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Es bedarf eines gewissen spirituell fortgeschrittenen Zustands, damit wir glauben können, dass es so etwas wie Offenbarung gibt. Das Leben offenbart sich, die Natur offenbart sich, und so offenbart sich auch Gott: deshalb wird Gott in Persien „Khuda“ genannt, was Selbstoffenbarung heißt. Alles Wissen, alle Kunst und alle Kultur, die die Menschen kennen, kamen und kommen als Offenbarung. Anders gesagt: Wir lernen nicht nur durch studieren, sondern beziehen unser Wissen auch von der Menschheit. Ein Kind erbt nicht nur die Eigenschaften seiner Eltern oder Ahnen, sondern auch die Qualitäten seiner Nation und seiner Ethnie, sodass wir sagen können, es erbt die Eigenschaften der ganzen Menschheit. Wenn wir diese Schatzkammer des Wissens hinter dem sie verbergenden Schleier wirklich begreifen könnten, würden wir erkennen, dass wir ein Recht auf dieses Erbe haben. Das gibt uns einen Schlüssel, den Schlüssel zum Verständnis des Geheimnisses des Lebens: dass das Wissen nicht nur von außen, sondern auch von innen her erlangt wird. So können wir Wissen, das wir durch das äußere Leben gewinnen, Erlerntes nennen; das Wissen, das wir aus dem Inneren herbeiziehen aber können wir Offenbarung nennen.
Offenbarung kommt von innen. Sie lässt das Herz sich selbst offenbaren; sie ist wie eine Neugeburt der Seele. Wenn wir dieses Stadium erreicht haben, werden alle Dinge und alle Wesen lebendig: Die Felsen, die Bäume, die Luft, der Himmel, die Sterne – sie alle leben. Wir können nun mit allen Dingen und Wesen kommunizieren. Wohin auch immer unser Blick auf Dinge in der Natur oder auf Persönlichkeiten fällt: Wir lesen darin deren Geschichte und erkennen ihre Zukunft. Wir beginnen mit den Seelen der Menschen, denen wir begegnen, zu kommunizieren, noch bevor wir ein Wort mit ihnen gesprochen haben. Ohne dass wir noch irgendeine Frage gestellt haben, beginnt die Seele schon, ihre eigene Geschichte zu erzählen. Jeder Mensch und jedes Objekt steht vor uns wie ein offenes Buch. Dann hört dieses ständige „Warum“ auf, das wir so oft in Menschen finden. Das „Warum“ existiert nicht länger, weil wir die Antwort auf alle Fragen in uns selbst finden. Trotz all der Gelehrtheit der Welt, die wir beigebracht bekommen, wird nämlich dieses andauernde „Warum“ bleiben, solange diese Antwort nicht eröffnet wurde.
Und wieder können wir fragen, wie wir zu solchen Offenbarungen kommen. Die Antwort ist, dass es nichts im ganzen Universum gibt, das nicht im Menschen gefunden werden kann, wenn wir uns nur darum bemühen, es zu entdecken. Aber wenn wir sie nicht selbst herausfinden, kann niemand sie uns geben, denn Wahrheit wird nicht gelernt, Wahrheit wird entdeckt. In diesem Glauben begaben sich die Weisen des Ostens in die Einsamkeit und saßen in Meditation, um der Offenbarung die Gelegenheit zu geben, aufzusteigen. Zweifellos gibt es beim derzeitigen Lebensstil für uns kaum Zeit, in die Einsamkeit zu gehen. Aber das heißt nicht, dass wir weiterhin unwissend über das bleiben sollten, was das Beste in uns ist, denn alle anderen Schätze der Erde sind nichts im Vergleich zu der unermesslichen Glückseligkeit der Offenbarung; sie können nicht einmal damit verglichen werden. Offenbarung ist wie Aladdins Zauberlampe; wenn wir sie erst einmal entdeckt haben, wirft sie ihr Licht nach links und rechts und alle Dinge werden klar. (S. 213 ff.)
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Hazrat Inayat Khan (Heilung aus der Tiefe der Seele: Mystik und geistige Heilung)