weg mit euch. Ich muß leben, aber ewig wird es ja wohl nicht dauern.«
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Theodor Fontane (Effi Briest)
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Du fragst, wann ich meinen nächsten Abstecher in die zivilisierte Welt machen werde. Nun, ich glaube nicht, dass dies sehr bald sein wird. Ich bin der Wildnis noch lange nicht überdrüssig, genieße vielmehr ihre Schönheit und das Wanderleben, das ich führe, mit jedem neuen Tag mehr. Ich sitze tausendmal lieber im Sattel als in der Trambahn, und auf ein Dach über dem Kopf verzichte ich gern, wenn ich nur unter einem besternten Himmel sitzen darf; der einsame, unwegsame Trail, der mich an einen unbekannten Ort führt, reizt mich mehr als jeder asphaltierte Highway, und auch bin ich lieber vom tiefen Frieden der Wildnis umgeben als von der Unzufriedenheit, die in den Städten herrscht. Kannst du es mir verübeln, wenn ich bleibe, wo ich m ich heimisch fühle, wo ich eins bin mit der Welt um mich herum? Es ist wahr, mir fehlt zuweilen der gute Freund, das geistreiche Gespräch. Doch es gibt kaum jemanden, mit dem ich mich über die Erlebnisse, die mir soviel bedeuten, austauschen könnte. Ich habe daher längst gelernt, darauf verzichten. Es reicht mir vollkommen, von Schönheit umgeben zu sein…
Auch wenn du’s mir nur flüchtig geschildert hast, weiß ich, dass ich den Trott und die Eintönigkeit des Lebens, das du zu führen gezwungen bist, nicht einen Tag aushalten könnte. Ich kann mir nicht vorstellen, meinem Wanderleben jemals abzuschwören. Ich bin zu tief in die Geheimnisse des Lebens vorgedrungen und würde so ziemlich alles einer Rückkehr ins Leben der Mittelmäßigkeit vorziehen.
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Everett Ruess (Everett Ruess: A Vagabond for Beauty & Wilderness Journals)
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Das verschlug mir für einen Moment die Sprache, ich hatte nicht gedacht, dass es so schlimm um sie stand. »Das tut mir leid … Kann ich irgendetwas tun?«
Nat lächelte schwach. »Hast du das nicht schon? Danke. Hau dich lieber ins Bett. Du musst früh raus. Oder hast du morgen keine Schicht?«
Während ich die restliche Soße in einen Behälter füllte und in den Kühlschrank stellte, nickte ich bejahend. »Stimmt, Punkt fünf muss ich dort sein, um bei den Vorbereitungen zu helfen.«
Seit ich vor sechs Monaten aus Amerika zurückgekommen war, jobbte ich als Frühstückskellner im Radisson Blu Palais Hotel, direkt am Parkring. Eine feine Adresse in Wien, vollgestopft mit gut betuchten Damen, die gerne zu viel Trinkgeld gaben. Mir konnte das mehr als Recht sein. Nur das Aufstehen war die Hölle.
»Du weißt, wie streng meine Chefin ist, da gibt es kein Zuspätkommen.«
Bei meinen Worten prustete Nat los: »Ja klar, als ob du sie nicht schon längst um den Finger gewickelt hättest mit deinen tiefblauen Augen«, wobei er das Wort tiefblau mit den Fingern in Anführungszeichen setzte und zu quietschen versuchte, wie es eine Bekannte von uns letzten Samstag auf einer Party getan hatte. Verspielt klimperte ich mit den Wimpern und lehnte mich an die Küchenzeile. Wieder musste Nat schmunzeln, wobei er dieses Mal schluckte, bevor er weiterredete: »Hör auf mit dem Scheiß. Verdammt, wenn ich eine Braut wäre, würde ich auch auf dich stehen. Aber weißt du was?« Nun tippte er mit der leeren Gabel in meine Richtung. »Ich würde nie mit dir ins Bett gehen, weil ich Angst vor Syphilis hätte.«
Theatralisch griff ich mir mit der Hand an die Brust und verzog schmerzverzerrt das Gesicht. »Das tut weh! Dabei wärst du so eine geile Schnitte, mit deinen blonden Locken und braunen Augen. Du brichst mir das Herz.«
Endlich erreichte Nats Lächeln auch wieder seine Augen und ich atmete innerlich erleichtert auf, bevor ich weiter blödelte. »Du bräuchtest dir gar keine Sorgen darum zu machen, Schatz. Ich nehme doch immer ein Kondom.«
»Zum Glück«, betonte er laut, »für die ganze Stadt, sonst würden drei Viertel der Frauen bereits krank im Spital liegen.«
Damit brachte er auch mich zum Lachen. »Du bist ein Idiot.«
Anstatt mir eine schnelle Retourkutsche zu verpassen, zwinkerte er mir zu und stopfte sich genüsslich den nächsten Happen in den Mund. »Deshalb ist es auch keine schlechte Idee, wenn du wieder losziehst, um die Frauen anderer Städte zu beglücken, damit unsere in Frieden weiterleben können. Weißt du schon, wann es soweit ist?«
Eigentlich hatte ich vorgehabt, spätestens im Herbst aufzubrechen und wieder für einige Zeit in Amerika herumzustreunen. Doch so wie mich Nat jetzt anguckte, wie ein zurückgelassener Welpe, meldete sich mein schlechtes Gewissen. Daher zuckte ich mit den Schultern. »Keine Ahnung. In den nächsten Monaten vielleicht. Warum?«
Er fragte nicht grundlos, etwas in seinem Blick machte mich unruhig, aber ich konnte nicht sagen was oder warum. Wir hatten die letzten Wochen schon einige Male darüber geredet. Bisher hatte er noch nie Probleme damit gehabt, dass ich manchmal für drei, vier Monate aus dem Land verschwand. Nat leckte die Gabel ab und stellte das Geschirr in die Spüle. »Nichts. Nur so.«
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(Bildquelle: pinterest)
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Martina Riemer
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Ehre und Scham vor dem Schlafe! Das ist das Erste! Und Allen aus dem Wege gehn, die schlecht schlafen und Nachts wachen! Schamhaft ist noch der Dieb vor dem Schlafe: stets stiehlt er sich leise durch die Nacht. Schamlos aber ist der Wächter der Nacht, schamlos trägt er sein Horn. Keine geringe Kunst ist schlafen: es thut schon Noth, den ganzen Tag darauf hin zu wachen. Zehn Mal musst du des Tages dich selber überwinden: das macht eine gute Müdigkeit und ist Mohn der Seele. Zehn Mal musst du dich wieder dir selber versöhnen; denn Überwindung ist Bitterniss, und schlecht schläft der Unversöhnte. Zehn Wahrheiten musst du des Tages finden: sonst suchst du noch des Nachts nach Wahrheit, und deine Seele blieb hungrig. Zehn Mal musst du lachen am Tage und heiter sein: sonst stört dich der Magen in der Nacht, dieser Vater der Trübsal. Wenige wissen das: aber man muss alle Tugenden haben, um gut zu schlafen. Werde ich falsch Zeugniss reden? Werde ich ehebrechen? Werde ich mich gelüsten lassen meines Nächsten Magd? Das Alles vertrüge sich schlecht mit gutem Schlafe. Und selbst wenn man alle Tugenden hat, muss man sich noch auf Eins verstehn: selber die Tugenden zur rechten Zeit schlafen schicken. Dass sie sich nicht mit einander zanken, die artigen Weiblein! Und über dich, du Unglückseliger! Friede mit Gott und dem Nachbar: so will es der gute Schlaf. Und Friede auch noch mit des Nachbars Teufel! Sonst geht er bei dir des Nachts um. Ehre der Obrigkeit und Gehorsam, und auch der krummen Obrigkeit! So will es der gute Schlaf. Was kann ich dafür, dass die Macht gerne auf krummen Beinen Wandelt? Der soll mir immer der beste Hirt heissen, der sein Schaf auf die grünste Aue führt: so verträgt es sich mit dem gutem Schlafe. Viel Ehren will ich nicht, noch grosse Schätze: das entzündet die Milz. Aber schlecht schläft es sich ohne einen guten Namen und einen kleinen Schatz. Eine kleine Gesellschaft ist mir willkommener als eine böse: doch muss sie
gehn und kommen zur rechten Zeit. So verträgt es sich mit gutem Schlafe. Sehr gefallen mir auch die Geistig-Armen: sie fördern den Schlaf. Selig sind die, sonderlich, wenn man ihnen immer Recht giebt. Also läuft der Tag dem Tugendsamen. Kommt nun die Nacht, so hüte ich mich wohl, den Schlaf zu rufen! Nicht will er gerufen sein, der Schlaf, der der Herr der Tugenden ist! Sondern ich denke, was ich des Tages gethan und gedacht. Wiederkäuend frage ich mich, geduldsam gleich einer Kuh: welches waren doch deine zehn Überwindungen? Und welches waren die zehn Versöhnungen und die zehn Wahrheiten und die zehn Gelächter, mit denen sich mein Herz gütlich that? Solcherlei erwägend und gewiegt von vierzig Gedanken, überfällt mich auf einmal der Schlaf, der Ungerufne, der Herr der Tugenden. Der Schlaf klopft mir auf meine Auge: da wird es schwer. Der Schlaf berührt mir den Mund: da bleibt er offen. Wahrlich, auf weichen Sohlen kommt er mir, der liebste der Diebe, und stiehlt mir meine Gedanken: dumm stehe ich da wie dieser Lehrstuhl. Aber nicht lange mehr stehe ich dann: da liege ich schon.
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Friedrich Nietzsche (Thus Spoke Zarathustra)
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»Die Steuern sind zu hoch!« Ich kann es nicht mehr hören! Hören Sie mal, ein Land, in dem die Bevölkerung noch Geld über hat, um Bücher von Dieter Bohlen zu kaufen… da können die Steuern gar nicht hoch genug sein.
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Volker Pispers
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Ja, Erinnerung ist viel, ist alles. Und die hab ich nun und bleibt mir und kann mir nicht mehr genommen werden. Und ich fühle ordentlich, wie mir dabei leicht zumute wird.
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Theodor Fontane (Irrungen, Wirrungen)
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• Ich hatte einen Traum, in dem ich eine Saune betrete, in der es gerade einen Aufguss gibt. Die Menschen schimpfen, weil ich die Türe geöffnet habe. Ich entschuldige mich und setze mich in eine Ecke. Nach wenigen Augenblicken merke ich, dass es in der Sauna ganz kalt ist. Der Ofen heizt, es wird Aufguss gemacht, aber es ist kalt. Ich schaue nach oben und stelle fest, dass die Sauna kein Dach hat. (Dieses Bild gibt den Eindruck wider, den von in der Situation der Kirche in unserem Land habe)
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Thomas Frings (Aus, Amen, Ende?: So kann ich nicht mehr Pfarrer sein (German Edition))
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• Ein Bischof wollte vor der Firmung mit den Jugendlichen ein freundliches und gut gemeintes Gespräch führen und ermunterte sie, ihn doch alles zu fragen, was sie immer schon einen Bischof fragen wollten. Das Gespräch wollte nicht in Gang kommen und er meinte: “Ich bin doch einer von euch. Ihr könnt mich alles fragen.” Daraufhin erwiderte einer der erwachsenen Firmbegleiter: “ Herr Bischof, solange Sie so aussehen und in einem solchen Auto mit Chauffeur vorgefahren kommen, sind Sie keiner von uns .
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Thomas Frings (Aus, Amen, Ende?: So kann ich nicht mehr Pfarrer sein (German Edition))
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• Den Kindern sage ich deswegen bei Kirchenführungen immer, eine Kirche sei deswegen immer so hoch, damit selbst der größte Mensch ganz aufrecht vor Gott stehen kann, auch wenn er noch so gebeugt in das Haus Gottes gekommen ist. Es war dann eine gute Gottesbegegnungen, wenn dieser gebeugte Mensch etwas entlasteter oder sogar aufgerichtet wieder in die Welt gehen konnte. Wie gesagt: Keine Kirche ist zu niedrig, als dass der Mensch nicht aufrecht vor Gott stehen kann.
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Thomas Frings (Aus, Amen, Ende?: So kann ich nicht mehr Pfarrer sein (German Edition))
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• Wir haben in unserer Pfarrkirche in der Fastenzeit einmal mit einer Aktion versucht, diese zu versinnbildlichen. Alle Seiteneingänge waren geschlossen und es wurde auf das geöffnete Hauptportal verwiesen. Trat man dort in die Kirche, wurde der Blick versperrt von einer Folie, die zwischen zwei Säulen der Orgelempore gespannt war. Darauf stand in großen Lettern “Zutritt nur für Sünder”. Die sich daran entzündende Diskussion ging von “Ich wäre am liebsten sofort umgekehrt und nach Hause gegangen“ bis “Endlich ein Platz für mich”. Wer am Gottesdienst teilgenommen hatte, sah beim Verlassen der Kirche auf der Rückseite der Folie den Satz “Ausgang für Heilige”.
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Thomas Frings (Aus, Amen, Ende?: So kann ich nicht mehr Pfarrer sein (German Edition))
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Ich frage mich oft, warum man das nicht mehr kann, sinnlos glücklich sein.
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Milena Michiko Flašar (I Called Him Necktie)
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Exil
Ein Toter bin ich der wandelt
gemeldet nirgends mehr
unbekannt im Reich des Präfekten
überzählig in den goldenen Städten
und im grünenden Land
abgetan lange schon
und mit nichts bedacht
nur mit Wind mit Zeit und mit Klang!
Der ich unter Menschen nicht leben kann!
Ich mit der deutschen Sprache
dieser Wolke um mich
die ich halte als Haus
treibe durch alle Sprachen
O wie sie sich verfinstert!
die dunklen die Regentöne
nur die wenigen fallen
In hellere Zonen trägt dann sie den Toten hinauf
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Ingeborg Bachmann
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Meine liebste, beste, teuerste Freundin, gehen Sie weg. Ich kann Sie nicht mehr sehen.
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Ralf Sotscheck (In Schlucken-zwei-Spechte)
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Das Abenteuer als anarchisches Tun in archaischen Räumen ist auch deshalb ein spannendes Experiment, weil damit primäre Erkenntnisse verbunden sind: größtmögliche Risiken bei größtmöglicher Freiheit.
Wir leben heute in einer Zivilisation, die uns Freiräume nur vortäuscht. Und wir werden immer mehr davon aufgeben müssen. Auch weil wir so viele auf der Erde sind. Die Gesetze, die dem Grad der Freiheit des Individuums den Rahmen geben, werden deshalb immer enger. Auf dass die Gesellschaft funktionsfähig bleibt. Mir scheint aber, dass wir längst bei einem Minimum an Freiraum angekommen sind. Mit der »totalen Freiheit im Netz« sind wir dabei, den letzten Rest davon aufzugeben.
Ich persönlich gehe lieber in die Berge als ins Internet. Einer Lawine kann ich ausweichen, einem Shitstorm nicht. Mit dem Argument größtmöglicher Meinungsfreiheit wird zuletzt ebendiese zerstört, weil der Einzelne im Netz diskreditiert werden kann, ohne dass irgendjemand dafür zur Rechenschaft gezogen wird. Freiheit ohne Verantwortung aber ist gefährlich. Wie jene kollektive im Netz. In Shitstürmen schwimmen meist Überheblichkeit, Oberflächlichkeit und Aggression mit – oft auch Rassismus und Fremdenhass, alles andere als Toleranz. Freiheit, sagt man, habe immer auch die Freiheit der Andersdenkenden zu sein. Wenn sich diese aber nicht mehr wehren können, bleibt sie Illusion. Als Illusion darf der Begriff »Freiheit« von Berggipfeln schallen – dort richtet er wenigstens keinen Schaden an.
Sogar das Abenteuer hat sich inzwischen der digitalen Kontrollgesellschaft unterworfen. Als bräuchten Akteure heute zuallererst Öffentlichkeit. Sie stellen ihre Grenzgänge als Ankündigung ins Netz, stellen über Satellit eine »Wildnis« zur Schau und posten zuletzt ein »Abenteuer«, das seine archaische Dimension längst verloren hat, weil Freiraum und kontrollierter Raum damit ein und dasselbe geworden sind, der einstige Gefahrenraum zum Als-ob-Gefahrenraum geformt wurde. Mein ABC des traditionellen Abenteuers – »no artificial oxygen, no bolts, no communications, no drugs« – ist damit ad absurdum geführt.
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Reinhold Messner (Über Leben)
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Bei Durchblättern von Büchern, die ich immer wieder zur Hand nehme, stoße ich auf Unterstreichungen wie diese: »Heute, so scheint es ihm, schreibt er mehr aus einer freien Position heraus. … Er sagt das ohne den Dünkel, der solche Unabhängigkeitserklärungen begleiten kann, und ohne die Pose des Traurigseins, mit der man eine Einsamkeit zugibt«. Die Sätze stammen aus Roland Barthes’ autobiographischem Buch Über mich selbst. Ich muss die Unterstreichung vor langer Zeit gemacht haben. Trotzdem habe ich das Gefühl, sie zum ersten Mal zu lesen.
Wenn ich in Maggie Nelsons Bluets blättere, ihren Reflexionen über das Ende einer Liebesaffäre und die Anziehungskraft der Farbe Blau, wartet, in verblassendem Neonrosa markiert, folgender Satz auf mich: »Ich habe schon seit einiger Zeit versucht, in meiner Einsamkeit Würde zu finden. Ich habe festgestellt, dass ich damit Schwierigkeiten habe.«Drei Ausrufezeichen stehen neben der Anstreichung. Es muss eine Zeit gegeben haben, in der ich mich mit Nelsons Lakonie identifizieren konnte. Tue ich das jetzt auch noch?
Und schließlich, beim Blick in Marguerite Duras’ Écrire, ihren Essay über die Einsamkeit von Schreibenden: »Sobald der Mensch allein ist, stürzt er in die Unvernunft. Ich glaube Folgendes: Ich glaube, dass eine auf sich allein gestellte Person immer schon vom Wahnsinn gezeichnet ist, da sie nichts vor dem Einbruch des eigenen Deliriums schützt.«1 Wenn ich diese Zeilen lese, schlägt mein Herz etwas schneller. Unfreiwillige Wellen des Erkennens unter Regungen des Widerstands. Haltung bewahren, den Blick nach vorn.
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Daniel Schreiber (Allein)
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Ich habe schon mein ganzes Leben von dir geträumt, aber nie gedacht, dass es dich wirklich gibt. Ich hätte es wissen müssen, bin aber ehrlich nicht auf die Idee gekommen. Ich weiß nicht, ob ich froh oder traurig sein soll, dass du eine von uns bist.
Es ist sinnlos, dass wir uns noch mal treffen, aber ich habe dich gesehen und kann es jetzt nicht mehr ungesehen machen. Ich kann nur noch daran denken, dass du hier bist, irgendwo in dieser Stadt. Am liebsten würde ich alle Häuser zwischen uns niederbrennen, bis nur noch du und ich übrig sind.
Ich denke, je weniger ich über dich weiß, desto sicherer bist du, aber ich werde das Gefühl nicht los, dass es einen Grund dafür gibt, dass ich dich zeichne, seit ich alt genug war, um einen Buntstift zu halten. Ich muss von dir hören.
Sag mir, dass du mich hasst.
Sag mir, ich soll zur Hölle fahren.
Irgendwas.
Aber schreib zurück.
Ajax
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Josephine Angelini (Scions (Starcrossed, #4))
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Ohnmacht sorgt dafür, dass meine Großmutter morgens nicht mehr die Zeitung aufschlagen mag, dass Familien an Weihnachten nicht mehr über das Klima reden, weil alle sonst streiten. Ohnmacht schaltet gleich: lässt kaum Nuancen zu, keine Widersprüche, keine Unebenheiten. Ohnmacht heißt: Alles ist vergebens, die Welt und ich in ihr gleichermaßen. Ohnmacht übersieht, ignoriert, leugnet die Widerstände an anderen Orten, zu anderen Zeiten, von anderen Menschen.
Und so ist Ohnmacht zuweilen auch ein Privileg. Es ist ein Privileg derjenigen, die von Krisen und Katastrophen nur indirekt betroffen sind und es sich leisten können, in Verzweiflung oder Gleichgültigkeit zu versinken. Wer vor dem Hurrikan flieht, der Flut oder dem Brand entkommen muss, gegen den Hunger kämpft, der kann sich keine Ohnmacht leisten. Der muss handeln.
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Luisa Neubauer (Gegen die Ohnmacht: Meine Großmutter, die Politik und ich)
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Damit der Westen die Geschichte über sich weitererzählen kann, blendet er eine Sache aus, die ihm mittlerweile immer mehr ins Gesicht springt: den Tod.
Verhandlungen klingen nämlich gut, wenn wir es bei der Frage belassen, wie wir leben wollen. Doch wie soll man in eine Verhandlung gehen, wenn es für die Einen um Lebensgestaltung, und für die Anderen um Leben an sich geht?
An politischen Entscheidungen hängt nicht nur die Frage, wie wir leben wollen, sondern auch, wer dafür sterben muss.
Eine Entscheidung gegen Seenotrettung mag vielleicht hinauszögern, dass wir unser Leben umgestalten müssen, doch es ist auch die Entscheidung, Menschen sterben zu lassen. Wie soll die Frage wessen Tode wir in Kauf nehmen, demokratisch gelöst werden?
Und immer wieder heißt es: "Wir können nicht alle retten!" Doch wir versuchen es noch nicht einmal.
Wir wissen genau, dass viel mehr Menschen überleben könnten, wenn wir uns verändern würden.
Ich weiß, Veränderung ist schwer. Identitätskrisen sind hart. Doch nicht so hart, wie der Tod.
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Alice Hasters (Identitätskrise.)
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Ich glaube, ich kann dich nicht mehr leiden, Iremonger, ich empfinde im Augenblick tatsächlich eine Abneigung gegen dich, und in wenigen Sekunden werde ich dich wohl regelrecht verachten
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Edward Carey (Heap House (Iremonger, #1))
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Denk ich an Deutschland in der Nacht,
Dann bin ich um den Schlaf gebracht,
Ich kann nicht mehr die Augen schließen,
Und meine heißen Tränen fließen.
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Heinrich Heine
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Zeit schwand sein gutes Aussehen bereits, und er wurde krank und kränker.« »War es einer von denen?« Der Mann studierte Monk aufmerksam, sein Gesicht düster, die Wangenknochen hervortretend, die Nase breit und die Augen vollkommen ausdruckslos. »Warum? Wollen Sie ihn umbringen?« »Nicht so schnell«, entgegnete Monk. »Es gibt da einen Polizeisergeant, der sich eine langsame Rache wünscht … getreu dem Gesetz.« »Und Sie würden es ihm sagen, damit er sie ausüben könnte?« »Ja, das würde ich. Wenn ich sicher wäre, den Richtigen gefunden zu haben.« »Ein Kunde von mir hatte eine Vorliebe für ihn gefasst und wollte ein Nein als Antwort nicht akzeptieren. Ich hätte ihn ja selbst grün und blau geschlagen, aber das kann ich mir nicht leisten. Wenn das bekannt wird, bin ich raus aus dem Geschäft und meine Jungs mit mir.« »Name?« »Garson Dalgetty. Vornehmer Fatzke, aber im Grunde ein anständiger Kerl. Warnte mich, er würde mich ruinieren, wenn ich Hand an ihn legte. Und dazu wäre er wahrhaftig fähig!« »Ich danke Ihnen. Ich werde nicht verlauten lassen, woher ich diese Information habe. Aber dafür erwarte ich einen Gefallen von Ihnen.« »Ach? Warum überrascht mich das nicht?« »Weil Sie kein Narr sind.« »Welchen Gefallen?« Monk grinste. »Nichts, was mit Ihrem Gewerbe zu tun hätte! Ich möchte wissen, ob Gilmer Ihnen von jemandem erzählte, der ihm Geld gab, um seine Schulden zu bezahlen, und ich meine als Geschenk und nicht als Bezahlung.« Der Mann wirkte überrascht. »Also wissen Sie davon?« »Ja, der Mann, der es ihm gab, erzählte es mir. Ich frage mich, ob es der Wahrheit entspricht.« »Oh, ja. Er war großzügig, wirklich.« Er rutschte ein wenig in seinem roten Sessel herum. »Ich habe nie gefragt, warum. Aber er zahlte noch, als Gilmer schon bei mir war, hörte erst auf, als er gestorben war.« Abrupt wurde Monk bewusst, was der Mann gesagt hatte. »Fuhr er denn fort, Schulden zu machen?« »Medikamente, Sie verstehen – der arme Kerl. Das konnte ich mir nicht leisten.« »Wer war der Mann?« »Sie sagten doch, Sie wüssten es.« »Ich weiß es. Aber wissen Sie es?« Das hässliche Gesicht des Mannes leuchtete plötzlich mit bitterem Vergnügen. »Erpressung, stimmt’s? Nein, ich weiß es nicht. Gilmer erzählte es mir nicht, und ich fragte nicht danach.« »Wer wusste davon?« »Ach, Gott und Teufel. Woher soll ich das wissen? Nehme nicht an, dass es schwierig wäre, das herauszufinden, wenn Sie sich bemühen. Ich hatte nie das Bedürfnis.« Monk blieb noch eine Weile, dann dankte er dem Mann und verabschiedete sich, wobei er es auf dem Weg nach draußen vermied, einen Blick nach links oder rechts zu werfen. Er hatte bei dem Mann Mitgefühl entdeckt, und er wollte von seinem Gewerbe nichts wissen. Der Mann hatte vollkommen Recht gehabt mit der Behauptung, dass es nicht schwer sein dürfte, die Zahlun- gen zurückzuverfolgen, jetzt, da Monk wusste, dass sie regelmäßig geleistet wurden. Er brauchte den Rest des Tages dazu und benötigte keinerlei Fähigkeiten, außer landläufigem Bankwissen und gesundem Menschenvers- tand. Jeder andere Mensch hätte dasselbe erreichen können. Überdies schrieb er Sergeant Walters eine kurze Depesche, dass der Name des Mannes, den er suchte, Garson Dalgetty sei. Als er Clerkenwell verließ, fragte er sich, warum Alberton nicht hatte verlauten lassen, dass er Gilmer monatlich eine Vergütung von fünf Guineen gewährt hatte. Dies war ein enormer Betrag. Er hatte ihm besseres Essen, genügend Sherry und Laudanum erlaubt, um das schlimmste Elend zu erleichtern, mehr aber auch nicht. Es war ein Akt der Barmherzigkeit, nichts, weswegen man sich hätte schämen müssen, eher im Gegenteil. Aber war es auch so, wie es schien? Er hielt sich nicht damit auf, etwaige Geldgeschenke Casbolts zurückzuverfolgen. Albertons Zuwendungen genügten seinen Zwecken. Wenn es ihm gelang, in der Richtung einen Erpresser ausfindig zu machen, konnte er sich immer noch mit C
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Anonymous
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Philipp Töller
31. März um 17:32 ·
29.03.2016 23:36:39: PHI: Die bewiesene Glückseligkeit. Du willst Freude spüren? Lies.
Ein Professor sagte zu einem Sheikh:
"Wir haben herausgefunden, dass es eine Art von Menschen gibt, die von jeglicher Art von Sucht geschützt werden - ob es eine gewöhnliche Sucht ist oder eine Verhaltenssucht. Keine Sucht der Begierden, keine Spielsucht, Einkaufssucht oder Esssucht.
Wer sind diese Menschen, O Sheikh?
Was denkst du, wer sind diese Menschen?
Laut unseren Studien haben wir herausgefunden, dass diese Menschen einen großen Anteil an Dopamin (Glückshormonen) haben, welche natürlichweise im Gehirn freigesetzt werden und den Anteil der Sucht, die im Gehirn freigesetzt werden übertreffen."
Der Sheikh fragte: "Das Dopamin ist natürlicherweise vorteilhaft, richtig?"
Der Professor antwortete: "Ja, du lebst mit Freude und Vergnügen. Wer sind diese Menschen? Allah hat die Menschen in einer bestimmten Physiologie erschaffen.
Es sind die Menschen, die sich dem Helfen anderer Menschen gewidmet haben."
Der Sheikh sagte: "Die am meisten geliebten Menschen bei Allah sind jene, die anderen am nützlichsten sind."
Der Professor spricht weiter: "Diese Menschen so wie Sheikh Abdurrahman as Sumaiti, der - drei Jahrzehnte (!) - in Afrika verbrachte und 11 Millionen Menschen zum Islam brachte. Abdurrahman as Sumaiti war ein Arzt und er schob sein Auto mit seiner Frau voran, da sie in einem holprigen Land (Afrika) waren.
Seine Frau fragte ihn: "O Abdurrahman, werden wir auch so glücklich in Jannah sein, so wie wir es hier sind?", während sie das Auto voran geschoben haben!
Ja, schaue auf diese Frau und vergleiche sie mit einer Frau in der arabischen Welt.
Vielleicht wäre sie (die Frau in der arab. Welt) gar deprimiert, wenn ihre Freundin eine LV Tasche kauft und sie es nicht kaufen kann."
Der Sheikh sagt: "Ich habe viele Beispiele solcher Geschichten."
Der Professor fährt fort: "Mein Punkt ist.. wenn wir eine Sucht behandeln möchten, dann müssen wir uns durch die Schwierigkeiten durchbrechen. Und wie?
Allah sagt: "Doch er bezwang das Hindernis nicht. Und was lehrt dich wissen, was das Hindernis ist? (Es sind:) das Befreien eines Sklaven (Gefangenen); oder an einem Tage während der Hungersnot das Speisen, einer nahverwandten Waise oder eines Armen, der sich im Staube wälzt." [90:11-16]"
Der Professor sagt weiter: "Durch die Schwierigkeit durchbrechen ist hier (in dem Fall), dass wir uns selbst vergessen und an die anderen Menschen denken (ihnen helfen). Dann wirst du Glückseligkeit, Frieden und Zufriedenheit verspüren. Wahre Glückseligkeit, die nie enden wird."
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5Daffeh Amo, Siham Idrissi und 3 weitere Personen
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Hannah Porat
Hannah Porat The joy of being of service in the Higher Truth.
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Philipp Töller
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Philipp Islam
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Die Kunst allein, weil sie den anderen Manifestationen des menschlichen Geistes voraushat, offensichtlich unnütz zu sein, die Kunst allein verdient ein wenig Interesse, aber sie quält diejenigen, die sie ausüben, mit den schmerzhaftesten Zweifeln und lässt vor ihren Augen das unerreichbare Gespenst der Vollkommenheit aufblitzen, und, weiß Gott, sie flößt ihnen die schimärische Liebe zum Ruhm ein. Und das wunderbare Werk lässt die Herzen einer Generation, manchmal zweier, höher schlagen, dann bedarf es schon einer Anstrengung, es zu verstehen, dann dient es dem Gehirnschwund der Gelehrten, und schießlich zwingen es Schulmeister ihren Schülern als Strafarbeit auf, bis es gänzlich in endgültige Vergessenheit gerät. Nicht weniger vergänglich als die Werke sind auch die Namen: sie bestehen einige Jahrhunderte und verlieren und vermischen sich dann. Erostrates ist mindestens ebenso berühmt wie Phidias, und Cartouche ist schon bekannter als André Chénier. Und diese Verwirrung in der Geschichte der Werke und Verbrechen ist keine Ungerechtigkeit der Nachfolgenden: Sie ist eine große Lektion, die uns zeigt, wie gleichgültig unsere Handlungen sind. Den Parthenon dekorieren oder den Tempel der Diane anzünden, was macht das schon? Das Feuer erlischt, und der Parthenon zerfällt zu Staub. Und was ist schon die Unsterblichkeit? Eine Illusion von Dauer, ein Überleben um einige Jahrhunderte, die nichts zählen, denn in der unendlichen Zeit ist ein Jahrhundert nicht mehr als die flüchtige Sternschnuppe im unendlichen Raum ... Der Künstler kann also nichts von seiner Arbeit erhoffen und wird nur etwas zurückbehalten, wenn sie spontan wie das Aufblühen einer Pflanze ist. Alsdann kann das mühelos in einem Zustand der Begeisterung und des Rauschs geschaffene Kunstwerk verschwinden und verlorengehen: Es hat seinen Zweck erfüllt, sein Erblühen wiegt die Mühen auf, die es gekostet hat ... Doch ich weiß schon vorher, was ich schreiben werde, und noch bevor ich meine Feder zur Hand genommen habe, bin ich dessen müde.
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Édouard Rod
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Ich will mir vorstellen, unter welchen neuen Merkmalen der Despotismus in der Welt auftreten könnte: Ich erblicke eine Menge einander ähnlicher und gleichgestellter Menschen, die sich rastlos im Kreise drehen, um sich kleine und gewöhnliche Vergnügungen zu verschaffen, die ihr Gemüt ausfüllen. Jeder steht in seiner Vereinzelung dem Schicksal aller andern fremd gegenüber: Seine Kinder und seine persönlichen Freunde verkörpern für ihn das ganze Menschengeschlecht; was die übrigen Mitbürger angeht, so steht er neben ihnen, aber er sieht sie nicht; er berührt sie, und er fühlt sie nicht; er ist nur in sich und für sich allein vorhanden, und bleibt ihm noch eine Familie, so kann man zumindest sagen, dass er kein Vaterland mehr hat. Über diesen erhebt sich eine gewaltige bevormundende Macht, die allein dafür sorgt, ihre Genüsse zu sichern und ihr Schicksal zu überwachen. Sie ist unumschränkt, ins Einzelne gehend, regelmäßig, vorsorglich und mild. Sie wäre der väterlichen Gewalt gleich, wenn sie wie diese das Ziel verfolgte, die Menschen auf das reife Alter vorzubereiten; statt dessen aber sucht sie bloß, sie unwiderruflich im Zustand der Kindheit festzuhalten; es ist ihr recht, dass die Bürger sich vergnügen, vorausgesetzt, dass sie nichts anderes im Sinne haben, als sich zu belustigen. Sie arbeitet gerne für deren Wohl; sie will aber dessen alleiniger Betreuer und einziger Richter sein; sie sorgt für ihre Sicherheit, ermisst und sichert ihren Bedarf, erleichtert ihre Vergnügungen, führt ihre wichtigsten Geschäfte, lenkt ihre Industrie, ordnet ihre Erbschaften, teilt ihren Nachlass; könnte sie ihnen nicht auch die Sorge des Nachdenkens und die Mühe des Lebens ganz abnehmen?
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Alexis de Tocqueville (Democracy in America)
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Sage mir selbst, dass ich es übertreibe, dass ich doch pfuschen und es langsam angehen lassen könnte, es spielt ja keine Rolle, niemand würde den Unterschied bemerken, aber es ist etwas Altes, von innen Kommendes, etwas, das mir nicht gehört, das mich weitertreibt, auf den Boden und unter die Maschine, das meine Hände und meinen Willen lenkt, das mich hart arbeiten lässt, härter, als ich es aushalte. Das arbeitet in mir, diese alte Willenskraft, dieses Pflichtgefühl, das ich nicht kenne und das mich antreibt, wo kommt das her? Diese strenge, unhörbare Stimme, der ich gehorche und die mich weiterzwingt, durch die Stahltür, auf den Boden in dem kräftigen Licht, in die Dunkelheit unter der Maschine.
Ich liege unter der Maschine und arbeite unnötig hart, unnötig genau, ich kann es selbst nicht verstehen, es ist eine Seite von mir, die mir bis dahin unbekannt war; dieser Ehrgeiz, diese Genauigkeit, diese Bereitwilligkeit, mich zu verausgaben, restlos zu verausgaben. Im Laufe dieser Monate unter den Maschinen begreife ich, dass ich mich nicht zur Arbeit eigne, oder mich eben allzu gut dazu eigne; ich beschließe, dass ich nie arbeiten werde, dass ich keinen Job will. Ich liege unter der Maschine und folge der Uhr, der großen Uhr über der Tür, es ist drei vor zwölf. Ich krieche unter dem Webstuhl hervor, gehe zu Waschbecken und Spiegel, wasche mir die Hände, und sehe das Gesicht, das mir nicht mehr gehört, es gehört der Arbeit.
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Tomas Espedal (Imot naturen)
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Als Knabe trug ich außer Ruten, Gesträuchen und Blüten, die mich ergötzten, auch noch andere Dinge nach Hause, die mich fast noch mehr freuten, weil sie nicht so schnell Farbe und Bestand verloren wie die Pflanzen, nämlich allerlei Steine und Erddinge. Auf Feldern, an Rainen, auf Haiden und Hutweiden, ja sogar auf Wiesen, auf denen doch nur das hohe Gras steht, liegen die mannigfaltigsten dieser Dinge herum. Da ich nun viel im Freien herum schweifen durfte, konnte es nicht fehlen, daß ich bald die Plätze entdeckte, auf denen die Dinge zu treffen waren, und daß ich die, welche ich fand, mit nach Hause nahm.
Da ist an dem Wege, der von Oberplan nach Hossenreuth führt, ein geräumiges Stück Rasen, welches in die Felder hinein geht und mit einer Mauer aus losen Steinen eingefaßt ist. In diesen Steinen stecken kleine Blättchen, die wie Silber und Diamanten funkeln, und die man mit einem Messer oder mit einer Ahle herausbrechen kann. Wir Kinder hießen diese Blättchen Katzensilber, und hatten eine sehr große Freude an ihnen.
Auf dem Berglein des Altrichters befindet sich ein Stein, der so fein und weich ist, daß man ihn mit einem Messer schneiden kann. Die Bewohner unserer Gegend nennen ihn Taufstein. Ich machte Täfelchen, Würfel, Ringe und Petschafte aus dem Steine, bis mir ein Mann, der Uhren, Barometer und Stammbäume verfertigte und Bilder lackierte, zeigte, daß man den Stein mit einem zarten Firnisse anstreichen müsse, und daß dann die schönsten blauen, grünen und rötlichen Linien zum Vorscheine kämen.
Wenn ich Zeit hatte, legte ich meine Schätze in eine Reihe, betrachtete sie, und hatte mein Vergnügen an ihnen. Besonders hatte die Verwunderung kein Ende, wenn es auf einem Steine so geheimnisvoll glänzte und leuchtete und äugelte, daß man es gar nicht ergründen konnte, woher denn das käme. Freilich war manchmal auch ein Stück Glas darunter, das ich auf den Feldern gefunden hatte, und das in allerlei Regenbogenfarben schimmerte. Wenn sie dann sagten, das sei ja nur ein Glas, und noch dazu ein verwitterndes, wodurch es eben diese schimmernden Farben erhalten habe, so dachte ich: Ei, wenn es auch nur ein Glas ist, so hat es doch die schönen Farben, und es ist zum Staunen, wie es in der kühlen, feuchten Erde diese Farben empfangen konnte, und ich ließ es unter den Steinen liegen.
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Adalbert Stifter
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Er funktionierte. Wenn ich ihn ansah, sah ich eine Zukunft, in der ich langsam, zu langsam ums Leben kommen würde. Nichts funktioniert, hatte ich zurückgegeben. Und dann: Ich kann nicht mehr.
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Milena Michiko Flašar (I Called Him Necktie)
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Die Gründe, sich zu empören, sind heutzutage oft nicht klar auszumachen – die Welt ist zu komplex geworden. Wer befiehlt, wer entscheidet? Es ist nicht immer leicht, zwischen all den Einflüssen zu unterscheiden, denen wir ausgesetzt sind. Wir haben es nicht mehr nur mit einer kleinen Oberschicht zu tun, deren Tun und Treiben wir ohne weiteres verstehen. Die Welt ist groß, wir spüren die Interdependenzen, leben in Kreuz- und Querverbindungen wie noch nie. Um wahrzunehmen, dass es in dieser Welt auch unerträglich zugeht, muss man genau hinsehen, muss man suchen. Ich sage den Jungen: Wenn ihr sucht, werdet ihr finden. „Ohne mich“ ist das Schlimmste, was man sich und der Welt antun kann. Den „Ohne mich“-Typen ist eines der absolut konstitutiven Merkmale des Menschen abhanden gekommen: die Fähigkeit zur Empörung und damit zum Engagement.
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Stéphane Hessel (Indignez-vous !)
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Wenn wir nicht zusammen sind, habe ich das Gefühl, dass ich kaum atme«, flüsterte sie. »Und das heißt, wenn ich dich am Montagmorgen sehe, kommt es mir so vor, als hätte ich in sechzig Stunden nur einmal geatmet. Wahrscheinlich bin ich deswegen so missmutig und schnauze dich an. Wenn wir getrennt sind, denke ich nur an dich, und wenn wir zusammen sind, bin ich nur panisch. Weil mir jede Sekunde so wichtig vorkommt. Und weil ich so außer mir bin, dass ich nicht anders kann. Ich gehöre nicht mal mehr mir, ich gehöre dir, und was wäre, wenn du dich entschließt, dass du mich nicht willst? Du kannst mich gar nicht so sehr wollen wie ich dich.«
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Rainbow Rowell (Eleanor & Park)
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Warum redet Lydia, wenn sie schläft?, frage ich Mutter beim Frühstück. Sie hat so viel Phantasie, dass ihr nachts der Kopf überquillt, antwortet Mutter und streicht Lydia über die Haare. Und was rede ich?, kräht Lydia. Letzte Nacht hast du gesagt: Ich will tanzen, tanzen, tanzen. Will ich ja auch, ruft Lydia. Und sie tanzt so schön, unsere Lydia, sagt Mutter stolz. Ganze Nachmittage bietet Lydia Programm. Mutter starrt dann nicht in die Ferne. Mutter ist dann glücklich. Unsere kleine Künstlerin. Aus der wird mal was Besonderes. Ich kann nicht tanzen. Mein Kopf quillt nicht über. Ich habe keine Phantasie. Ich bin nur gut in der Schule. Lydia könnte Tänzerin werden, sagt Mutter, oder Sängerin. Oder Schauspielerin. Schauspielerin, wie ich. Wieder streicht Mutter Lydia über die Haare. Ja, ruft Lydia, alles auf einmal. Mutter und Schauspielerin? In mir kocht die Wut hoch. Vater sagt, das muss in einem anderen Leben gewesen sein. Ich hatte ein Angebot, schreit Mutter, eine Hauptrolle. Mutter Courage. Und dann wurde ich schwanger. Mit dir! Mutter sieht mich böse an. Du kannst mit mir Theater spielen, ruft Lydia. Dann bist du die Königin, und ich bin die Prinzessin. Mein kleiner Schatz, sagt Mutter und drückt sie an sich. Lydia kichert und zeigt auf mich. Und du bist die Hexe. Da knalle ich ihr eine. Mutter packt mich und schließt mich im Badezimmer ein. Ich sitze auf dem Rand der Wanne. Mutter hält immer zu Lydia. Lydia tanzt und singt und erzählt verrückte Geschichten. Wenn ich eine Geschichte erzähle, wandern Mutters Blicke woanders hin. Ihre Finger klopfen auf den Tisch. Ich gerate durcheinander oder vergesse das Wichtigste. Keiner lacht. Manchmal sagt Lydia, die Geschichte hat aber lange gedauert. Ich starre auf die grünen Fliesen. Ich werde nichts mehr erzählen. Nur meinem Tagebuch. Und das schließe ich ab und trage den Schlüssel an einer Kette um den Hals. Niemand weiß, was ich denke.
Eifersucht unter Geschwistern. Nichts Ungewöhnliches. Wie eine Stichflamme schoss sie in mir hoch. Und verschwand genauso schnell wieder. Wie Mutter nebenan weinte oder mit Vater stritt.
Ich nahm Lydia in die Arme und hoffte, sie würde es nicht hören.
Irgendwann wurde daraus Hass. Und der ist nicht mehr verschwunden.
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Renate Ahrens
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Am vierzehnten Tag schweifen meine hässlichen Gedanken ungewollt komplett ab, bis zu einem Punkt, an dem ich sie nicht mehr kontrollieren kann, als ein älteres Ehepaar an mir vorbeiläuft, Hand in Hand.
Und gottverdammt, ich habe keine Ahnung wieso, aber zum ersten Mal in meinem Leben wünsche ich mir, das zu haben, was sie haben.
Die Frau erzählt ihrem Mann angeregt von ihrem Neffen aus Portugal und dabei entgeht mir nicht, wie er sie ansieht, so als wäre sie seine Welt. Wahrscheinlich würde er in einem Raum ohne Luft und Sauerstoff nicht mal ersticken, weil sie das Einzige ist, was er zum Leben braucht. Ob sie sich noch immer so sehr lieben wie am ersten Tag? Es muss sich echt verdammt gut anfühlen, zu lieben.
Ich wende meinen Blick von den beiden ab und starre stattdessen die leere Verpackung an, die ich gerade gedankenverloren aufgespießt habe.
In meinem Leben habe ich schon viele Dinge gefühlt. Emotionen über Emotionen. Aber Liebe kenne ich nicht, das wird mir in diesem Augenblick klar. Und es tut irgendwie weh zu wissen, dass man auf hunderttausend Arten beschreiben könnte, wie es sich anfühlt, jemanden aus tiefstem Herzen und aus tiefster Seele zu hassen, jedoch keine Ahnung von Liebe hat.
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A. L. Wolf
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Er ist in einer Besprechung mit einem Bauunternehmen. Aber ich bitte ihn, Sie anzurufen, wenn er frei ist.
>>Das geht nicht<<, sagte Wallander. >>Er soll die Sitzung unterbrechen und sofort zurückrufen.<<
Ich werde ihm sagen, dass es dringend ist. Mehr kann ich nicht tun.
>>Sie können ihm noch eins bestellen: Wenn er nicht binnen drei Minuten zurückruft, wird ein Hubschrauber der Stockholmer Polizei auf Ihrem Dach landen.<<
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Henning Mankell
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Ja, verdammt, sie leidet darunter, dass es mir einfach nicht mehr so schlecht geht wie ihr. Nicht mehr schlecht genug, um mich bei ihr auszuweinen. Unsere Freundschaft ist einseitig geworden: Früher hatten wir gemeinsame Themen, gemeinsame Ärgernisse, gemeinsame Feinde – zum Beispiel Männer und ihre Makel. Das war ergiebig, da hatten wir uns Bände zu erzählen, da konnten wir aus dem Vollen schöpfen. Seit Bernhard ist das anders geworden. Ich kann beim besten Willen nichts Schlechtes über ihn sagen. Es hat keinen Sinn, mich künstlich über Lappalien aufzuregen, nur um Mia ein Gefühl der Solidarität vorzutäuschen. Wir befinden uns eben in grundverschiedenen Lebenssituationen. Das ist das Problem zwischen Mia und mir
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Glattauer Daniel
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Ja, verdammt, sie leidet darunter, dass es mir einfach nicht mehr so schlecht geht wie ihr. Nicht mehr schlecht genug, um mich bei ihr auszuweinen. Unsere Freundschaft ist einseitig geworden: Früher hatten wir gemeinsame Themen, gemeinsame Ärgernisse, gemeinsame Feinde – zum Beispiel Männer und ihre Makel. Das war ergiebig, da hatten wir uns Bände zu erzählen, da konnten wir aus dem Vollen schöpfen. Seit Bernhard ist das anders geworden. Ich kann beim besten Willen nichts Schlechtes über ihn sagen. Es hat keinen Sinn, mich künstlich über Lappalien aufzuregen, nur um Mia ein Gefühl der Solidarität vorzutäuschen. Wir befinden uns eben in grundverschiedenen Lebenssituationen. Das ist das Problem zwischen Mia und mir.
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Daniel Glattauer (Gut gegen Nordwind (Gut gegen Nordwind, #1))
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Es war ein fairer Kampf", erläuterte Will. "Bedauerlicherweise war der Wirt der Schenke anderer Meinung. Hat mich einfach rausgeworfen. Jetzt kann ich mich die nächsten vierzehn Tage dort nicht mehr sehen lassen."
"Was das Beste ist, was dir passieren konnte", kommentierte Jem ohne jedes Mitgefühl.
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Cassandra Clare (Clockwork Angel (The Infernal Devices, #1))
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Es geht nicht darum, dass eine Person aus einer Minderheit es schafft, und dann ist alles erreicht. Es geht darum, dass wir die gleichen Träume haben können, sie laut aussprechen können, ohne dass jemand lacht. Lacht, weil er oder sie weiß, dass das ein Traum ist, den man nicht haben kann. Wie bereit wäre diese Gesellschaft für eine Schwarze im Vorstand eines DAX-Konzerns? Für eine Schwarze Kanzlerin? Wir reden oft über gläserne Decken für Frauen. Was ist mit Schwarzen Mädchen? Mit deutsch-türkischen Jungen? Was ist mit uns? Ich habe es lange Zeit nicht einmal gewagt, bestimmte Dinge zu träumen, weil sie mir vermessen vorkamen. Beim Träumen geht es gerade nicht darum, dass etwas realistisch ist. Es geht darum zu träumen, was man sich für sich, für die Welt, für das Umfeld, für die Familie vorstellt. Und wer sich schon im Träumen begrenzen muss, der ist nicht frei oder gleichgestellt.
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Aminata Touré (Wir können mehr sein: Die Macht der Vielfalt)
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Bei allem, was wir in großer Höhe tun, spüren wir eine lähmende Müdigkeit, eine gebremste Lebenskraft in Kopf und Beinen. Die Bewegungen, auch das Denken verlangsamen sich. Trägheit lastet auf unserer Entschlusskraft, als döse unser Wille im Halbschlaf. Es ist nicht Lethargie, was dem Menschen da oben die Kraft und die Sinnesschärfe nimmt, es ist der Mangel an Sauerstoff. Diese Art Dasein aber erlaubte mir früh schon einen Vorgeschmack auf das Altern. Niemand kann sich den Folgen des Sauerstoffmangels entziehen, sowenig wir dem Prozess des Alterns entgehen. Lebenskunst besteht auch darin, dies einzusehen und dieses Altern als Lernprozess zu verstehen, es täglich selbst auszufüllen.
Es sind alternde Sherpas, die mich in ihrem Frieden bestärkt haben, mein Altern anzunehmen. Ihre Stirn in Falten gerunzelt, die Haut um die Augen schlaff, singen sie ihre Sherpa-Lieder. Ohne zu wissen, ob sie am anderen Morgen noch leben. Vor allem in den vielen Monaten, die wir gemeinsam in »eisigen Höhen« zugebracht haben, sind wir geworden, wie wir heute sind. Sogar die Entdeckung, dass die Welt dieselbe wäre, wenn es mich nie gegeben hätte, ist keine Zumutung mehr. Lange habe ich versucht, meine Welt selbst zu lenken, habe Vorbereitungen für die Zukunft getroffen. Ohne daran zu denken, dass die Zeit sich auflöst, ohne zu bemerken, dass auch die Eroberung des Nutzlosen vergänglich ist. Plötzlich sind die letzten Jahre gekommen: Unnützsein und Nichtsein werden eins. Ist es die häufige Vorstellung des Todes, die mir jetzt, mit siebzig, die Angst vor dem Sterben nimmt?
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Reinhold Messner (Über Leben)
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Hey, wie geht's?, fragte sie, umarmte die Mutter und strubbelte dem Jungen durchs Haar. Euch habe ich ja ewig nicht gesehen. Genießt du die Zeit zu Hause? Ich wette, das macht sehr viel Spaß.
Sal arbeitete in der örtlichen Galerie, die die Mutter bis zu ihrer Kündigung geleitet hatte. Es war die richtige Entscheidung gewesen. Auf jeden Fall. Arbeiten zu gehen, während das eigene Kind sich auf dem Linoleumboden einer Tageseinrichtung wälzte, war eine Qual, bloß dass zu Hause zu sein auch eine Qual war, nur eben eine andere.
Sie wollte zu der jungen Frau sagen: Es ist kompliziert. Ich bin jetzt ein Mensch, der ich nie sein wollte, und ich weiß immer noch nicht, wie ich damit zurechtkommen soll. Ich wäre gern zufriedener, stattdessen sitze ich in einem selbst erschaffenen Gefängnis und quäle mich ohne Ende. Manchmal stopfe ich um Mitternacht Kekse mit Feigenfüllung in mich rein, nur um nicht zu weinen. Manchmal habe ich den Eindruck, dass die gesellschaftlichen Normen, die Geschlechterrollen und die stumpfe Biologie mich zu dieser Person gemacht haben, trotzdem kann ich immer noch nicht ganz verstehen, wie es so weit kommen konnte. Ich bin ständig wütend. Eines Tages würde ich gern Kunst produzieren, die meine Kritik am gegenwärtigen System zum Ausdruck bringt, aber mein Gehirn funktioniert nicht mehr wie vor der Geburt des Kindes. Ich bin jetzt wirklich dumm. Ich fürchte, ich werde nie wieder clever, glücklich oder dünn sein. Ich fürchte, ich verwandle mich in einen Hund.
Stattdessen lächelte sie und sagte: Ja, es ist toll. Ich liebe es, Mutter zu sein.
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Rachel Yoder (Nightbitch)
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Was malen Sie?
Nichts.
Nichts?
Ich kann nicht.
Benötigen Sie Farben?
Wir haben das Sehen verloren. Nicht das Sehen. Das Vertrauen in unser Sehen. Vielleicht mehr das Vertrauen in das, was wir sehen. Die Unschuld.
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Stefanie Gerhold (Das Lächeln der Königin: Roman (German Edition))
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Nimm an, du sitzest in einer Hochalpenlandschaft auf einer Bank am Wege. Rings um dich her Grashalden, mit Felsblöcken durchsprengt, am Talhang gegenüber ein Geröllfeld mit niedrigem Erlengestrüpp. Steil geböschtes Waldgebirge zu beiden Seiten des Tals bis hoch hinauf an die baumlosen Almmatten; und vor dir vom Talgrund aufsteigend der gewaltige firngekrönte Hochgipfel, dessen weiche Schneelenden und scharfkantige Felsgrate jetzt eben der letzte Strahl der scheidenden Sonne in zartestes Rosenrot taucht, wundervoll abgehoben von dem durchsichtig klaren, blaßblauen Firmament.
All das, was dein Auge sieht, ist - nach der bei uns gewöhnlichen Auffassung - mit geringen Veränderungen Jahrtausende lang v o r dir dagewesen. Über ein Weilchen — nicht lange — wirst du nicht mehr sein, und Wald, Fels und Himmel werden Jahrtausende n a c h dir noch unverändert dastehen.
Was ist's, das dich so plötzlich aus dem Nichts hervorgerufen, um dieses Schauspiel, das deiner nicht achtet, ein Weilchen zu genießen? Alle Bedingungen für dein Sein sind fast so alt wie der Fels. Jahrtausende lang haben Männer gestrebt, gelitten und gezeugt, haben Weiber unter Schmerzen geboren. Vor hundert Jahren vielleicht saß ein anderer an dieser Stelle, blickte gleich dir, Andacht und Wehmut im Herzen, auf zu den verglühenden Firnen. Er war vom Mann gezeugt, vom Weib geboren gleich dir. Er fühlte Schmerz und kurze Freude wie du. W a r es ein anderer? Warst du es nicht selbst? Was ist dies dein Selbst? Welche Bedingung mußte hinzutreten, damit dies Erzeugte du wurdest, gerade du, und nicht — ein anderer? Welchen klar faßbaren, n a t u r w i s s e n s c h a f t l i c h e n Sinn soll denn dieses „ein anderer“ eigentlich haben? Hätte sie, die jetzt deine Mutter ist, einem anderen beigewohnt und mit ihm einen Sohn gezeugt, und dein Vater desgleichen, wärest d u geworden? Oder lebtest du in ihnen, in deines Vaters Vater... schon seit Jahrtausenden? Und wenn auch dies, warum bist du nicht dein Bruder, dein Bruder nicht du, warum nicht einer deiner entfernten Vettern? Was läßt dich einen so eigensinnigen Unterschied entdecken — den Unterschied zwischen dir und einem anderen —, wo objektiv d a s s e l b e vorliegt?
Unter solchem Anschaun und Denken kann es geschehn, daß urplötzlich die tiefe Berechtigung jener vedântischen Grundüberzeugung aufleuchtet: unmöglich kann die Einheit, dieses Erkennen, Fühlen und Wollen, das du das d e i n e nennst, vor nicht allzulanger Zeit in einem angebbaren Augenblick aus dem Nichts entsprungen sein; vielmehr ist dieses Erkennen, Fühlen und Wollen wesentlich ewig und unveränderlich und ist numerisch nur e i n e s in allen Menschen, ja in allen fühlenden Wesen. Aber auch nicht s o, daß du ein Teil, ein Stück bist von einem ewigen, unendlichen Wesen, eine Seite, eine Modifikation davon, wie es der Pantheismus des Spinoza will. Denn das bliebe dieselbe Unbegreiflichkeit: Welcher Teil, welche Seite bist gerade d u, was unterscheidet, objektiv, sie von den anderen? Nein, sondern so unbegreiflich es der gemeinen Vernunft scheint: du — und ebenso jedes andere bewußte Wesen für sich genommen — bist alles in allem. Darum ist dieses dein Leben, das du lebst, auch nicht ein Stück nur des Weltgeschehens, sondern in einem bestimmten Sinn das g a n z e. Nur ist dieses Ganze nicht so beschaffen, daß es sich mit e i n e m Blick überschauen läßt. — Das ist es bekanntlich, was die Brahmanen ausdrücken mit der heiligen, mystischen und doch eigentlich so einfachen und klaren Formel Tat twam asi (das bist du). — Oder auch mit Worten wie: Ich bin im Osten und im Westen, bin unten und bin oben, i c h b i n d i e s e g a n z e W e l t.
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Erwin Schrödinger (My Life, My Worldview)
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Aber du bedeutest mir mehr als dieses Buch, und ich kann nicht einfach hierbleiben und zusehen, wie du den Mann küsst, der dir deine Unschuld geraubt hat.
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Erin Bartels (The Girl Who Could Breathe Under Water)
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Als ich durch ihren Bruder von Ihnen hörte, schoss mir sofort und merkwürdig klar die Strophe von der "Cinderella der Nacht" aus diesem Song in den Kopf. Mag sein, dass ich mich dadurch auf dieses Bild fixiert habe, aber als ich Sie heute sah, habe ich verstanden, warum: Sie sind hoffnungslos hungrig und einsam. Schon vor Ihrem Sturz auf den Kopf haben Sie doch sicher viele enge Verwandte verloren, nicht wahr? Als Nächstes wären wahrscheinlich Sie an der Reihe gewesen, Ihre Erbanlagen begünstigen jedenfalls einen frühen Tod.(...) Aber es liegt Ihnen noch etwas andere im Blut, ein Joker gewissermaßen, der im brenzligen Augenblick dafür gesorgt hat, dass Sie weiterleben.(...) Ihr Leben nach dem Sturz auf den Kopf ist ein unbeschriebenes Blatt, eine Zugabe, ein unerwartetes Geschenk. Es hat kein Drehbuch, keinen Plan, und im Grunde wissen Sie das auch, denn Sie achten peinlichst genau darauf, dass es sich niemals traurig und leer anfühlt. Sie sind extrem einsam. Ihr Geliebter hat einen ziemlich klugen Kopf und ist ein guter Mensch. Er hat sich Ihrer Einsamkeit bis zu einer schon relativ dichten Umlaufbahn nähern können aber auch er kann für das Chaos in Ihrem Innern nicht mehr sein als ein Trost. In wahre Verzweiflung zu geraten ist ein leichtes für Sie, und Sie legen derzeit alles daran, dass es nicht so weit kommt. Sie sind schon einmal gestorben. Die Knospen und Früchte, die Ihr voriges Leben für Sie bereitgehalten hatte, gibt es nicht mehr alles hat sich geändert. Sie wachen doch bestimmt manchmal mitten in der Nacht auf und wissen nicht, wer Sie sind, nicht wahr? Das macht Sie aus. Dieser äußerst zerbrechliche Zustand. Begegnungen, Abschiede, ganz gleich. Sie lassen alles vorübergehen, Sie können nur zusehen. Sie können nur umherirren, Ihr ganzes Leben lang. Vielleicht sogar noch über Ihren Tod hinaus. Und damit Sie sich dessen ja nicht bewusst werden, tobt ein erbitterter Kampf in Ihrem Innern, immense Verwirrung, Chaos."
"Mich?", sagte ich. "Aber einsam sind wir doch alle, und Leute, die sich selbst für etwas Besonderes halten, brauchen immer ihr Publikum und..." - die verschwommene Gestalt von Mayu zog an meinem inneren Auge vorbei, während ich das sagte -"das ist nicht meine Art zu leben, das will ich nicht."
- "Es ist auch nicht die Willenskraft, die Ihnen hilft, die Sie stützt, es ist etwas anderes, etwas, das in genau dieser Denkweise liegt. Etwas Schönes. Vergleichbar mit dem ersten Lächeln eines Babys oder dem Ausdruck eines Menschen im Moment des Anhebens einer extrem schweren Last oder dem Geruch von Brot, wenn man gerade wahnsinnigen Hunger hat - so etwas Ähnliches.(...) Ihr Lachen ist schön. Es verströmt Hoffnung.
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Banana Yoshimoto (Amrita)
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Der persische Dichter Saadi ein großer Lebenskünstler, sagte: „Welchen Wert hat die Vernunft, wenn sie mich nicht rettet, bevor ich etwas sage!“ Das zeigt uns, dass wir Fehler machen können, wenn wir keine Kontrolle über unsere Worte haben, wie weise wir auch sein mögen. Für diese Wahrheit können wir leicht Beispiele finden; diejenigen, die viel reden, haben weniger Macht als jene, die wenig sprechen. Denn geschwätzige Menschen sind nicht fähig, eine Idee in tausend Worten auszudrücken, die Meister der Stille in nur einem Wort vermitteln können. Alle können sprechen, aber nicht alle Worte haben dieselbe Kraft. Überdies sagen Worte viel weniger, als Stille auszudrücken vermag. Die Basis eines harmonischen Lebens ist Stille.
[…]
Die Essenz der Religion ist Verständnis. Und diese Religion können wir nicht leben, ohne Macht über unsere Worte zu haben, ohne die Macht der Stille zu realisieren. Es gibt so viele Gelegenheiten, bei denen wir bereuen, unsere Freunde verletzt zu haben, und die wir hätten vermeiden können, wenn wir unsere Sprache unter Kontrolle gehabt hätten. Schweigen ist das Schild der Unwissenden und der Schutz der Weisen. Denn die Unwissenden zeigen ihre Unwissenheit nicht, wenn sie schweigen, und die Weisen werfen keine Perlen vor die Säue, wenn sie den Wert der Stille kennen. Was gibt uns Macht über die Worte? Was erzeugt die Kraft, die durch Stille erlangt werden kann? Die Antwort ist: Es ist die Willenskraft, die uns Macht über unsere Worte verleiht; es ist Ruhe, die uns die Kraft der Stille verleiht. Ruhelosigkeit lässt uns zu viel reden. Je mehr Worte wir brauchen, um eine Idee auszudrücken, umso kraftloser wird sie. Wie schade, dass die Menschen so oft daran denken, ihr Geld zu sparen, und nie daran denken, Worte zu sparen. Das ist, als würde man Kieselsteine aufheben und die Perlen wegwerfen. Ein indischer Dichter sagt: „Perlenmuschel, was gibt dir deinen wertvollen Inhalt?“ - „Die Stille, meine Lippen waren jahrelang geschlossen.“ zunächst bedeutet Stille, mit sich selbst zu kämpfen, einen Impuls zu kontrollieren, aber dann wird genau das zu einer Macht. (S. 210 - 211)
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Hazrat Inayat Khan (Heilung aus der Tiefe der Seele: Mystik und geistige Heilung)
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Ich will nur einmal so verliebt sein, dass ich mich nicht mehr daran erinnern kann, warum ich mich überhaupt auf sie eingelassen habe.
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Laura Chouette
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Du schriebst mir in Deinem letzten Brief von der Frau Reiher, daß ich dieselbe vom Bahnhof abholen sollte etc. Das ist mir sehr unangenehm, erstens kenne ich sie gar nicht, zweitens wird mit demselben Zuge Heinrich ankommen, drittens kennst du ja meine Bockbeinigkeit, Unbeholfenheit, Steifheit und was der schönen gesellschaftlichen Tugenden mehr sind selbst. Dann fürchte ich auch von ihr bei Präsedin's eingeführt zu werden. Ich kann Dir versichern, daß ich keine, gar keine Zeit zu Visiten habe, und zweitens wüßte ich gar nicht, warum ich die Leute belästigen sollte. Gott im Himmel mir grauts schon davor. Ich bitte Dich also recht herzlich darum, der Frau Reiher das alles gleich zu sagen, denn ich habe wirklich keine Zeit dazu.
Max Klinger (17) an die Mutter
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Angela Hopf, Andreas Hopf (Geliebte Eltern. Kinderbriefe aus sechs Jahrhunderten)
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Sie haben uns vorgeworfen, dass wir eomtional nicht mit dem technischen Frotschritt mithalten können. Wir stehen kurz davor, mit Lichtgeschwindigkeit zu reisen und haben so viele andere Dinge entwickelt, die sich unsere Vorfahren nie träumen ließen, haben aber nicht gelernt, wie wir den Hass in unseren Herzen besiegen können. Noch lösen wir Probleme dadurch, dass wir einander mit Steinen bewerfen. Was soll ich dagegenhalten? Wie kann ich die Ausgaben der Morgenzeitungen herunterladen, über die schlimmen Ereignisse lesen, die überall in der Welt geschehen und meinen Kindern gegenüber behaupten, sie hätten Unrecht und wir hätten inzwischen gelernt, anders mit unseren Aggressionen umzugehen? [...] Als Kind wird einem eingetrichtert, dass die Eltern immer recht haben, dass man von ihnen lernen und das Erlernte an seine eigenen Kinder weitergeben sollte. Es ist ein seltsames Gefühl, zu erkennen, dass die Welt nicht mehr so funktioniert, wie man es gewöhnt war.
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Peter James (Perfect People)
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Du hast mich nie wirklich geliebt", sagte er.
"Doch", widersprach ich ihm. "Du sprichst hier von dir."
"Was meinst du?"
"Wem das Gefühl für sich selbst fehlt, erstickt am Ende auch das Gefühl des Anderen, vor allem wenn es nicht genug war. Ich kann mich nicht mehr für dich entscheiden, da sich mein Herz schon vorher gegen dich entschieden hat.
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Dahi Tamara Koch (Wanderherzen)
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Warum die Zitronen sauer sind
Ich muss das wirklich mal betonen:
Ganz früher waren die Zitronen
(ich weiß nur nicht genau mehr wann dies
gewesen ist) so süß wie Kandis.
Bis sie einst sprachen: „Wir Zitronen,
wir wollen groß sein wie Melonen!
Auch finden wir das Gelb abscheulich,
wir wollen rot sein oder bläulich!“
Gott hörte oben die Beschwerden
und sagte: „Daraus kann nichts werden!
Ihr müsst so bleiben! Ich bedauer!“
Da wurden die Zitronen sauer . . .
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Heinz Erhardt
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Also ich hab da so ne Theorie... So ne Art Vergleich. Dass das Leben wie eine Metrolinie ist... wie... Gleise. Und zwischendurch gibt es Weichen, die dich auf ein anderes Gleis führen. Und es gibt nicht nur eine Endstation, sondern mehrere. Manche wollen einfach nur von hier nach da, mehr nicht. Andere wollen ins Depot, um sich auszuruhen. Und wieder andere wechseln über geheime Verbindungsgänge auf eine andere Linie. Will sagen... Natürlich kann immer was passieren. Aber! Jeder hat nur einen Zielpunkt! Seinen eigenen! Und man muss eben einfach die Weichen immer schön richtig stellen, damit man seinen Zielpunkt erreicht!
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Dmitry Glukhovsky (Metro 2035 (Metro, #3))
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Ich kann nicht länger schweigend zuhören. Ich muss durch die Mittel mit Ihnen sprechen, die mir zur Verfügung stehen. Sie durchbohren meine Seele. Ich schwanke zwischen Qual und Hoffnung. Sagen Sie nicht, dass ich zu spät komme, dass diese kostbaren Gefühle für immer verloren sind. Ich biete Ihnen noch einmal meine Hand, mit einem Herzen, das noch mehr das Ihre ist als vor achteinhalb Jahren, als Sie es fast gebrochen hätten. Wie können Sie sagen, dass Männer schneller vergessen als Frauen, dass ihre Liebe früher stirbt. Ich habe nie eine andere geliebt als Sie. Ungerecht war ich vielleicht, schwach und verbittert war ich bestimmt, aber niemals unbeständig. Sie allein haben mich nach Bath gelockt. Für Sie allein denke und plane ich. Haben Sie das nicht bemerkt? Können Ihnen meine Wünsche entgangen sein? Ich hätte nicht die letzen zehn Tage abgewartet, hätte ich Ihre Gefühle verstanden, so wie Sie meine durchschaut haben müssen. Sie senken Ihre Stimme, aber ich kann die Laute dieser Stimme unterscheiden, wenn andere sie nicht einmal hören würden. Unvergleichlich gutes, unvergleichlich edles Geschöpf! Sie lassen uns wirklich Gerechtigkeit widerfahren. Sie glauben, dass es wahre Zuneigung und Beständigkeit unter den Männern gibt. Seien Sie versichert, dass sie glühend und unerschütterlich ist bei Ihrem F. W. Ich muss gehen - im Ungewissen über mein Schicksal. Aber ich werde hierher zurückkehren oder Ihrer Gesellschaft so bald wie möglich folgen. Ein Wort, ein Blick von Ihnen wird darüber entscheiden, ob ich das Haus Ihres Vaters heute Abend oder nie wieder betrete.
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Jane Austen
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Also, du bist nicht verrückt und ich bin auch kein Traum oder so was Ähnliches. Du hörst mich, und du verstehst mich, und es gibt nicht mehr viele Menschen von deiner Sorte. Ehrlich gesagt, sieht es ganz danach aus, als wärst du die Letzte, die das kann. War wohl irgendwann bei euch nicht mehr so populär, mit Pflanzen zu sprechen.
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Tommy Krappweis (Mara und der Feuerbringer (Mara und der Feuerbringer, #1))
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was hältst du von den neuen philosophen?
nichts. ich glaube das in ihrem denken nichts drin ist und dafür sehe ich zwei mögliche gründe: ersten hantieren sie mit grossen begriffen (hohle zähne) DAS GESETZ DIE MACHT DER HERR DIE WELT
DIE REBELLION DER GLAUBE und so weiter. sie können so komische mischungen herstellen (summarische dualismen) DAS GESETZ UND DER REBELL DIE MACHT UND DER ENGEL. und parallel: je schwächer der
gedankliche inhalt ist, dest mehr bedeutung gesteht sich der denker (das aussagesubjekt) zu in anbetracht der leeren aussagen ("ich, scharfsinnig und mutig, sage ihnen... als soldat christi... als einer der verlorenen generation...wir, die wir mai 68 gemacht haben...wir, die wir uns nicht nochmal täuschen lassen")
Mit diesen beiden Aussagen zerstören sie die arbeit. denn schon seit längerem versuchen leute von allen möglichen gebieten, diese gefahren zu vermeiden. [...]
es gibt mehrere sehr verschiedene problem, zunächst hat man sich in frankreich lange an die literarischen moden gewisser schulen gehalte. das ist schon das schreckliche, eine schule: es gibt dort
immer einen papst, manifeste, erklärungen vom typ "ich bin die avantgarde", exkommunikationen, tribunal, politische kehrtwendungen etc. im allgemeinen ist man umso mehr im recht, wenn man sein leben
damit zugebracht hat, sich zu täuschen, weil dann kann man immer sagen: "ich bin da durchgegangen" deshalb können nur die stalinisten antistalinistische lektionen erteilen.[...]
aus marketing perspektive muss jedes buch oder produkt mehrere versionen haben um jedem zu gefallen, eine fromme version, eine atheistische, eine heideggerianische, eine linke, eine zentristische, vllt sogar eine chiracistische oder neofaschistische, eine nuancierte volksfront version auch. daher die bedeutung der rollenverteilung je nach geschmack:
CLAVEL hat was von dr mabuse eine art evangelischer mabuse JAMBET UND LARDREAU sind seine gehilfen BENOIST ist das streitpferd LEVY ist mal impressario mal scriptgirlmal der fröhliche animateur mal
der dj FABRE-LUCE macht sich zum schüler glucksmanns JULIEN BENDA wird wieder aufgelegt wegen der tugend des intellektuellen. was für eine komische zusammenkunft.
es kam zu einer homogenisierung der beiden tendenzen, die gegen die linke gerichtet war aber seit den ersten büchern immer vom selben thema ausging, der hass auf 68. es ging drum wer am besten auf mai 68 spuckte. diesem hass gemäss haben sie ihr aussagesubjekt konstituiert: "wir die wir mai 68 gemacht haben können euch sagen daß das dumm war und dass wir das nicht mehr machen werden" einen
groll auf 68, mehr haben sie nicht zu verkaufen. [...] darüber wird alles gebrochen: marxismus maoismus sozialismus etc nicht weil die realen kämpfe neue feinde probleme oder mittel auftauchen lassen sondern weil die revolution für unmachbar erklärt werden muss, kategorisch und für immer. deshalb hat man alle begriffe die zuerst sehr differenziert funktionierten (die mächte die widerstände die wünsche die plebs sogar) aufs neue wiedervereinigt in der langweiligen einheit der macht, des gesetzes, des staates [check ich auch nicht tbh die stelle]. deshalb tritt auch das denkende subjekt wieder auf die bühne , denn die einzige möglichkeit zur revolution ist für die neuen philosophen der reine akt des denkers, der sie als unmöglich denkt.
was mich ankotzt ist sehr einfach: die neuen philosophen machen eine martyrologie, der gulag und die opfer der geschichte. sie leben von kadavern. sie haben die zeugenfunktion entdeckt.
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Gilles Deleuze
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Ich werde mich nicht mit Sätzen wie „Mehr Freiheit“ abfinden. Ich bin kein Liberaler - zumindest nicht in dem Sinne, dass sich die Menschen zusammensetzen und über die Angelegenheit abstimmen müssen. Man trägt die Freiheit in sich selbst; ein Mann mit einem guten Verstand wird sein Potenzial in jedem Regime erkennen. Sobald sein guter Verstand erkannt ist, wird er überall vorankommen und jede Grenze überschreiten. Er geht nicht durch die Regime, sie gehen durch ihn hindurch und hinterlassen kaum Spuren. Er kann ohne sie auskommen, aber sie können nicht ohne ihn auskommen.
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Ernst Jünger (Aladdin's Problem)
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Die Menschen essen jeden Tag, kacken und pissen, ihre Haare wachsen, in Wirklichkeit könnten sie gar nicht stillstehen, auf keinen Fall, sie können nur im Hier und Jetzt leben, dafür sind sie geschaffen, aber aus irgendeinem Grund denken sie ständig an Vergangenes oder machen sich Sorgen um Zukünftiges. Das kommt mir so komisch vor, und je mehr ich darüber nachdenke, desto mehr bin ich davon überzeugt, dass es nur einen Weg gibt, diese Gedanken rauszulassen, nämlich Geschichten zu schreiben. Ich glaube, indem ich allerlei Sachen über verschiedene Leute aufschreibe, kann ich mir allmählich immer klarer über das werden, was ich selber fühle.
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Banana Yoshimoto (Amrita)
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Wer sich darüber definiert, was er sich leisten kann, statt zu überlegen, was er wirklich für Glück und Erfüllung braucht, der lebt nicht nur über seine Verhältnisse und übernimmt sich finanziell, der lebt auch eine Lüge. Darum fühlt sich ein großer HaufenRechnungen wie eine schreckliche Bürde an – weil man unaufrichtig zu sich selbst ist. Wer seine Schulden loswird, schafft Freiraum für sinnvolle Ausgaben, für Dinge, die dem Leben mehr Bedeutung verleihen.
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Oprah Winfrey (Was ich vom Leben gelernt habe)