Ein Wenig Leben Quotes

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Ich dachte, ein neues Leben wÀre leichter, aber es wurde nie leichter. Es ist ganz gleich, ob wir Apotheker oder Tischler oder Schriftsteller sind. Die Regeln sind immer ein wenig anders, aber die Fremdheit bleibt und die Einsamkeit und alles andere auch.
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Ferdinand von Schirach (Strafe)
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Ich fragte mich, wie es weitergehen wĂŒrde, und war beĂ€ngstigt, aber auch fasziniert von der Antwort, dass ich es einfach nicht wusste. Ich wusste nur, dass ich das ganze letzte Jahr ziemlich nah am Abgrund gewesen war. Doch es gibt Fehler, die notwendig sind. Manchmal muss man ein kleines bisschen sterben, um wieder ein wenig mehr zu leben.
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Benedict Wells (Spinner)
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Das heiße Wetter lockt Schlangen und Sklavenhalter gleichermaßen hervor und ich kann die eine Gattung von giftigen Kreaturen so wenig leiden wie die andere.
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Harriet Ann Jacobs (Erlebnisse aus dem Leben eines SklavenmĂ€dchens (UngekĂŒrzte Gesamtausgabe) (German Edition))
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Du betrachtest das, was mit uns geschieht, ein wenig wie eine Krankheit. Wenn es eine ist, dann will ich nicht gesund werden. Der Gedanke, dass es Dich irgendwo gibt, und dass du manchmal an mich denkst, hilft mir zu leben.
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BenoĂźte Groult (Zout op mijn huid)
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Der freie Mensch denkt ĂŒber nichts weniger nach als ĂŒber den Tod: seine Weisheit ist nicht ein Nachsinnen ĂŒber den Tod, sondern ĂŒber das Leben.
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Baruch Spinoza (Ethics)
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Ich wusste nur, dass ich ds ganze letzte Jahr ziemlich nah am Abgrund gewesen war. Doch es gibt Fehler, die notwendig sind. Manchmal muss man ein kleines bisschen sterben, um wieder ein wenig mehr zu leben.
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Benedict Wells (Spinner)
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Berge sollte man mit möglichst wenig Anstrengung und ohne Ehrgeiz ersteigen. Unsere eigene Natur sollte das Tempo bestimmen. Wenn man unruhig wird, geht man schneller. Wenn man zu keuchen anfĂ€ngt, geht man langsamer. Man steigt auf den Berg in einem Zustand, in dem sich Rastlosigkeit und Erschöpfung die Waage halten. Dann, wenn man nicht mehr in Gedanken vorauseilt, ist jeder Schritt nicht mehr bloß ein Mittel zum Zweck, sondern ein einmaliges Ereignis. Dieses Blatt ist gezĂ€hnt. Dieser Felsen scheint locker. Von dieser Stelle aus ist der Schnee nicht mehr so gut zu sehen, obwohl man ihm schon nĂ€her ist. Das sind Dinge, die man ohnehin wahrnehmen sollte. Nur auf irgendein zukĂŒnftiges Ziel hin zu leben ist seicht. Die Flanken des Berges sind es, auf denen Leben gedeiht, nicht der Gipfel. Hier wĂ€chst etwas.
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Robert M. Pirsig (Zen and the Art of Motorcycle Maintenance: An Inquiry Into Values (Phaedrus, #1))
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Da taeuscht du dich. Hier liegen die Erinnerungen Hunderter von Menschen, ihre Leben, GefĂŒhle, Illusionen, ihre Abwesenheit, die Traeume, die sie nie verwirklichen konnten, die Enttaeuschungen, Irrtuemer und unerwiderten Lieben, die ihnen das Leben vergiftet haben. All das ist hier - auf immer festgehalten." Ich schaute sie neugierig und ein wenig befangen an, ich wusste nicht genau, wovon sie eigentlich sprach. FĂŒr sie war es jedenfalls wichtig. "Man kann vom Leben nichts verstehen, solange man den Tod nicht versteht", sagte sie.
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Carlos Ruiz ZafĂłn (Marina)
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Wenn das Leben eine Illusion ist, dann bin ich es nicht weniger, und somit ist die Illusion fĂŒr mich Wirklichkeit.
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Robert E. Howard (The Coming of Conan the Cimmerian (Conan the Cimmerian, #1))
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Ich wĂŒrde meinem Freund so gerne ein wenig beim Leben zusehen, aber ich bin immer so nah bei ihm, dass ich ihn gar nicht mehr sehen kann.
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Sarah Kuttner (Wachstumsschmerz)
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„Der Propagandaminister -- Herr ĂŒber das geistige Leben eines Millionenvolkes -- humpelte behende durch die glĂ€nzende Menge, die sich vor ihm verneigte. Eine eisige Luft schien zu wehen, wo er vorbeiging. Es war, als sei eine böse, gefĂ€hrliche, einsame und grausame Gottheit herniedergestiegen in den ordinĂ€ren Trubel genusssĂŒchtiger, feiger und erbĂ€rmlicher Sterblicher. Einige Sekunden lang war die ganze Gesellschaft wie gelĂ€hmt vor Entsetzen. Die Tanzenden erstarrten mitten in ihrer anmutigen Pose, und ihr scheuer Blick hing, zugleich demĂŒtig und hassvoll, an dem gefĂŒrchteten Zwerg. Der versuchte durch ein charmantes LĂ€cheln, welches seinen mageren, scharfen Mund bis zu den Ohren hinaufzerrte, die schauerliche Wirkung, die von ihm ausging, ein wenig zu mildern; er gab sich MĂŒhe, zu bezaubern, zu versöhnen und seine tief liegenden, schlauen Augen freundlich blicken zu lassen. Seinen Klumpfuß graziös hinter sich her ziehend, eilte er gewandt durch den Festsaal und zeigte dieser Gesellschaft von zweitausend Sklaven, MitlĂ€ufern, BetrĂŒgern, Betrogenen und Narren sein falsches, bedeutendes Raubvogelprofil.
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Klaus Mann (Mephisto)
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Die grĂ¶ĂŸte Gnade auf dieser Welt ist, so scheint es mir, das Nichtvermögen des menschlichen Geistes, all ihre inneren Geschehnisse miteinander in Verbindung zu bringen. Wir leben auf einem friedlichen Eiland des Ungewissens inmitten schwarzer Meere der Unendlichkeit, und es ist uns nicht bestimmt, diese weit zu bereisen. Die Wissenschaften - deren jede in eine eigene Richtung zielt - haben uns bis jetzt wenig gekĂŒmmert; aber eines Tages wird das ZusammenfĂŒgen der einzelnen Erkenntnisse so erschreckende Aspekte der Wirklichkeit eröffnen, dass wir durch diese EnthĂŒllung entweder dem Wahnsinn verfallen oder uns aus dem tödlichen Licht in den Frieden und die Sicherheit eines neuen, dunklen Zeitalters fliehen werden.
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H.P. Lovecraft (Cthulhu Geistergeschichten)
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Es war einmal ein Mensch, der wurde geboren, lebte, und aus dem einen oder anderen Grunde starb er schließlich. Bitte schön. Die Einzelheiten möge man aus der eigenen Anschauung ergĂ€nzen. So wenig originell wie nur je eine Geschichte, so einzigartig wie nur je ein Leben.
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Neil Gaiman (American Gods)
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Die Welt, wie sie sein sollte. Vollkommen und sinnhaft auch im Schmerz, in der Tragödie. Danach hatte er gestrebt: Er hatte dem Leben einen Sinn verleihen und es weniger zufĂ€llig machen wollen. Denn die Vollkommenheit bestand nicht darin, Erfolg zu haben, etwas zu schaffen oder einen Traum wahr zu machen, sondern in der Sinnhaftigkeit. So hatten in seiner Geschichte auch die Bösen ihren Sinn gefunden. Und jedes Leben war mit den Anderen verwoben wie die FĂ€den eines Spinnennetzes, die sich alle miteinander zu einem ĂŒbergeordneten Ganzen verbanden.
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Luca die Fulvio
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Ich bin ein TrĂ€umer: ich habe so wenig vom wirklichen Leben, und Augenblicke, wie die eben erlebten, sind fĂŒr mich etwas so Seltenes, daß ich sie in meinen TrĂ€umen und Gedanken immer von neuem durchkosten muß. Ich werde diese ganze Nacht an Sie denken, eine ganze Woche, ein ganzes Jahr.
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Fjodor Dostojewski (Weiße NĂ€chte)
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Wenn ich heute an die Frau denke, die ich einmal war, die Frau mit dem kleinen Doppelkinn, die sich sehr bemĂŒhte, jĂŒnger auszusehen, als sie war, empfinde ich wenig Sympathie fĂŒr sie. Ich möchte aber nicht zu hart ĂŒber sie urteilen. Sie hatte ja nie eine Möglichkeit, ihr Leben bewußt zu gestalten.
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Marlen Haushofer (The Wall)
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Im Grunde wissen in den Jahren der Lebensmitte wenig Menschen mehr, wie sie eigentlich zu sich selbst gekommen sind, zu ihren VergnĂŒgungen, ihrer Weltanschauung, ihrer Frau, ihrem Charakter, Beruf und ihren Erfolgen, aber sie haben das GefĂŒhl, daß sich nun nicht mehr viel Ă€ndern kann. Es ließe sich sogar behaupten, daß sie betrogen worden seien, denn man kann nirgends einen zureichenden Grund dafĂŒr entdecken, daß alles gerade so kam, wie es gekommen ist; es hĂ€tte auch anders kommen können; die Ereignisse sind ja zum wenigsten von ihnen selbst ausgegangen, meistens hingen sie von allerhand UmstĂ€nden ab, von der Laune, dem Leben, dem Tod ganz anderer Menschen, und sind gleichsam bloß im gegebenen Zeitpunkt auf sie zugeeilt. So lag in der Jugend das Leben noch wie ein unerschöpflicher Morgen vor ihnen, nach allen Seiten voll von Möglichkeiten und Nichts, und schon am Mittag ist mit einemmal etwas da, das beanspruchen darf, nun ihr Leben zu sein, und das ist im ganzen doch so ĂŒberraschend, wie wenn eines Tags plötzlich ein Mensch dasitzt, mit dem man zwanzig Jahre lang korrespondiert hat, ohne ihn zu kennen, und man hat ihn sich ganz anders vorgestellt. Noch viel sonderbarer aber ist es, daß die meisten Menschen das gar nicht bemerken; sie adoptieren den Mann, der zu ihnen gekommen ist, dessen Leben sich in sie eingelebt hat, seine Erlebnisse erscheinen ihnen jetzt als der Ausdruck ihrer Eigenschaften, und sein Schicksal ist ihr Verdienst oder UnglĂŒck.
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Robert Musil
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Der gute Kampf ist der, den wir im Namen unserer TrĂ€ume fĂŒhren. Wenn sie mit aller Macht in unserer Jugend aufflammen, haben wir zwar viel Mut, doch wir haben noch nicht zu kĂ€mpfen gelernt. Wenn wir aber unter vielen MĂŒhen zu kĂ€mpfen gelernt haben, hat uns der Kampfesmut verlassen. Deshalb wenden wir uns gegen uns selber und werden zu unseren schlimmsten Feinden. Wir sagen, dass unsere TrĂ€ume Kindereien, zu schwierig zu verwirklichen seien oder nur daher rĂŒhrten, dass wir von den RealitĂ€ten des Lebens keine Ahnung hĂ€tten. Wir töten unsere TrĂ€ume, weil wir Angst davor haben, den guten Kampf aufzunehmen. [...] Das erste Symptom, dass wir unsere TrĂ€ume töten, ist, dass wir nie Zeit haben. Die meistbeschĂ€ftigen Menschen, die ich in meinem Leben kennengelernt habe, waren zugleich auch die, die immer fĂŒr alles Zeit hatten. Diejenigen, die nichts taten, waren immer mĂŒde, bemerkten nicht, wie wenig sie schafften, und beklagten sich stĂ€ndig darĂŒber, dass der Tag zu kurz sei. In Wahrheit hatten sie Angst davor, den guten Kampf zu kĂ€mpfen. Das zweite Symptom dafĂŒr, dass unsere TrĂ€ume tot sind, sind unsere Gewissheiten. Weil wir das Leben nicht als ein grosses Abenteuer sehen, das es zu leben gilt, glauben wir am Ende, dass wir uns dem wenigen, was wir vom Leben erbeten haben, weise, gerecht und korrekt verhalten. {...] Das dritte Symptom fĂŒr den Tod unserer TrĂ€ume ist schließlich der Friede. Das Leben wird zu einem einzigen Sonntagnachmittag, verlangt nichts Grosses von uns, will nie mehr von uns, als wir zu geben bereit sind. Wir halten uns dann fĂŒr reif, glauben, dass wir unsere kindischen Phantasien ĂŒberwunden und die ErfĂŒllung auf persönlicher und beruflicher Ebene erlangt haben. Wir reagieren ĂŒberrascht, wenn jemand in unserem Alter sagt, dass er noch das oder jenes vom Leben erwartet. Aber in Wahrheit, ganz tief im Inneren unserer Herzens, wissen wir, dass wir es in Wirklichkeit nur aufgegeben haben, um unsere TrĂ€ume zu kĂ€mpfen, den guten Kampf zu fĂŒhren.
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Paulo Coelho
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Ich erinnere mich sehr gut, wie wenig Phantasie die meisten Menschen besaßen. Wahrscheinlich war das ein GlĂŒck fĂŒr sie. Phantasie macht den Menschen ĂŒberempfindlich, verletzbar und ausgeliefert. Vielleicht ist sie ĂŒberhaupt eine Entartungserscheinung. Ich habe den Phantasielosen ihren Mangel nie angekreidet, manchmal habe ich sie sogar um ihn beneidet. Sie hatten ein leichteres und angenehmeres Leben als die anderen.
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Marlen Haushofer (The Wall)
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Noch niemand ward von seinem Genius in die Irre gefĂŒhrt. Mag das Ergebnis auch körperliche SchwĂ€che sein, so kann doch vielleicht niemand sagen, dass die Folgen zu bedauern seien, denn dieses Leben war höheren GrundsĂ€tzen gemĂ€ĂŸ. Wenn uns Tag und Nacht so erscheinen, dass wir sie mit Freude begrĂŒĂŸen, wenn das Leben einen Duft ausströmt wie Blumen und wĂŒrzige KrĂ€uter, wenn es spannkrĂ€ftiger, sternenreicher und mehr unsterblich wird – dann ist dies unser Erfolg. Die ganze Natur beglĂŒckwĂŒnscht uns, und wir haben Grund, uns einen Augenblick lang selig zu preisen. Die reichsten Gewinste, die höchsten Werte, werden am seltensten geschĂ€tzt. Wir kommen nur zu leicht dahin, an ihrem Dasein zu zweifeln. Wir vergessen sie bald. Und doch sind sie höchste Wirklichkeit
 Die wahre Ernte meines tĂ€glichen Lebens ist etwas so Unfassbares, Unbeschreibliches wie Himmelsfarben am Morgen und Abend. Ein wenig Sternenstaub, ein StĂŒckchen Regenbogen – das ist alles.
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Henry David Thoreau (Walden)
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Was das Leben sonst auch sein mag, auf der Ebene der Chemie ist es erstaunlich profan: Kohlenstoff, Wasserstoff, Sauerstoff und Stickstoff, ein wenig Calcium, ein Schuss Schwefel, eine kleine Prise von ein paar anderen ganz gewöhnlichen Elementen - nichts, was man nicht in jeder normalen Apotheke finden wĂŒrde -, das ist alles, was man braucht. Das einzig Besondere an den Atomen, die Sie bilden, besteht darin, dass sie Sie bilden. Und das ist natĂŒrlich das Wunder des Lebens.
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Bill Bryson
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Noch nie im Leben hatte sie einen Seidenstrumpf gesehen. Damals in jenem bewussten Jahr, hatte sie, wenn sie besonders schön sein wollte, einen weißen, ganz dĂŒnn gestrickten Zwirnstrumpf unter ihre schwarzen Spangenschuhe gezogen ... aber dieser Strumpf war eigentlich nur eine symbolische Handlung gewesen, denn genauso wenig wie einer jener mĂ€chtigen Unterröcke mit Volants war der weiße Strumpf je unter den langen Röcken zum Vorschein gekommen. Junge MĂ€dchen hatten nur Fußspitzen.
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Else Hueck-Dehio (Ja, damals. Zwei heitere estlÀndische Geschichten)
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Unsereiner ist mit wenig zufrieden, und doch wieder bloß mit dem Höchsten. Zwischen Schmerzen und Verzweiflung und wĂŒrgendem Lebensekel immer wieder fĂŒr einen heiligen Augenblick auf die Frage nach dem Sinn dieses so schwer ertrĂ€glichen Lebens ein Ja zu hören, werde es auch im nĂ€chsten Augenblick schon wieder von der trĂŒben Flut ĂŒberspĂŒhlt, das genĂŒgt uns, davon leben wir wieder eine ganze Weile weiter, und leben nicht nur, ertragen das Leben nicht nur, sondern lieben und preisen es.
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Hermann Hesse (Die NĂŒrnberger Reise)
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In diesen Jahren hatte ich in Israel keine Menschenseele. Doch solche verborgenen Gerechten erschienen gerade in den Momenten, in denen die Verzweiflung mich unterzukriegen drohte. Ich bin dem einmal nachgegangen. Jeder, der den Krieg ĂŒberlebte, ĂŒberlebte ihn dank eines Menschen, der ihm in grosser Gefahr Halt gab. Gott haben wir in den Lagern nicht gesehen, gute Menschen schon. Die alte jĂŒdische Legende, dass die Welt nur dank einiger weniger Gerechten besteht, stimmte damals genau wie heute.
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Aharon Appelfeld (Geschichte eines Lebens)
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Wir leben noch in der NĂ€he der Zeit, in der das Wesen der Dinge wie ein dunkler Brunnen in der Finsternis hervorsprudelt und wir alles erahnen können. Wir betreiben nur Wahrsagerei. Wir raten und wĂ€gen die Dinge mit ihren vielen Gesichtern ab, bis wir nichts mehr unterscheiden können. Und was ist mit jenen, die erst in weit entfernter Zukunft leben werden, in Epochen, die man sich nicht vorstellen kann? Sie werden Wahrsagerei betreiben. Sie werden noch unsicherer und noch mehr auf Wahrsagerei und Raterei angewiesen sein als wir. Wer aber weniger sicher ist, vergnĂŒgt sich damit, Sicherheit zu erfinden.
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Salim Barakat (Die Spiele Der Jungen HĂ€hne: Roman Einer Jugend)
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Vieles hat dem Nazismus spĂ€ter geholfen und sein Wesen modifiziert. Aber hier liegt seine Wurzel: nicht etwas im „Fronterlebnis“, sondern im Kriegserlebnis des deutschen Schuljungen. Die Frontgeneration hat ja im ganzen wenig echte Nazis geliefert und liefert heute noch im wesentlichen die „Nörgler und Meckerer“; sehr verstĂ€ndlich, denn wer der Krieg als Wirklichkeit des Krieges mit allen Schrecken dennoch ihre Lebensform fanden und immer wieder finden – und die ewigen „gescheiterten Existenzen“, die gerade die Schrecken und Zerstörungen des Krieges mit Jubel erleben end erleben, als eine Rache an dem Leben, dem sie nicht gewachsen sind.
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Sebastian Haffner
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Du kannst dein ganzes Leben lang putzen, ja putze nur dein Leben, am Ende aber, wenn ausgerĂ€umt wird, bleibt ein Dreck ĂŒber! Hinter jeder FlĂ€che, die du putzt, hinter jeder Fassade, die du polierst. Wenn du jung bist, glaub nicht, dass da noch nichts verrottet, verschimmelt und verfault wĂ€re, wenn dein Leben plötzlich weggerĂ€umt wird. Du bist jung und glaubst, dass du noch nichts oder zu wenig gehabt hast vom Leben? Aber der Dreck dahinter ist immer der Dreck eines ganzen Lebens. Es bleibt nur der Dreck, weil du Dreck bist und im Dreck landest. Wenn du aber alt wirst: GlĂŒck gehabt. Aber du hast dich getĂ€uscht, auch wenn du dein ganzes geschenktes Leben lang geputzt hast – am Ende wird ausgerĂ€umt, und was sieht man? Dreck. Er ist hinter allem, unter allem, er ist die Grundlage von allem, was du geputzt hast. Ein sauberes Leben. Das hast du gehabt. Bis der Dreck zum Vorschein kommt.
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Robert Menasse (Die Hauptstadt)
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Und glaube mir nur, Freund HöllenlĂ€rm! Die grössten Ereignisse – das sind nicht unsre lautesten, sondern unsre stillsten Stunden. Nicht um die Erfinder von neuem LĂ€rme: um die Erfinder von neuen Werthen dreht sich die Welt; unhörbar dreht sie sich. Und gesteh es nur! Wenig war immer nur geschehn, wenn dein LĂ€rm und Rauch sich verzog. Was liegt daran, dass eine Stadt zur Mumie wurde, und eine BildsĂ€ule im Schlamme liegt! Und diess Wort sage ich noch den UmstĂŒrzern von BildsĂ€ulen. Das ist wohl die grösste Thorheit, Salz in's Meer und BildsĂ€ulen in den Schlamm zu werfen. Im Schlamme eurer Verachtung lag die BildsĂ€ule: aber das ist gerade ihr Gesetz, dass ihr aus der Verachtung wieder Leben und lebende Schönheit wĂ€chst! Mit göttlicheren ZĂŒgen steht sie nun auf und leidendverfĂŒhrerisch; und wahrlich! sie wird euch noch Dank sagen, dass ihr sie umstĂŒrztet, ihr UmstĂŒrzer! Diesen Rath aber rathe ich Königen und Kirchen und Allem, was alters- und tugendschwach ist – lasst euch nur umstĂŒrzen! Dass ihr wieder zum Leben kommt, und zu euch – die Tugend!
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Friedrich Nietzsche (Also sprach Zarathustra und andere Schriften)
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Dank umfassender Erkenntnisse und der zielgerichteten Nutzung vieler objektiver Gesetze der materiellen Welt hat die Menschheit ein hohes Niveau der technischen und technologischen Entwicklung erreicht. Im Bestreben, die modernsten Errungenschaften des wissenschaftlich-technischen Fortschritts im Leben auch anzuwenden, hat die Menschheit jedoch zugleich ihre geistig-sittliche SphĂ€re aus dem Blickfeld verloren, genauer gesagt: Sie hat diesen Bereich, der ebenfalls existiert und sich nach bestimmten Gesetzen entwickelt, weitgehend ignoriert. Diese Gesetze sind nicht weniger objektiv als die der materiellen Welt. Hierbei wurde ein fundamentales Gesetz des Universums verletzt, das da lautet: Das Niveau der geistigen und sittlichen Entwicklung der menschlichen Gemeinschaft sollte stets ein wenig höher sein als das Niveau des wissenschaftlich-technischen Fortschritts. Nur dann erwĂ€chst aus den grossartigen Leistungen der Wissenschaft und Technik auch die Verantwortung fĂŒr das allgemeine Wohl der Menschen, fĂŒr die Vorsorge vor Hunger, Verelendung und Krankheiten in den verschiedenen Teilen des Erdballs.
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Chingiz Aitmatov
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] Ich möchte aber gern noch einmal auf meinen Ratschlag zurĂŒckkommen; ich finde nĂ€mlich, dass du dein Leben radikal Ă€ndern und ganz mutig Dinge in Angriff nehmen solltest, die dir frĂŒher nie in den Sinn gekommen wĂ€ren oder vor denen du im letzten Moment zurĂŒckgeschreckt bist. So viele Leute sind unglĂŒcklich mit ihrem Leben und schaffen es trotzdem nicht, etwas an ihrer Situation zu Ă€ndern, weil sie total fixiert sind auf ein angepasstes Leben in Sicherheit, in dem möglichst alles gleichbleibt – alles Dinge, die einem scheinbar inneren Frieden garantieren. In Wirklichkeit wird die Abenteuerlust im Menschen jedoch am meisten durch eine gesicherte Zukunft gebremst. Leidenschaftliche Abenteuerlust ist die Quelle, aus der der Mensch die Kraft schöpft, sich dem Leben zu stellen. Freude empfinden wir, wenn wir neue Erfahrungen machen, und von daher gibt es kein grĂ¶ĂŸeres GlĂŒck als in einem immer wieder wechselnden Horizont blicken zu dĂŒrfen, an dem jeder Tag mit einer neuen ganz anderen Sonne anbricht. Wenn du mehr aus deinem Leben machen willst, Ron, dann muss du deine Vorliebe fĂŒr monotone, gesicherte VerhĂ€ltnisse ablegen und das Chaos in dein Leben lassen, auch wenn es dir am Anfang verrĂŒckt erscheinen mag. Aber sobald du dich an ein solches Leben einmal gewöhnt hast, wirst du die volle Bedeutung erkennen, die darin verborgen liegt, und die schier unfassbare Schönheit. Um es auf den Punkt zu bringen, Ron: Geh fort raus Salton City und fang an zu reisen. [
] Sei nicht so trĂ€ge und bleib nicht einfach immer am selben Platz. Beweg dich, reise, werde ein Nomade, erschaffe dir jeden Tag einen neuen Horizont. Du wirst noch so lange leben, Ron, und es wĂ€re eine Schande, wenn du die Gelegenheit nicht nutzen wĂŒrdest, dein Leben von Grund auf zu Ă€ndern, um in ein vollkommen neues Reich der Erfahrungen einzutreten. Es stimmt nicht, wenn du glaubst, dass GlĂŒck einzig und allein zwischenmenschlichen Beziehungen entspringt. Gott hat es ĂŒberall um uns herum verteilt. Es steckt in jeder kleinen Erfahrung, die wir machen. Wir mĂŒssen einfach den Mut haben, uns von unserem gewohnten Lebensstil abzukehren und uns auf ein unkonventionelles Leben einzulassen. Vor allem möchte ich dir sagen, dass du weder mich noch sonstwen brauchst, um dieses neue, hoffnungsfroh schimmernde Licht in dein Leben zu bringen. Du musst nur zur TĂŒr hinausgehen und die Hand danach ausstrecken und schon ist es dein. Du selbst bist dein einziger Feind, du und deine Sturheit, mit der du dich weigerst, dich auf etwas Neues einzulassen. [
] Du wirst staunen, was es alles zu sehen gibt, und du wirst Leute kennenlernen, von denen man eine Menge lernen kann. Aber mach es ohne viel Geld, keine Motels, und dein Essen kochst du dir selbst. Je weniger du ausgibst, desto höher der Erlebniswert. [
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Jon Krakauer (Into the Wild)
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Bald sind sie allein auf der TanzflĂ€che, und Pierre fĂŒhrt seine Partnerin schon viel sicherer. “Was haben sie mir denn da vorgemacht?” sagt Ève. “Sie tanzen doch sehr gut.” “Das ist das erste Mal, dass man mir das sagt.” “Sie brauchten eben mich als TĂ€nzerin.” “Ich glaube es fast 
” Sie sehen sich an und tanzen eine Weile schweigend. “Sagen Sie”, fragte Pierre plötzlich, “was geht hier eigentlich vor? Vorhin dachte ich nur an meine Sorgen, und jetzt bin ich hier 
 Ich tanze und sehe nur Ihr LĂ€cheln 
 Wenn das der Tod 
 wĂ€re 
” “Das?” “Ja. Mit Ihnen tanzen, immer, nichts sehen als Sie, alles andere vergessen 
” “Ja, und?” “Der Tod wĂ€re besser als das Leben. Finden sie nicht auch?” “Halten Sie mich fester”, haucht sie. Ihre Gesichter sind einander ganz nahe. Sie tanzen noch einen Augenblick weiter, und sie wiederholt: “Halten sie mich fester
” Plötzlich wird Pierres Gesicht traurig. Er hört auf zu tanzen, rĂŒckt ein wenig von Ève ab und murmelt: “Es ist ja alles Theater. Ich habe Ihre Taille nicht einmal berĂŒhrt 
” Ève begreift nun ebenfalls: “Wahrhaftig”, sagt sie langsam, “wir tanzen jeder fĂŒr sich 
” Sie bleiben voreinander stehen. Dann streckt Pierre die HĂ€nde aus, als wolle er sie auf die Schultern der jungen Frau legen, dann zieht er sie unwillig wieder zurĂŒck: “Mein Gott”, sagt er, “wie sĂŒĂŸ wĂ€re es, Ihre Schultern zu berĂŒhren. Ich möchte so gerne Ihren Atem spĂŒren, wenn Sie mich anlĂ€cheln. Aber auch das habe ich verpasst. Ich bin ihnen zu spĂ€t begegnet 
” Ève legt Pierre die Hand auf die Schulter. Sie sieht ihn liebevoll an: “Ich gĂ€be meine Seele dafĂŒr hin, einen Augenblick lang wieder zu leben und mit Ihnen zu tanzen.” “Ihre Seele?” “Das ist alles, was wir noch besitzen.” Pierre nĂ€hert sich seiner Begleiterin und umfasst sie von neuem. Sie beginnen wieder zu tanzen, sehr zart, Wange an Wange, mit geschlossenen Augen.
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Jean-Paul Sartre (Les jeux sont faits)
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Sehr oft werde ich nach meinem Lieblingskomponisten gefragt - eine typische Frage von Laien an Musiker, eine, die wir Musiker uns gegenseitig wohl eher selten stellen. Vielleicht weil wir sie vordergrĂŒndig als banal empfinden. Vielleicht auch, weil eine direkte Antwort darauf, ehrlich gesagt, unmöglich ist. Musik ist zu meinem Leben geworden. Nichts von dem, was ich tue, hat nicht irgendwas mit Musik zu tun. Ich habe Werke berĂŒhmter und weniger bekannter Komponisten einstudiert und dirigiert, aus ganz unterschiedlichen Epochen. Ich habe versucht, sie zu verstehen. UnzĂ€hlige Stunden habe ich darĂŒber nachgedacht, wie die Orchester, die ich dirigiere, die Werke spielen könnten, um dem Publikum die darin liegenden Aussagen nahe zubringen. Ich habe mich bemĂŒht, bis zum Kern der Kompositionen vorzudringen und so mancher RĂ€tselhaftigkeit auf die Spur zu kommen. Ich tue es heute noch. So sind mir meist die Komponisten, mit deren Werken ich mich gerade intensiv beschĂ€ftige, am prĂ€sentesten und vielleicht in dem Moment auch am nĂ€chsten. Aber sind sie mir dann auch die liebsten ? Ich weiß es nicht. Meine Entdeckungsreise durch die Welt der klassischen Musik, die vor sechzig Jahren an der WestkĂŒste Kaliforniens in einem Fischerdorf begann, ist lĂ€ngst nicht zu Ende. Im Gegenteil : Meine kĂŒnstlerische Neugier treibt mich tĂ€glich weiter in diese faszinierte Welt hinein, deren Umfang immer grĂ¶ĂŸer wird, je tiefer ich in sie vordringe. Die Welt der Musik gleicht unserem expandierenden Universum. Je mehr ich mich mit Musik befasse, desto weniger meine ich ĂŒber sie zu wissen. Wie also sollte ich diese offenbar gar nicht so banale Frage nach meinem Lieblingskomponisten beantworten ? Vielleicht, indem ich sie anders formuliere : "In deiner freien Zeit, in Stunden, die nicht verplant sind und ganz dir gehören - welche Musik wĂŒrdest du dann fĂŒr dich spielen ?" Die Antwort darauf ist viel einfacher. Es ist die Musik von Johann Sebastian Bach. Das sage ich ohne den Hauch eines Zweifels. Von frĂŒhester Kindheit an hat mich Bach verfolgt und ich ihn. Bis heute. Seine Musik lĂ€sst mich nicht los. Ihre Tiefe ist unendlich. Sie vereint alles, was klassische Musik ausmacht. Und bis heute bin ich auf der Suche nach dem Warum.
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Kent Nagano Erwarten Sie Wunder
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Du sollst dir kein Bildnis machen. Es ist bemerkenswert, dass wir gerade von dem Menschen, den wir lieben, am mindesten aussagen können, wie er sei. Wir lieben ihn einfach. Eben darin besteht ja die Liebe, das Wunderbare an der Liebe, dass sie uns in der Schwebe des Lebendigen hĂ€lt, in der Bereitschaft, einem Menschen zu folgen in allen seinen möglichen Entfaltungen. Wir wissen, dass jeder Mensch, wenn man ihn liebt, sich wie verwandelt fĂŒhlt, wie entfaltet, und dass auch dem Liebenden sich alles entfaltet, das NĂ€chste, das lange Bekannte. Vieles sieht er wie zum ersten Male. Die Liebe befreit es aus jeglichem Bildnis. Das ist das Erregende, das Abenteuerliche, das eigentlich Spannende, dass wir mit den Menschen, die wir lieben, nicht fertig werden: weil wir sie lieben; solang wir sie lieben. Man höre bloß die Dichter, wenn sie lieben; sie tappen nach Vergleichen, als wĂ€ren sie betrunken, sie greifen nach allen Dingen im All, nach Blumen und Tieren, nach Wolken, nach Sternen und Meeren. Warum? So wie das All, wie Gottes unerschöpfliche GerĂ€umigkeit, schrankenlos, alles Mögliche voll, aller Geheimnisse voll, unfaßbar ist der Mensch, den man liebt - Nur die Liebe ertrĂ€gt ihn so. Warum reisen wir? Auch dies, damit wir Menschen begegnen, die nicht meinen, dass sie und kennen ein fĂŒr allemal; damit wir noch einmal erfahren, was uns in diesem Leben möglich sei - es ist ohnehin schon wenig genug. Unsere Meinung, dass wir das andere kennen, ist das Ende der Liebe, jedesmal, aber Ursache und Wirkung liegen vielleicht anders, als wir anzunehmen versucht sind - nicht weil wir das andere kennen, geht unsere Liebe zu Ende, sondern umgekehrt: weil unsere Liebe zu Ende geht, weil ihre Kraft sich erschöpft hat, darum ist der Mensch, fertig fĂŒr uns. Er muss es sein. Wir können nicht mehr! Wir kĂŒnden ihm die Bereitschaft auf weitere Verwandlungen einzugehen. Wir verweigern ihm den Anspruch alles Lebendigen, das unfassbar bleibt, und zugleich sind wir verwundert und enttĂ€uscht, dass unser VerhĂ€ltnis nicht mehr lebendig sei. „Du bist nicht“, sagt der EnttĂ€uschte oder die EnttĂ€uschte: „wofĂŒr ich dich gehalten haben.“ Und wofĂŒr hat man sich denn gehalten? FĂŒr ein Geheimnis, das der Mensch ja immerhin ist, ein erregendes RĂ€tsel, das auszuhalten wir mĂŒde geworden sind. Man macht sich ein Bildnis. Das ist das Lieblose, der Verrat. (
) Man wird das Gegenteil, aber man wird es durch den anderen. (
) In gewissen Grad sind wir wirklich das Wesen, das die andern in uns hineinsehen, Freunde wie Feinde. Und umgekehrt! auch wir sind die Verfasser der anderen; (
) Wir halten uns fĂŒr den Spiegel und ahnen nur selten, wie sehr der andere seinerseits eben der Spiegel unseres erstarrten Menschenbildes ist, unser Erzeugnis, unser Opfer -.“ -TagebĂŒcher von 1946-1949
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Max Frisch
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Als ich erneut an den Courbet dachte, den ich gestern sah, merkte ich, daß mir mehrere Einzelheiten schon nicht mehr gegenwĂ€rtig waren. Das hat mich ein wenig verstimmt. Denn mir scheint, daß eine Einzelheit entschlĂŒpfen lassen etwas vom Leben selbst entschlĂŒpfen lassen heißt - hat doch unser verronnenes Leben keine andere RealitĂ€t als die des GedĂ€chtnisses, weshalb wir darauf bedacht sein mĂŒssen, es bis zum Tod vollstĂ€ndig in Erinnerung zu behalten. Deshalb hat der Anspruch des sterbenden Mazarins stets tiefsten Widerhall bei mir gefunden. Aber Sterben bedeutet nicht nur, auf einige Bilder von Tizian zu verzcihten, es heißt, auf immer die Welt der Erinnerung zu verlassen, und der Tod stellt sich mir vor allem als der absolute und endgĂŒltige Verlust unseres GedĂ€chtnisses dar.
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Julien Green (TagebĂŒcher, 1926-1942)
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Vielleicht wird unser Vorurteil auch dadurch bestĂ€rkt, daß es – von außen gesehen – oft vom Leben BegĂŒnstigte zu sein scheinen, [
] denen wir daher sozusagen das Recht nicht zusprechen wollen, daß sie erkrankten; kennt man ihre Lebensgeschichte, wird man seine Meinung revidieren mĂŒssen; letztlich leiden wir alle an nicht genĂŒgend verarbeiteter Vergangenheit; bei wem sie so beschaffen war, daß er sein Leben dennoch fruchtbar gestalten konnte, weil er aus ihr mehr Hilfen als SchĂ€digungen mitbekam, der sollte aus der Dankbarkeit dafĂŒr VerstĂ€ndnis und Toleranz gegenĂŒber den weniger GlĂŒcklichen aufbringen.
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Fritz Riemann (Grundformen der Angst: Eine tiefenpsychologische Studie)
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Aller Anfang ist schwer - das sagen Leute, die das Ende nicht kennen.
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Gregor Gysi (Ein Leben ist zu wenig. Die Autobiographie)
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Ich glaube, dass die hörfĂ€higen Erwachsenen, die ihren Kindern die GebĂ€rdensprache vorenthalten, niemals verstehen werden, was im Kopf eines Tauben Kindes vor sich geht. Dort herrscht Einsamkeit und Wut. Das Ausgeschlossensein in der Familie, zu Hause, wo alle rĂŒcksichtslos reden. Denn immer muss man fragen, jemandem am Ärmel zupfen oder am Rock, um etwas, ein ganz klein wenig von dem zu erfahren, was um einen herum passiert. Ansonsten ist das Leben, wie ein Stummfilm ohne Untertitel.
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Emmanuelle Laborit (Le Cri de la mouette)
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Ich habe schon mein ganzes Leben von dir getrĂ€umt, aber nie gedacht, dass es dich wirklich gibt. Ich hĂ€tte es wissen mĂŒssen, bin aber ehrlich nicht auf die Idee gekommen. Ich weiß nicht, ob ich froh oder traurig sein soll, dass du eine von uns bist. Es ist sinnlos, dass wir uns noch mal treffen, aber ich habe dich gesehen und kann es jetzt nicht mehr ungesehen machen. Ich kann nur noch daran denken, dass du hier bist, irgendwo in dieser Stadt. Am liebsten wĂŒrde ich alle HĂ€user zwischen uns niederbrennen, bis nur noch du und ich ĂŒbrig sind. Ich denke, je weniger ich ĂŒber dich weiß, desto sicherer bist du, aber ich werde das GefĂŒhl nicht los, dass es einen Grund dafĂŒr gibt, dass ich dich zeichne, seit ich alt genug war, um einen Buntstift zu halten. Ich muss von dir hören. Sag mir, dass du mich hasst. Sag mir, ich soll zur Hölle fahren. Irgendwas. Aber schreib zurĂŒck. Ajax
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Josephine Angelini (Scions (Starcrossed, #4))
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Ich habe [...] deutlich gemacht, dass der menschliche Wille kein anderes Ziel hat, als das Bewusstsein wach zu erhalten. Aber das geht nicht ohne Disziplin. Von allen Schulen der Geduld und der Klarheit ist das Schaffen die wirksamste. Es ist zudem das erschĂŒtternde Zeugnis fĂŒr die einzige wĂŒrde des Menschen: die unnachgiebige Auflehnung gegen seine conditio, die Ausdauer in einer fĂŒr unfruchtbar erachteten Anstrengung. Es erfordert tĂ€gliches SichmĂŒhen, Selbstbeherrschung, die genaue AbschĂ€tzung der Grenzen des Wahren, Maß und Kraft. Es begrĂŒndet eine Askese. Und das alles "fĂŒr nichts", nur um zu wiederholen und um auf der Stelle zu treten. Aber vielleicht hat das große Kunstwerk weniger Bedeutung an sich als durch die BewĂ€hrung, die es von einem Menschen verlangt, und die Gelegenheit, die es ihm bietet zur Überwindung seiner Gespenster und zur weiteren AnnĂ€herung an seine nackte Wirklichkeit.
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Albert Camus (Der Mythos des Sisyphos (German Edition))
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Eine Frau sitzt an einem Schreibtisch und schreibt ihren Lebenslauf. Der Schreibtisch steht in Moskau. Es ist das dritte Mal in ihren Leben, dass sie einem Lebenslauf schreiben muss, und es kann sein, dass dieser deschriebene Lebenslauf den Lauf ihres wirklichen Lebens beendet, dass dieses SchriftstĂŒck, wenn man so will, sich in eine Waffe verwandelt, die sie sich selbst schreibt. Es kann auch sein, dass das SchriftstĂŒck aufbewahrt wird, and dass sie von dem Moment an, in dem sie es abgegeben hat, dagegen anleben muss, oder sich dessen wĂŒrdig erweisen, oder die dunkelsten Vermutungen, die sich daraus ergeben, bestĂ€tigen. Im letzteren Falle wĂ€ren diese Buchstaben ebenfalls, nur mit kleinerer oder grĂ¶ĂŸerer VerspĂ€tung, so etwas wie eine verschleppte Krankheit, an der sie irgendwann doch zugrundegehen muss. Hat ihr Mann nicht immer gesagt, auf dem Theater hĂ€ngt niemals ein Gewehr an der Wand, mit dem nicht auch igendwann einer schießt? Sie denkt an die »Wildente« von Ibsen, und wie sie geweint hat, als der Schuss endlich fiel. Vielleicht aber gelingt es ihr, und deshalb sitzt sie ja ĂŒberhaupt nur da, darauf hofft sie, und deshalb nur sucht sie so lange nach den richtigen Worten, vielleicht gelingt es ihr, sich mit dem Schreiben eine Rettung zu schreiben, und den Lauf ihres Lebens, durch ein paar Buchstaben mehr oder weniger, zu verlĂ€ngern oder wenigstens zu erleichtern, auf nichts anderes kann sie hoffen, als darauf, sich durchs Schreiben ins Leben zurĂŒckzuschreiben. Aber was sind die richtigen Worte? KĂ€me sie mit einer Wahrheit weiter als mit einer LĂŒge? Und welche der vielen möglichen Wahrheiten oder LĂŒgen soll sie dann nehmen? Wenn sie doch nicht weiß, wer lesen wird, was sie schreibt. Eines nur nimmt sie nicht an, nĂ€mlich dass diese SchriftstĂŒck nichts weiter als ein beschriebenes Blatt Papier sein wird, abgeheftet, vergessen. Das ist in einem Land, in dem jedes Kind und jede Aufwaschfrau und jeder Soldat Gedichte von Lermontow und Puschkin auswendig hersagen kann, nicht sehr wahrscheinlich.
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Jenny Erpenbeck (The End of Days)
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Wenn du arm bist und einen Pass hast, der weltweit so wenig zĂ€hlt wie kein anderer, verbringst du natĂŒrlich dein ganzes Leben in deiner Heimat und setzt keinen Fuß in ein anderes Land.
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Taqi Akhlaqi (Versteh einer die Deutschen)
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Im Schwarzbrot war die Welt, was sie in ihrem Wesen nach ist - eine primitive, durch Magie gelenkte Welt, in der die Angst die Hauptrolle spielt. Der Junge, der die meiste Angst einfloessen konnte, wurde zum Anfuehrer und so lange geachtet, wie er seine Macht behaupten konnte. Andere Jungen waren Rebellen,und sie wurden bewundert, aber Anfuehrer wurden sie nie. Die Mehrheit war nichts als Ton in den HĂ€nden der Furchtlosen. Auf ein paar wenige konnte man sich verlassen, auf die meisten aber nicht. Die Luft war voller Spannung, man konnte nichts fĂŒr morgen voraussagen. Dieser lockere, primitive Kern einer Gesellschaft brachte heftige Begierden, GefĂŒhle, heftigen WIssensdurst hervor. Nichts wurde als erwiesen hingenommen; jeder Tag verlangte eine neue Kraftprobe, ein neues GefĂŒhl von Kraft oder Versagen. Und so hatten wir bis zum Alter von neun oder zehn Jahren einen echten Geschmack vom Leben - wir waren unsere eigenen Herren. Das heißt diejenigen von uns, die das GlĂŒck hatten, nicht durch ihre Eltern verdorben worden zu sein, die abends frei durch die Straßen streunen und die Dinge mit unseren Augen entdecken konnten. Nicht ohne ein gewisses wehmĂŒtiges Bedauern denke ich daran, daß dieses streng begrenzte Leben der frĂŒhen Knabenjahre wie eine unermeßliche Welt, das Leben, das ihm folgte, das Leben der Erwachsenen, mir als ein stĂ€ndig schrumpfender Bereich erscheint. Von dem Augenblick an, wo man in die Schule gesteckt wird, ist man verloren: man hat das GefĂŒhl, daß man einen Halfter um den Hals gelegt bekommt. Das Brot verliert seinen Geschmack, wie das Leben ihn verliert. Sein Brot zu verdienen, wird wichtiger, als es zu essen. Alles wird berechnet, und alles hat seinen Preis.
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Henry Miller (Tropic of Capricorn (Tropic, #2))
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[...], es kommt von der fast rhythmischen Wiederkehr einzelner Vokale, die - so will mir scheinen - gewisse Gedanken ausdrĂŒcken sollen und Äußerungen einer tierhaften Sprache sind. Das Ganze ist ein Gesang - ein Gesang voll GefĂŒhlen und Begriffen, die nichts Menschliches an sich haben und uns deshalb vollkommen unfassbar bleiben mĂŒssen. - Hunde jedoch verstehen offenbar, was dieser Gesang bedeutet, denn sie antworten, obgleich meilenweit weg, durch die Finsternis der Nacht. - Oft muss ich mein Gehör aufs Äußerste anstrengen, um ihre Antwort noch zu vernehmen, so groß ist die Entfernung. Der Worte - wenn man hier von 'Worten' reden darf -, die der Gesang enthĂ€lt, sind nur wenige, aber, nach der Erregung zu schließen, die sie in Hundekreisen hervorrufen, mĂŒssen sie ĂŒberaus inhaltsreich sein. Vielleicht dreht es sich da um Dinge, die sich auf GerĂŒche beziehen, auf Aushauche, EinflĂŒsse, Ausstrahlungen, die unsern stumpfen menschlichen Sinnen verschlossenes Land bedeuten. - Vielleicht um feine Anregungen, fĂŒr die es keinen Namen gibt, - um Impulse und Anreize, die der Vollmond in den Geistern der Hunde zum Leben erweckt.
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Lafcadio Hearn (Japanische Geistergeschichten: ĂŒbersetzt von Gustav Meyrink (German Edition))
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Das Leben ist wie ein Spiegel, auf den du zugehst. Je weiter du lÀufst, desto nÀher kommst du dir. Und mit jedem Jahr, das du hinter dir lÀsst, erkennst du ein wenig mehr von dem, was du wirklich bist.
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Anonymous
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Denn die Falle ist ja gerade, daß man sich vertĂ€ut glaubt. Man trifft Entscheidungen, schließt Kredite ab, geht Verpflichtungen ein und natĂŒrlich auch Risiken. Man kauft HĂ€user , man setzt Babys in rosa Zimmer und schlĂ€ft jede Nacht eng umschlungen. Man ist verrĂŒckt von dieser -wie hieß es noch? Dieser EinmĂŒtigkeit. Ja, so hieß es wenn man glĂŒcklich war. Und auch wenn man es weniger war. Die Falle besteht darin, zu glauben, daß ein Recht darauf hĂ€tte, glĂŒcklich zu sein. Dumm wie wir sind. Naiv genug, eine Sekunde lang zu glauben, wir hĂ€tten unser Leben selbst in der Hand. Unser Leben entgleitet uns, aber das ist nicht schlimm. ES ist nicht so wichtig. Optimal wĂ€re nur, wenn wir es frĂŒher wĂŒĂŸten.
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Anna Gavalda (Someone I Loved (Je l'aimais))
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Vergeben Sie mir diese Schilderung, aber denken Sie nicht, daß es Mitleid war, was mich erfĂŒllte. [...] Es war viel mehr und viel weniger als Mitleid: ein ungeheures Anteilnehmen, ein HinĂŒberfließen in jene Geschöpfe oder ein FĂŒhlen, daß ein Fluidum des Lebens und Todes, des Traumes und Wachens fĂŒr einen Augenblick in sie hinĂŒbergeflossen ist [...].
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Hugo von Hofmannsthal
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Der stigmatisierte Weg eines Menschen. Man wĂ€chst auf, betritt die Schule, stellt zur Hoffnung der Eltern keinen Unfug an und schreibt gute Noten. Man verlĂ€sst das starre GebĂ€ude, namens Bildungsanstalt, mit weniger Wissen ĂŒber das Leben, als man sollte, startet eine Karriere, geht mit unter ernsthafte Beziehung ein, oder vertieft Bestehende, die erste eigene Wohnung, man setzt Kinder in die Welt, am besten noch bevor man dreißig ist, alles andere wĂ€re egoistisch, zum GlĂŒck ist bald Wochenende, die Kinder werden immer Ă€lter, viel zu schnell, und wollen immer gut versorgt werden, hier ein Urlaub, da ein Geschenk, mit Bedacht nie den eigenen Partner vergessen, obwohl es im Bett schon lange nicht mehr funkt, schließlich ziehen die Kinder aus und betreten ihr eigenes Hamsterrad, womöglich steht nun mitunter die erste Midlife-Crisis an, eine Trennung oder ein Betrug oder beides, zum GlĂŒck nicht mehr lange bis zur Rente, die ein oder anderen Krankheit und Operationen ĂŒberstanden, erreicht man endlich den Ruhestand. Mit GlĂŒck bleiben einem ein paar wenige Wochen ohne Krankheit, mit einem geliebten Menschenkreis, der womöglich immer wieder erweitert wird, bis dann schließlich das Licht ausgeht. Nichts daran ist falsch. Es ist nicht falsch solch ein Leben zu wollen, womöglich sogar einfach und mit viel unbeschwerlichem GlĂŒck verbunden. Jedoch ist dies nur ein Weg von vielen Abertausenden. NatĂŒrlich gibt es Grenzen. Ein Mörder, Rassist oder Sonstiges ist kein guter Mensch, der sein Leben lediglich frei entfalten will. Wie so oft gesagt, endet die eigene Freiheit, bei der Einengung der Freiheit anderer.
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Spencer Hill, Krieg zwischen den Welten - Das zweite Gesicht
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Du hĂ€ltst mich nĂ€mlich seit jeher aus Vaterstolz, aus Unkenntnis meines eigentlichen Daseins, aus RĂŒckschlĂŒssen aus meiner SchwĂ€chlichkeit fĂŒr besonders fleißig. Als Kind habe ich Deiner Meinung nach immerfort gelernt und spĂ€ter immerfort geschrieben. Das stimmt nun nicht im entferntesten. Eher kann man mit viel weniger Übertreibung sagen, daß ich wenig gelernt und nichts erlernt habe; daß etwas in den vielen Jahren bei einem mittleren GedĂ€chtnis, bei nicht allerschlechtester Auffassungskraft hĂ€ngengeblieben ist, ist ja nicht sehr merkwĂŒrdig, aber jedenfalls ist das Gesamtergebnis an Wissen, und besonders an Fundierung des Wissens, Ă€ußerst klĂ€glich im Vergleich zu dem Aufwand an Zeit und Geld inmitten eines Ă€ußerlich sorglosen, ruhigen Lebens, besonders auch im Vergleich zu fast allen Leuten, die ich kenne.
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Franz Kafka
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Das menschliche Leben besteht aus einer Abfolge administrativer und technischer Schwierigkeiten, unterbrochen von medizinischen Problemen; mit dem Alter treten die medizinischen Gesichtspunkte in den Vordergrund. Das Leben Ă€ndert also seine Beschaffenheit und beginnt einem HĂŒrdenlauf zu Ă€hneln: Immer hĂ€ufigere und verschiedenartigere medizinische Untersuchungen sondieren den Zustand der Organe. Sie kommen zu dem Schluss, dass die Lage normal oder zumindest akzeptabel ist, bis eine von ihnen zu einem anderen Urteil kommt. Das Leben Ă€ndert also ein zweites Mal seine Beschaffenheit und wird zu einem mehr oder weniger langen und schmerzvollen Pfad hin zum Tod.
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Michel Houellebecq (Anéantir)
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Die Dinge geschehen eben, und ich suche, wie Millionen Menschen vor mir, in ihnen einen Sinn, weil meine Eitelkeit nicht gestatten will, zuzugeben, daß der ganze Sinn eines Geschehnisses in ihm selbst liegt. Kein KĂ€fer, den ich achtlos zertrete, wird in diesem, fĂŒr ihn traurigen Ereignis einen geheimnisvollen Zusammenhang von universeller Bedeutung sehen. Er war in dem Augenblick unter meinem Fuß, als ich niedertrat; Wohlbehagen im Licht, ein kurzer schriller Schmerz und Nichts. Nur wir sind dazu verurteilt, einer Bedeutung nachzujagen, die es nicht geben kann. Ich weiß nicht, ob ich mich jemals mit dieser Erkenntnis abfinden werde. Es ist schwer, einen uralten eingefleischten GrĂ¶ĂŸenwahn abzulegen. Ich bedaure die Tiere, und ich bedaure die Menschen, weil sie ungefragt in dieses Leben geworfen werden. Vielleicht sind die Menschen bedauernswerter, denn sie besitzen genausoviel Verstand, um sich gegen den natĂŒrlichen Ablauf der Dinge zu wehren. Das hat sie böse und verzweifelt werden lassen und wenig liebenswert. Dabei wĂ€re es möglich gewesen, anders zu leben. Es gibt keine vernĂŒnftigere Regung als Liebe. Sie macht dem Liebenden und dem Geliebten das Leben ertrĂ€glicher. Nur, wir hĂ€tten rechtzeitig erkennen sollen, daß dies unsere einzige Möglichkeit war, unsere einzige Hoffnung auf ein besseres Leben. FĂŒr ein unendliches Heer von Toten ist die einzige Möglichkeit des Menschen fĂŒr immer vertan. Immer wieder muß ich daran denken. Ich kann nicht verstehen, warum wir den falschen Weg einschlagen mußten. Ich weiß nur, daß es zu spĂ€t ist.
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Marlen Haushofer (Die Wand by Marlen Haushofer (2016-03-14))
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Es mag unfair sein, aber es kommt manchmal vor, dass die Ereignisse weniger Tage oder vielleicht auch nur eines einzigen Tages genĂŒgen, um den Verlauf eines ganzen Lebens zu verĂ€ndern
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Khaled Hosseini (DrachenlÀufer)
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Der selbstgefĂ€llige Eindruck, den die Bundesrepublik von sich machte, als sie in den sechziger Jahren stolz von einem «Eingliederungswunder!» sprach, ist durch die Forschung der letzten Jahre korrigiert worden. Viele Deutschen verhielten sich ihren geflohenen Landsleuten gegenĂŒber nicht weniger hartherzig als gegenĂŒber den auslĂ€ndischen DPs (Displaced Persons). Daraus könnte man den womöglich tröstlichen Schluss ziehen, ihr Egoismus sei zumindest nicht rassistisch motiviert gewesen. Doch die Vertriebenen wurden gern und hĂ€ufig als «Zigeunerpack» beschimpft, mochten sie noch so blond und blauĂ€ugig sein. [...] Die ZuzĂŒgler, wie sie damals von der Verwaltung genannt wurden, trafen auf eine Mauer von Ablehnung. [...] Die Einheimischen, ob in Bayern oder Schleswig-Holstein, wehrten sich teilweise so vehement gegen die Einquartierungen, dass die Vertriebenen nur unter dem Schutz von Maschinengewehren in ihre zugewiesenen Behausungen geleitet werden konnten. Gegen deren Not wappneten sich die Bauern mit einer Sturheit, die die ihrer Ochsen weit ĂŒbertraf. Der Schriftsteller Walter Kolbenhoff berichtete 1946 aus einem oberbayrischen Dorf: «Diese Bauern haben nie in Luftschutzkellern gesessen, als die Bomben hagelten und das Leben der Angehörigen erlosch. Sie sind nie frierend und hungernd ĂŒber fremde Landstraßen gezogen. Sie haben, als die anderen jeden Tag, den ihnen das Leben erneut schenkte, wie eine Gabe begrĂŒĂŸten, auf ihren Höfen gesessen und Geld verdient. Aber dieses Schicksal hat sie nicht demĂŒtig gemacht. Es ist, als wĂ€re alles nicht gewesen und als ginge alles sie nichts an.» [...] Besonders unwĂŒrdige Szenen spielten sich ab, wenn die Bauern selbst bestimmen konnten, wen aus der ankommenden FlĂŒchtlingsgruppe sie aufzunehmen bereit waren. Es ging zu wie auf dem Sklavenmarkt. Man wĂ€hlte unter den MĂ€nnern die KrĂ€ftigsten, unter den Frauen die Schönsten und stieß die Schwachen unter höhnischen Bemerkungen weg. Manche Bauern sahen in den Vertriebenen einen ihnen rechtmĂ€ĂŸig zustehenden Ersatz fĂŒr die Zwangsarbeiter und reagierten wĂŒtend auf das Ansinnen, den «Polacken» kĂŒnftig angemessenen Lohn zahlen zu sollen.
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Harald JĂ€hner (Aftermath: Life in the Fallout of the Third Reich, 1945–1955)
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Nicht jeder ist ein Ganghi, aber jeder kann sich fĂŒr ein klein wenig mehr Gerechtigkeit einsetzen. Nicht jeder ist eine Mutter Teresa, aber jeder kann durch Zuwendung menschliche WĂ€rme schenken. Nicht jeder ist ein van Gogh, aber jeder kann kreativ und schöpferisch die Welt neu interpretieren. Nicht jeder ist eine Sophie Scholl, aber jeder kann Zivilcourage im eigenen Umfeld ĂŒben.
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Gerd König (Charlie Chaplin: Einer, der dem Leben ins Gesicht lachte (Impulsheft 64) (German Edition))
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Religiöse Sehnsucht ist ein hungerndes Verlangen nach göttlicher RealitĂ€t. Religiöse Erfahrung ist das Erwachen des Bewusstseins, Gott gefunden zu haben. Und wenn ein menschliches Wesen tatsĂ€chlich Gott findet, macht seine Seele die Erfahrung eines so unbeschreiblichen Entdeckertriumphs, dass es sich voller Unrast gedrĂ€ngt fĂŒhlt, sich seinen weniger erleuchteten Mitmenschen in Liebe zuzuwenden; nicht etwa, um ihnen zu eröffnen, dass es Gott gefunden hat, sondern um dem Aufwallen ewiger GĂŒte in seiner Seele zu erlauben ĂŒberzufließen, um seine GefĂ€hrten zu erfrischen und zu veredeln. Wahre Religion fĂŒhrt zu verstĂ€rktem sozialem Dienen.
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Various (Das Urantia Buch / The Urantia Book: Tiefe Einsichten in Gott, das Universum, den Planeten Erde, das Leben Jesu und uns selbst / Revealing the Mysteries ... Jesus, and Ourselves (German Edition))
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Aber der ErzĂ€hler neigt eher zu der Auffassung, dass man dem Bösen letztlich indirekt eine starke Huldigung erweist, wenn man die guten Taten zu wichtig nimmt: Damit deutet man nĂ€mlich an, dass diese guten Taten nur deshalb einen so großen Wert haben, weil sie selten sind, und dass Bosheit und GleichgĂŒltigkeit ein sehr viel hĂ€ufigerer Antrieb des menschlichen Handelns sind. Diese Ansicht teilt der ErzĂ€hler nicht. Das Böse in der Welt geht fast immer von Unwissenheit aus, und der gute Wille kann ebenso viel Schaden anrichten wie die Bosheit, wenn er nicht aufgeklĂ€rt ist. Die Menschen sind eher gut als böse, und eigentlich geht es gar nicht um diese Frage. Aber sie sind mehr oder weniger unwissend, und das nennt man dann Tugend oder Laster, wobei das hoffnungsloseste Laster das der Unwissenheit ist, die alles zu wissen vermeint und sich deshalb das Recht nimmt zu töten. Die Seele des Mörders ist blind, und es gibt keine wirkliche GĂŒte oder wahre Liebe ohne die grĂ¶ĂŸtmögliche Klarsichtigkeit.
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Albert Camus (Die Pest |Albert Camus)
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Die Planwirtschaftsidee versucht einen politischen, institutionalisierbaren und demokratisch gestaltbaren Umgang damit zu finden, die Versorgung gesamter Gesellschaften unter den Bedingungen ebendieser von Haraway herausgestellten Unmöglichkeit eines unschuldigen Lebens, der Begrenztheit von Ressourcen und potentiell widerstreitender Interessen zu ermöglichen und dies insgesamt unter kollektive Verantwortung zu stellen; sie denken damit also konkret ĂŒber besserer[sic!], ökologischere oder zumindest weniger schlimme Formen von InstrumentalitĂ€t und so auch des Einsatzes instrumenteller RationalitĂ€t nach, die anderen Zwecken als der profitgetriebenen Ausbeutung von Mensch und Natur dient.
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Samia Zahra Mohammed (Zukunft jenseits des Marktes. Demokratie und gesellschaftliche NaturverhÀltnisse in sozialistischen Utopien)
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Wir möchten großzĂŒgig, nĂŒtzlich, von dieser Welt sein. TatsĂ€chlich wollen wir aber einfach nur in Ruhe gelassen werden. Wenn wir andere nicht dazu bringen können, uns in Ruhe zu lassen, dann geben wir uns schließlich selbst auf. Andere mögen meinen, dass wir prĂ€sent sind. Wir handeln ja auch Aber unser wahres Selbst ist verschwunden. Übrig ist nur die HĂŒlle unseres eigentlichen Selbst. Sie bleibt zurĂŒck, weil sie gefangen ist. Wie ein lustloses Zirkustier, das gepiesackt wird, damit es auftritt, fĂŒhren wir unsere KunststĂŒcke vor. Wir spulen sie ab. Wir verdienen uns unseren Applaus. Aber die ganze Aufregung geht an uns vorbei. Uns ist es egal Unser innerer KĂŒnstler hat sich davongemacht. Unser Leben ist jetzt eine auáșžerkörperliche Erfahrung. Wir sind nicht mehr da. Ein Arzt wĂŒrde unseren Zustand vielleicht als Abspaltung bezeichnen. Ich nenne es sich vom Ort des Verbrechens davonschleichen. Komm heraus, komm heraus, wo immer du auch bist, beschwatzen wir unser wahres Selbst. Doch es hat sich verkrochen. Es vertraut uns nicht mehr. Warum sollte es auch? Wir haben es verraten. ... Durch ihre ĂŒbertriebene Tugendhaftigkeit haben diese gefangenen KĂŒnstler ihr wahres Selbst zerstört, das Selbst, das auch schon in der Kindheit nur wenig UnterstĂŒtzung erfahren hat. Das Selbst, das immer wieder »Sei nicht so egoistisch!« zu hören bekam. Das wahre Selbst ist ein beunruhigender Zeitgenosse, vital und gelegentlich anarchistisch. ... In der Tugendfalle gefangene Kreative heißen ihr wahres Selbst nicht gut. Sie können es der Welt nicht zeigen, ohne dabei stĂ€ndig deren Ablehnung zu fĂŒrchten.
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Julia Cameron (The Artist's Way: A Spiritual Path to Higher Creativity)
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Der persische Dichter Saadi ein großer LebenskĂŒnstler, sagte: „Welchen Wert hat die Vernunft, wenn sie mich nicht rettet, bevor ich etwas sage!“ Das zeigt uns, dass wir Fehler machen können, wenn wir keine Kontrolle ĂŒber unsere Worte haben, wie weise wir auch sein mögen. FĂŒr diese Wahrheit können wir leicht Beispiele finden; diejenigen, die viel reden, haben weniger Macht als jene, die wenig sprechen. Denn geschwĂ€tzige Menschen sind nicht fĂ€hig, eine Idee in tausend Worten auszudrĂŒcken, die Meister der Stille in nur einem Wort vermitteln können. Alle können sprechen, aber nicht alle Worte haben dieselbe Kraft. Überdies sagen Worte viel weniger, als Stille auszudrĂŒcken vermag. Die Basis eines harmonischen Lebens ist Stille. [
] Die Essenz der Religion ist VerstĂ€ndnis. Und diese Religion können wir nicht leben, ohne Macht ĂŒber unsere Worte zu haben, ohne die Macht der Stille zu realisieren. Es gibt so viele Gelegenheiten, bei denen wir bereuen, unsere Freunde verletzt zu haben, und die wir hĂ€tten vermeiden können, wenn wir unsere Sprache unter Kontrolle gehabt hĂ€tten. Schweigen ist das Schild der Unwissenden und der Schutz der Weisen. Denn die Unwissenden zeigen ihre Unwissenheit nicht, wenn sie schweigen, und die Weisen werfen keine Perlen vor die SĂ€ue, wenn sie den Wert der Stille kennen. Was gibt uns Macht ĂŒber die Worte? Was erzeugt die Kraft, die durch Stille erlangt werden kann? Die Antwort ist: Es ist die Willenskraft, die uns Macht ĂŒber unsere Worte verleiht; es ist Ruhe, die uns die Kraft der Stille verleiht. Ruhelosigkeit lĂ€sst uns zu viel reden. Je mehr Worte wir brauchen, um eine Idee auszudrĂŒcken, umso kraftloser wird sie. Wie schade, dass die Menschen so oft daran denken, ihr Geld zu sparen, und nie daran denken, Worte zu sparen. Das ist, als wĂŒrde man Kieselsteine aufheben und die Perlen wegwerfen. Ein indischer Dichter sagt: „Perlenmuschel, was gibt dir deinen wertvollen Inhalt?“ - „Die Stille, meine Lippen waren jahrelang geschlossen.“ zunĂ€chst bedeutet Stille, mit sich selbst zu kĂ€mpfen, einen Impuls zu kontrollieren, aber dann wird genau das zu einer Macht. (S. 210 - 211)
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Hazrat Inayat Khan (Heilung aus der Tiefe der Seele: Mystik und geistige Heilung)
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NatĂŒrlich war ich nicht der Einzige in meiner Klasse, der in schĂ€bigen Klamotten rumlief. Aber die Sorgen der anderen, falls Sie das noch nicht bemerkt haben, trösten einen nicht. Man fĂŒhlt sich noch nicht mal weniger allein. Manchmal sogar ganz im Gegenteil. Landremont, der viel erzĂ€hlt, wenn der Tag lang ist, sagt immer "Was dich nicht umbringt, macht dich stark." Das soll also das Leben sein: Entweder du bist stark, oder Du bist tot? Was fĂŒr eine Scheißauswahl.
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Marie-Sabine Roger (Das Labyrinth der Wörter)
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Der Bankmanager, der ohne RĂŒcksicht auf Verluste Hypotheken und Derivate unters Volk bringt, um sich einen Millionenbonus zu sichern, trĂ€gt mehr zum BIP bei als eine Schule voller Lehrer oder eine Fabrik voller Automechaniker. Wir leben in einer Welt, in der die Grundregel anscheinend lautet, dass wir umso weniger zum BIP beitragen, je wichtiger unsere TĂ€tigkeit fĂŒr die Gesellschaft ist, etwa wenn wir reinigen, pflegen, unterrichten.
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Rutger Bregman (Utopia for Realists: How We Can Build the Ideal World)
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Und zu guter Letzt euch, den allmĂ€chtigen Lesern: Ihr lehrt mich Demut. Jeden. Einzelnen. Tag. Die Tatsache, dass ihr eure kostbare Zeit damit verbracht habt, mein Buch zu lesen, bedeutet mir mehr, als ihr je ahnen werdet. Es haut mich einfach um, wenn ihr die Wahrheit wissen wollt. Ein Buch zu schreiben und es mit jemanden zu teilen ist wie splitterfasernackt vor großem Publikum einen Vortrag zu halten. Man entblĂ¶ĂŸt alles vor der ganzen Welt. Die Menschen beurteilen dich, gut oder schlecht. Danke fĂŒr eure ungebrochene UnterstĂŒtzung! Dadurch fĂŒhle ich mich weniger nackt. Ich verlasse euch nun mit einem letzten Gedanken, weil das Leben manchmal hart ist. FĂŒr uns alle. Ihr seit mutig ... Und jetzt los ... do epic! Das ist ein Befehl. Tut es. Bitte.
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Kim Holden (Bright Side)
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Es gibt viele Leute mit Talent und Lust, und viele von ihnen bringen es nie zu etwas. Das ist erst der Ausgangspunkt, um im Leben etwas zu erreichen. Das Talent ist wie die Kraft eines Athleten. Man kann mit mehr oder weniger FĂ€higkeiten geboren werden, aber niemand wird nur aus dem Grund Athlet, weil er von Natur aus groß oder stark oder schnell ist. Was den Athleten - oder den KĂŒnstler - ausmacht, das ist die Arbeit, das Handwerk, die Technik. Die Intelligenz die einem in die Wiege gelegt wird, ist bloß die Munition. Um damit etwas anfangen zu können, muss man seinen Geist zu einer PrĂ€zisionswaffe machen. <...> Jedes Kunstwerk ist aggressiv. Und jedes Kunstleben ist ein kleiner oder großer Krieg, angefangen bei einem selbst und den eigenen BeschrĂ€nkungen. Um zu erreichen, was man sich vorgenommen hat, braucht man vor allem Ehrgeiz, dann Talent, Wissen und schließlich eine Chance.
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Carlos Ruiz ZafĂłn (The Angel's Game)
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Die Freiheit, die einem versprochen wird, gilt weniger, als die Freiheit, die man sich selber nimmt. So, wie die Dinge, die sich rechnen sollen, meist weniger wert sind als das, was wirklich zaehlt.
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Gregor Gysi (Ein Leben ist zu wenig. Die Autobiographie)
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Das feministische Manifest Du kannst mich nicht einsperren Du kannst mich nicht gefangen halten Meine Freiheit ist mir mehr wert als deine Fehlvorstellung Wie eine Frau zu sein hat sodass du sie respektieren kannst So wĂŒrde ich lieber alle Tage alleine schlafen als eingesperrt zu sein wie ein schöner Vogel Du kannst meine Liebe nicht kaufen mit einem Kleid oder einem Drink oder einem Ring und Versprechen, die du nicht einzuhalten gedenkst Und wenn ich keine Zeit habe und wenn ich nicht tanzen will und wenn ich deine Schmeicheleien satt habe und wenn ich nicht will, dass du mich anfasst dann bin ich stur und egoistisch? Und wenn ich davon Gebrauch mache meine Stimme zu erheben und auszusprechen, was mich bewegt und sei es ein einfaches „Nein“ und sei es ein „Ich liebe dich nicht“ dann bist du gezwungen, mich zu hassen? Dann nur zu mein Kleiner und hasse mich denn es juckt mich nur wenig es interessiert mich nicht mehr So wĂŒrde ich lieber alle Tage alleine schlafen als eingesperrt zu sein wie ein schöner Vogel Verzieh dich und lass mich in Ruhe mit dir und deinem Patriarchat mit dir und deinen ewig-gestrigen Ansichten aufs Leben und die Weiblichkeit auf die Reife und den Reinheitsmythos deine Ansichten sind dazu verdammt zunichte zu werden Denn ich und alle meine Schwestern Königinnen und Göttinnen GerĂŒsteten Engel und ChimĂ€ren Wir werden zerschmettern und niederbrennen was deine sogenannte „perfekte Welt“ der guten alten Zeiten war bis von deiner fragilen MaskulinitĂ€t rein gar nichts mehr ĂŒbrig ist Du kannst mich nicht einsperren in deiner Fehlvorstellung von Weiblichkeit Ich werde niemals schweigen
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Dahi Tamara Koch (Wanderherzen)
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Man durfte dem Bild nicht anmerken, daß es nicht mehr in Ordnung war, und man mußte immer noch ein wenig Glanz darauf legen. Je mehr sie selbst an Substanz verlor, desto strahlender, dichter und ĂŒbermĂ€chtiger mußte ihr Bild werden.
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Marlen Haushofer (Eine Handvoll Leben)
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Wir leben im Zeitalter des organisierten Diebstahls; eines so raffinierten Diebstahls, dass der GeschĂ€digte kaum merkt, wie er bestohlen wird, und der Dieb seine Finger gar nicht zu beschmutzen braucht, um fremdes Gut an sich zu bringen. Der Vorgang, der das Eigentum vogelfrei macht, erscheint dem einfĂ€ltigen Auge als eine elementare, dem menschlichen Einfluss entrĂŒckte SchicksalsprĂŒfung, die man gottergeben hinzunehmen hat. Nur wenige ahnen, dass das vermeintliche Naturereignis in Wirklichkeit nichts anderes ist als ein roher WillkĂŒrakt der Menschen, den man frevelhaft nennen mĂŒsste, wenn hier nicht Christi Wort gĂ€lte: "Herr, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun." Sie wissen es wirklich nicht, weil sie nicht wissen, was Geld ist. Es klingt wie eine Profanierung, aber es ist so. Die Unkenntnis vom Gelde wird hier tatsĂ€chlich zur epidemischen Unmoral.
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Argentarius (Vom Gelde)
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Der Sturm klĂ€rt den trĂŒbsten Himmel auf. Nicht allein unser Charakter und noch weniger die Welt, in die wir hineingeboren werden, sind unser Schicksal. Im Hinterfragen und nicht im Glauben an eine FĂŒgung finden wir Selbstvergewisserung.
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Reinhold Messner (Über Leben)
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Sinn wird uns vor allem mit einem gelingenden Leben bewusst. Weil wir dabei aus Erfahrungen wissen, was gut fĂŒr uns ist. Es ist aber ebenso wenig erstrebenswert wie zielfĂŒhrend, immerzu sinnerfĂŒllt und glĂŒcklich zu sein. So wichtig es ist, Sinn zu stiften, GlĂŒck geschieht, es ist die Folge von Sinnhaftigkeit. Sinn ist immer subjektiv, er entsteht aus unseren Beziehungen zu anderen Menschen, zu bestimmten Dingen, zu unserem Tun. Weil es an uns liegt zu gewichten. Dabei geht es nie um einen ĂŒbergeordneten Sinn, der uns wie Traditionen weitergegeben wird. Er ist auch nicht in Konventionen festschreibbar, Institutionen wie die Kirchen möchten ihn zwar vorgeben, missachten dabei aber allzu oft die Natur des Menschen. Sinn macht Energie frei, die mit Lebensfreude einhergeht. Wenn wir das »Richtige« tun und intensiv bei unserer Sache sind, stellt sich weder die Frage nach dem GlĂŒck noch jene nach dem Sinn. Wir selbst sind dann der Sinn, nach dem GlĂŒck brauchen wir uns dabei nicht mehr umzusehen. Es stellt sich von selbst ein. Als Prozess: zum Beispiel, wenn der StĂ€rkere dem SchwĂ€cheren hilft.
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Reinhold Messner (Über Leben)
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Was kĂŒmmert es uns, ob irgendwer uns anerkennt? Wir kĂŒmmern uns nur darum, dass wir unsere heilige Pflicht erfĂŒllen, unsere heilige Aufgabe erledigen können – ohne beachtet zu werden. Wir sollten sehr dankbar sein, wenn niemand von uns weiß und wir ungestört unsere Arbeit tun können. Hat es nicht viele unbekannte große Menschen gegeben, KĂŒnstlerinnen, Musiker usw. viel mehr als die, deren Namen wir kennen? Was fĂŒr eine wunderbare Schönheit liegt darin, unbekannt zu bleiben! Es gibt die Erinnerung an den unbekannten Soldaten; alle kommen mit Blumen zum Gedanken an den unbekannten Soldaten. Dieses Ideal sollten wir in unserem Herzen in Ehren halten. Dieses Ziel sollten wir anstreben. Und je weniger LĂ€rm wir machen, desto mehr werden wir erreichen. (S. 93)
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Hazrat Inayat Khan (Die Seele - woher und wohin: Die Reise der Seele)
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Infolge der mit der Zeit zunehmenden Versorgungsschwierigkeiten gab es jedoch andere AnlĂ€sse zur Besorgnis. Spekulanten hatten sich eingemischt, und Grundnahrungsmittel, die auf dem normalen Markt fehlten, wurden zu Phantasiepreisen angeboten. Die armen Familien befanden sich dadurch in einer Ă€ußerst bedrĂ€ngten Lage, wohingegen es den reichen Familien an fast nichts fehlte. WĂ€hrend die Pest durch die wirkungsvolle Unparteilichkeit, mit der sie schaltete und waltete, die Gleichheit unter unseren MitbĂŒrgern hĂ€tte verstĂ€rken sollen, verschĂ€rfte sie durch das natĂŒrliche Spiel des Egoismus in den Herzen der Menschen noch das GefĂŒhl von Ungerechtigkeit. Es blieb zwar die untadelige Gleichheit vor dem Tod bestehen, aber von ihr wollte niemand etwas wissen. Die hungernden Armen dachten daher mit noch mehr Sehnsucht an die umliegenden StĂ€dte und Landstriche, wo das Leben frei und das Brot nicht teuer war. Da man sie nicht ausreichend ernĂ€hren konnte, hatten sie das, ĂŒbrigens wenig vernĂŒnftige, GefĂŒhl, man mĂŒsse ihnen erlauben wegzugehen. Sodass schließlich eine Parole in Umlauf kam, die manchmal auf den Mauern stand oder auch dem vorbeifahrenden PrĂ€fekten nachgeschrien wurde: «Brot oder Luft.» Diese ironische Formel gab das Signal fĂŒr manche allerdings schnell unterdrĂŒckte Demonstrationen, deren GefĂ€hrlichkeit aber niemandem entging.
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Albert Camus (Die Pest)
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Lange schaute er ihr nach. Als er sie aus den Augen verlor, war der Tod fast ein wenig betrĂŒbt. Aber so war das Leben.
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Wolf Erlbruch (Duck, Death and the Tulip)
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BĂŒcher verĂ€ndern das Schicksal der Menschen. So mancher hat "Der Tiger von Malaysia" gelesen und ist an einer fernen UniversitĂ€t Dozent fĂŒr Literatur geworden. "Siddharta" hat Zehntausende Jugendliche zum Hinduismus gefĂŒhrt, Hemingway hat sie zu Sportlern gemacht, Dumas hat das Leben Tausender Frauen auf den Kopf gestellt und nicht wenige sind durch ein Kochbuch vor dem Selbstmord bewahrt worden.
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Carlos MarĂ­a DomĂ­nguez (The House of Paper)
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Zu lachen bedeutet, zu riskieren, als Trottel dazustehen. Zu weinen bedeutet, zu riskieren, sentimental zu erscheinen. Nach jemandem zu greifen, bedeutet, Beteiligtsein zu riskieren. GefĂŒhle zu zeigen bedeutet, zu riskieren, dein wahres Selbst zu zeigen. Deine Ideen und TrĂ€ume einer Menschenmenge vorzustellen bedeutet, Ihren Verlust zu riskieren. Zu lieben bedeutet, zu riskieren, nicht wiedergeliebt zu werden. Zu hoffen bedeutet, das Scheitern zu riskieren. Zu leben bedeutet, den Tod zu riskieren. Aber die grĂ¶ĂŸte Gefahr im Leben ist, nichts zu riskieren. Der Mensch, der nichts riskiert, mag einiges Leid, Bedauern, einige Zweifel vermeiden, wird aber weniger lernen, weniger fĂŒhlen, (sich) weniger verĂ€ndern, weniger wachsen, weniger lieben und weniger leben. Gekettet durch Gewissheiten ist er ein Sklave, der Freiheit verwirkt hat. Nur ein Mensch, der riskiert, ist frei. (Virginia Satir)
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Katja Sundermeier (Die Simply-love-Strategie : ihr Weg zur großen Liebe)
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Meinungen sind fĂŒr den Riesenapparat des gesellschaftlichen Lebens, was Öl fĂŒr Maschinen; man stellt sich nicht vor eine Turbine und ĂŒbergießt sie mit Maschinenöl. Man spritzt ein wenig davon in verborgene Nieten und Fugen, die man kennen muß.
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Walter Benjamin (Einbahnstraße / Berliner Kindheit um Neunzehnhundert)
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ZUM PLANETARIUM Wenn man, wie einst Hillel die jĂŒdische Lehre, die Lehre der Antike in aller KĂŒrze, auf einem Beine fußend, auszusprechen hĂ€tte, der Satz mĂŒĂŸte lauten: »Denen allein wird die Erde gehören, die aus den KrĂ€ften des Kosmos leben.« Nichts unterscheidet den antiken so vom neueren Menschen, als seine Hingegebenheit an eine kosmische Erfahrung, die der spĂ€tere kaum kennt. Ihr Versinken kĂŒndigt schon in der BlĂŒte der Astronomie zu Beginn der Neuzeit sich an. Kepler, Kopernikus, Tycho de Brahe waren gewiß nicht von wissenschaftlichen Impulsen allein getrieben. Aber dennoch liegt im ausschließlichen Betonen einer optischen Verbundenheit mit dem Weltall, zu dem die Astronomie sehr bald gefĂŒhrt hat, ein Vorzeichen dessen, was kommen mußte. Antiker Umgang mit dem Kosmos vollzog sich anders: im Rausche. Ist doch Rausch die Erfahrung, in welcher wir allein des AllernĂ€chsten und des Allerfernsten, und nie des einen ohne des andern, uns versichern. Das will aber sagen, daß rauschhaft mit dem Kosmos der Mensch nur in der Gemeinschaft kommunizieren kann. Es ist die drohende Verirrung der Neueren, diese Erfahrung fĂŒr belanglos, fĂŒr abwendbar zu halten und sie dem Einzelnen als SchwĂ€rmerei in schönen SternennĂ€chten anheimzustellen. Nein, sie wird je und je von neuem fĂ€llig, und dann entgehen Völker und Geschlechter ihr so wenig, wie es am letzten Krieg aufs fĂŒrchterlichste sich bekundet hat, der ein Versuch zu neuer, nie erhörter VermĂ€hlung mit den kosmischen Gewalten war. Menschenmassen, Gase, elektrische KrĂ€fte wurden ins freie Feld geworfen, Hochfrequenzströme durchfuhren die Landschaft, neue Gestirne gingen am Himmel auf, Luftraum und Meerestiefen brausten von Propellern, und allenthalben grub man OpferschĂ€chte in die Muttererde. Dies große Werben um den Kosmos vollzog zum ersten Male sich in planetarischem Maßstab, nĂ€mlich im Geiste der Technik. Weil aber die Profitgier der herrschenden Klasse an ihr ihren Willen zu bĂŒĂŸen gedachte, hat die Technik die Menschheit verraten und das Brautlager in ein Blutmeer verwandelt. Naturbeherrschung, so lehren die Imperialisten, ist Sinn aller Technik. Wer möchte aber einem PrĂŒgelmeister trauen, der Beherrschung der Kinder durch die Erwachsenen fĂŒr den Sinn der Erziehung erklĂ€ren wĂŒrde? Ist nicht Erziehung vor allem die unerlĂ€ĂŸliche Ordnung des VerhĂ€ltnisses zwischen den Generationen und also, wenn man von Beherrschung reden will, Beherrschung der GenerationsverhĂ€ltnisse und nicht der Kinder? Und so auch Technik nicht Naturbeherrschung: Beherrschung vom VerhĂ€ltnis von Natur und Menschheit. Menschen als Spezies stehen zwar seit Jahrzehntausenden am Ende ihrer Entwicklung; Menschheit als Spezies aber steht an deren Anfang. Ihr organisiert in der Technik sich eine Physis, in welcher ihr Kontakt mit dem Kosmos sich neu und anders bildet als in Völkern und Familien. Genug, an die Erfahrung von Geschwindigkeiten zu erinnern, kraft deren nun die Menschheit zu unabsehbaren Fahrten ins Innere der Zeit sich rĂŒstet, um dort auf Rhythmen zu stoßen, an denen Kranke wie vordem auf hohen Gebirgen oder an sĂŒdlichen Meeren sich krĂ€ftigen werden. Die Lunaparks sind eine Vorform von Sanatorien. Der Schauer echter kosmischer Erfahrung ist nicht an jenes winzige Naturfragment gebunden, das wir »Natur« zu nennen gewohnt sind. In den VernichtungsnĂ€chten des letzten Krieges erschĂŒtterte den Gliederbau der Menschheit ein GefĂŒhl, das dem GlĂŒck der Epileptiker gleichsah. Und die Revolten, die ihm folgten, waren der erste Versuch, den neuen Leib in ihre Gewalt zu bringen. Die Macht des Proletariats ist der Gradmesser seiner Gesundung. Ergreift ihn dessen Disziplin nicht bis ins Mark, so wird kein pazifistisches Raisonnement ihn retten. Den Taumel der Vernichtung ĂŒberwindet Lebendiges nur im Rausche der Zeugung.
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Walter Benjamin (Einbahnstraße / Berliner Kindheit um Neunzehnhundert)
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MADAME ARIANE ZWEITER HOF LINKS Wer weise Frauen nach der Zukunft fragt, gibt ohne es zu wissen, eine innere Kunde vom Kommenden preis, die tausendmal prĂ€ziser ist als alles, was er dort zu hören bekommt. Ihn leitet mehr die TrĂ€gheit als die Neugier und nichts sieht weniger dem ergebenen Stumpfsinn Ă€hnlich, mit dem er der EnthĂŒllung seines Schicksals beiwohnt, als der gefĂ€hrliche, hurtige Handgriff, mit dem der Mutige die Zukunft stellt. Denn Geistesgegenwart ist ihr Extrakt; genau zu merken, was in der Sekunde sich vollzieht, entscheidender als Fernstes vorherzuwissen. Vorzeichen, Ahnun­gen, Signale gehen ja Tag und Nacht durch unsern Organismus wie WellenstĂ¶ĂŸe. Sie deuten oder sie nutzen, das ist die Frage. Beides aber ist unvereinbar. Feigheit und TrĂ€gheit raten das eine, NĂŒchternheit und Freiheit das andere. Denn ehe solche Prophezeiung oder Warnung ein Mittelbares, Wort oder Bild, ward, ist ihre beste Kraft [75] schon abgestorben, die Kraft, mit der sie uns im Zentrum trifft und zwingt, kaum wissen wir es, wie, nach ihr zu handeln. VersĂ€umen wir's, dann, und nur dann, entziffert sie sich. Wir lesen sie, Aber nun ist es zu spĂ€t. Daher, wenn unversehens Feuer ausbricht oder aus heiterm Himmel eine Todesnachricht kommt, im ersten stummen Schrecken ein SchuldgefĂŒhl, der gestaltlose Vorwurf: Hast du im Grunde nicht darum gewußt? Klang nicht, als du zum letzten Male von dem Toten sprachst, sein Name in deinem Munde schon anders? Winkt dir nicht aus den Flammen Gestern-Abend, dessen Sprache du jetzt erst verstehst? Und ging ein Gegenstand, der dir lieb war, verloren, war dann nicht Stunden, Tage vorher schon ein Hof, Spott oder Trauer, um ihn, der es verriet? Wie ultraviolette Strahlen zeigt Erinnerung im Buch des Lebens jedem eine Schrift, die unsichtbar, als Prophetie, den Text glossierte. Aber nicht ungestraft vertauscht man die Intentionen, liefert das ungelebte Leben an Karten, Spirits, Sterne aus, die es in einem Nu verleben und vernutzen, um es geschĂ€ndet uns zurĂŒckzustellen; betrĂŒgt nicht ungestraft den Leib um seine Macht, mit den Geschicken sich auf seinem eigenen Grund zu messen und zu siegen. Der Augenblick ist das kaudinische Joch, unter dem sich das Schicksal ihm beugt. Die Zukunftsdrohung ins erfĂŒllte Jetzt zu wandeln, dies einzig wĂŒnschenswerte telepathische Wunder ist Werk leibhafter Geistesgegenwart. Urzeiten, da ein solches Verhalten in den alltĂ€glichen Haushalt des Menschen gehörte, gaben im nackten Leibe ihm das verlĂ€ĂŸlichste Instrument der Divination. Noch die Antike kannte die wahre Praxis, und Scipio, der Karthagos Boden strauchelnd betritt, ruft, weit im Sturze die Arme breitend, die Siegeslosung: Teneo te, Terra Africana! Was Schreckenszeichen, UnglĂŒcksbild hat wer-[76]den wollen, bindet er leibhaft an die Sekunde und macht sich selber zum Faktotum seines Leibes. Eben darin haben von jeher die alten asketischen Übungen des Fastens, der Keuschheit, des Wachens ihre höchsten Triumphe gefeiert. Der Tag liegt jeden Morgen wie ein frisches Hemd auf unserm Bett; dies unvergleichlich feine, unvergleichlich dichte Gewebe reinlicher Weissagung sitzt uns wie angegossen. Das GlĂŒck der nĂ€chsten vierundzwanzig Stunden hĂ€ngt daran, daß wir es im Erwachen aufzugreifen wissen.
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Walter Benjamin (Einbahnstraße / Berliner Kindheit um Neunzehnhundert)
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Die Luft war stickig, schwer wie ein feuchter Mantel. Der Sommer hatte seine klammen Finger in jede Ritze der alten HĂŒtte geschoben. Staub und Schatten verbĂŒndeten sich in den Ecken, wĂ€hrend Dianne auf dem harten Holzstuhl saß. Das Notizbuch lag vor ihr – ein leeres Grab, das auf seine FĂŒllung wartete. Ein schwacher Lichtstreifen schlich sich durch die zugezogenen VorhĂ€nge. Er strich ĂŒber den Schreibtisch mit seinen narbigen Kanten, glitt ĂŒber das Bett, das nie wirklich einlud, und blieb schließlich beim Spiegel hĂ€ngen. Ein alter Spiegel, dessen trĂŒbes Glas Geheimnisse schluckte, statt sie zu enthĂŒllen. Der Rahmen, verziert mit seltsamen Schnitzereien, erinnerte an tote Schlangen – geduldig, wartend. Dianne schob eine klebrige HaarstrĂ€hne hinters Ohr. Ihre Haut brannte, als hielte sie noch die Hitze der Stadt fest. Beton, AbsĂ€tze, das Summen von Stimmen, die ihr lĂ€ngst egal waren. Das hatte sie hinter sich gelassen. Hier draußen gab es nur Ruhe. Doch die Stille in der HĂŒtte war anders. Sie war dicht, hatte Kanten, die sich in ihre Gedanken schnitten. Der Stift in ihrer Hand lag kalt und schwer wie ein Skalpell. Die Spitze kratzte ĂŒber das Papier, ohne dass Worte folgten. Nur Linien, schief und sinnlos. Ihre Finger verkrampften sich, die Knöchel wurden weiß. Ein Seufzen entglitt ihr, ein dĂŒnner Hauch, der sich in der Stille verlor. Sie lehnte sich zurĂŒck, der Stuhl Ă€chzte. An der Decke krochen dunkle Flecken wie Landkarten unbekannter Reiche. Sie könnte ihnen Namen geben, Geschichten spinnen. Doch ihre Fantasie war ein ausgetrockneter Brunnen, aus dem nur Staub rieselte. Ihr Blick zuckte zum Spiegel. Ein Reflex. Ein schneller Blick ĂŒber die Schulter, wie ein Dieb auf frischer Tat. Der Spiegel stand still, aber etwas stimmte nicht. War das Licht im Raum dunkler geworden? Oder hatte sich der Spiegel verĂ€ndert? Sie biss sich auf die Unterlippe. Metallisch. Kupfrig. Ein Zittern lief durch ihre Fingerspitzen, wanderte bis zu den Schultern. »Nur Einbildung. Nur ein Spiegel.« Aber die Luft war jetzt dichter, klebriger. Ihre eigenen Gedanken drĂ€ngten gegen die SchĂ€deldecke, drĂ€ngten nach draußen. Der Spiegel wartete. Sie zwang sich, den Blick zu halten. Ihr eigenes Abbild sah zurĂŒck – blasse Haut, dunkle Augenringe, Lippen, die sich kaum noch ans LĂ€cheln erinnerten. Doch da war mehr. Ein Schimmer in den Pupillen, ein Schatten in den Winkeln des Glases. Etwas lauerte dort, außerhalb ihres VerstĂ€ndnisses. Ein Herzschlag verging. Ein zweiter. Der Spiegel war leer. Ein kalter Knoten zog sich in ihrem Bauch zusammen. Die Luft hatte ihre Konsistenz geĂ€ndert – weniger ein Hauch, mehr ein Gewicht. Sie hörte das Summen des Blutes in ihren Ohren. Ihre Zunge fĂŒhlte sich rau an. Sie zwang die Augen zu, atmete ein, aus. Langsam. Der Rhythmus des Lebens, ein Metronom, das sie einhalten musste. Ein Knacken ließ ihre Lider flattern. Holz, das Ă€chzt. Oder etwas anderes? Ein lebendiges GerĂ€usch, das direkt aus den WĂ€nden zu kommen schien. Sie zwang die Lider auseinander. Der Spiegel stand still. Das Glas starrte sie an, trĂŒb und unschuldig. Der Wind seufzte durch die BlĂ€tter draußen, ein heiseres, flĂŒsterndes GerĂ€usch. Dianne schob die Vorstellung beiseite, dass es Worte waren, die der Wind sprach. Ihr Magen verkrampfte sich. Sie schloss das Notizbuch mit einem dumpfen Schlag. Ein Urteil. Ein Ende. Draußen raschelten die BlĂ€tter weiter. Dieses Mal klang es wie ein Lachen. Sie saß wie eingefroren. Ihre Fingerkuppen berĂŒhrten den rauen Einband des Notizbuchs, doch die KĂ€lte kroch von innen. Eine innere DĂ€mmerung, die sich kaum von der Ă€ußeren unterscheiden ließ. Der dumpfe Schlag des geschlossenen Buches hallte noch in ihrem Kopf nach, ein Echo, das sich weigerte zu verblassen. Langsam ließ sie den Blick durch den Raum wandern. Die Schatten hatten sich verĂ€ndert. Sie schienen voller, dichter. Die Ecken der HĂŒtte wirkten tiefer, als hĂ€tten sie plötzlich beschlossen, mehr Raum einzunehmen...
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Bernhard Grendel-Grim
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Wenn ich heute an die Jahre damals denke, fĂ€llt mir auf, wie wenig Anschauung es eigentlich gab, wie wenig Bilder, die das Leben und Morden in den Lagern vergegenwĂ€rtigten. Wir kannten von Auschwitz das Tor mit seiner Inschrift, die mehrstöckigen Holzpritschen, die Haufen von Haar und Brillen und Koffern, von Birkenau den Eingangsbau mit Turm, SeitenflĂŒgeln und Durchfahrt fĂŒr die ZĂŒge und aus Bergen-Belsen die Leichenberge, die die Alliierten bei der Befreiung vorgefunden und photographiert hatten. Wir kannten einige Berichte von HĂ€ftlingen, aber viele Berichte sind bald nach dem Krieg erschienen und dann erst wieder in den achtziger Jahren aufgelegt worden und gehörten dazwischen nicht in die Programme der Verlage. Heute sind so viele BĂŒcher und Filme vorhanden, daß die Welt der Lager ein Teil der gemeinsamen vorgestellten Welt ist, die die gemeinsame wirkliche vervollstĂ€ndigt. Die Phantasie kennt sich in ihr aus, und seit der Fernsehserie »Holocaust« und Spielfilmen wie »Sophies Wahl« und besonders »Schindlers Liste« bewegt sie sich auch in ihr, nimmt nicht nur wahr, sondern ergĂ€nzt und schmĂŒckt aus. Damals hat die Phantasie sich kaum bewegt; sie hat gemeint, zu der ErschĂŒtterung, die der Welt der Lager geschuldet werde, passe die Bewegung der Phantasie nicht. Die paar Bilder, die sie alliierten Photographien und HĂ€ftlingsberichten verdankte, betrachtete sie wieder und wieder, bis sie zu Klischees erstarrten. (SS.142-143)
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Bernhard Schlink (The Reader)
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Nun ist Flucht nicht nur weglaufen, sondern auch ankommen. Und die Vergangenheit, in der ich als Rechtshistoriker ankam, war nicht weniger lebensvoll als die Gegenwart. Es ist auch nicht so, wie der Außenstehende vielleicht annehmen möchte, daß man die vergangene LebensfĂŒlle nur beobachtet, wĂ€hrend man an der gegenwĂ€rtigen teilnimmt. Geschichte treiben heißt BrĂŒcken zwischen Vergangenheit und Gegenwart schlagen und beide Ufer beobachten und an beiden tĂ€tig werden. Eines meiner Forschungsgebiete wurde das Recht im Dritten Reich, und hier ist besonders augenfĂ€llig, wie Vergangenheit und Gegenwart in eine Lebenswirklichkeit zusammenschießen. Flucht ist hier nicht die BeschĂ€ftigung mit der Vergangenheit, sondern gerade die entschlossene Konzentration auf Gegenwart und Zukunft, die blind ist fĂŒr das Erbe der Vergangenheit, von dem wir geprĂ€gt sind und mit dem wir leben mĂŒssen. (S.172)
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Bernhard Schlink (The Reader)
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Die Menschen brauchen nur sehr wenig Platz auf der Erde. Wenn die zwei Milliarden Menschen, die auf der Erde leben, sich ein wenig zusammengedrÀngt aufstellten, eben wie bei einem Volksfest, dann könnten sie leicht auf einem Platz von zwanzig Meilen LÀnge und zwanzig Meilen Breite unterkommen. Man könnte die ganze Menschheit auf der kleinsten Insel im Pazifik zusammendrÀngen.
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Antoine de Saint-Exupéry (Der Kleine Prinz. Franzosisch-Deutsch: Le Petit Prince. Francais-Allemand: Zweisprachig / Bilingue by Antoine De Saint-Exupery (March 01,2015))
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Es gibt ein großes und doch ganz alltĂ€gliches Geheimnis. Alle Menschen haben daran teil, jeder kennt es, aber die wenigsten denken je darĂŒber nach. Die meisten Leute nehmen es einfach so hin und wundern sich kein bisschen darĂŒber. Dieses Geheimnist ist die Zeit. Es gibt Kalender und Uhren, um sie zu messen, aber das will wenig besagen, denn jeder weiß, dass einem eine einzige Stunde wie eine Ewigkeit vorkommen kann, mitunter kann sie aber auch wie ein Augenblick vergehen - je nachdem, was man in dieser Stunde erlebt. Denn Zeit ist Leben. Und das Leben wohnt im Herzen.
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Michael Ende, Momo