“
What irritates me most of all about these morning people is their horribly good temper, as if they have been up for three hours and already conquered France.
”
”
Timur Vermes (Er ist wieder da)
“
Aber man weiß ja, was man von unseren Zeitungen zu halten hat. Da notiert der Schwerhörige, was ihm der Blinde berichtet, der Dorftrottel korrigiert es, und die Kollegen in den anderen Pressehäusern schreiben es ab.
”
”
Timur Vermes (Er ist wieder da)
“
He looked confused. “With your girlfriend, I mean. Who was to blame?”
“I don’t know,” I said. “Ultimately Churchill, I expect.
”
”
Timur Vermes (Er ist wieder da)
“
Germans today keep their waste more thoroughly separated than their races.
”
”
Timur Vermes (Er ist wieder da)
“
Os erros não existem para serem lamentados mas sim para não serem repetidos.
”
”
Timur Vermes (Er ist wieder da)
“
But with superior morale, with an unwavering, fanatical spirit, everything is possible!
”
”
Timur Vermes (Er ist wieder da)
“
Dieser Starbuck kann nicht überall zugleich kochen. Niemand weiß, von wem der Kaffee kommt, wir wissen nur: Der Starbuck, der war es nicht.
”
”
Timur Vermes (Er ist wieder da)
“
Am meisten ärgert mich an diesen Morgenmenschen diese entsetzliche gute Laune, als wären sie bereits drei Stunden wach und hätten da schon Frankreich überrannt.
”
”
Timur Vermes (Er ist wieder da)
“
Na, mein Führer, wie war die Nacht?
”
”
Timur Vermes (Er ist wieder da)
“
A large number of people had already gathered in the city centre to demonstrate against the government. Seemingly it had occurred to no-one to opt for the most obvious solution – stormtroopers.
”
”
Timur Vermes (Er ist wieder da)
“
In Berlin I have time and again met people who make no secret of the fact that their only reason for stirring at such an ungodly hour of the morning is so that they can leave the office earlier in the afternoon. I have suggested to several of these eight-hour logicians that they ought to start work at ten o’clock at night, thereby allowing them to leave at six in the morning and perhaps even arrive home before it is time to get up.
”
”
Timur Vermes (Er ist wieder da)
“
Great art must not be sullied by politics. One would never, after all, seek to embellish the Mona Lisa, not even with a swastika.
”
”
Timur Vermes (Er ist wieder da)
“
One must undertake everything with utter, fanatical determination. Or one will get nowhere.
”
”
Timur Vermes (Er ist wieder da)
“
Es ist übrigens bekannt, daß jemand, der auch nur ein einziges Mal in Gesellschaft etwas mehr als gewöhnlich und lebhaft oder gar witzig, interessant oder anregend gesprochen hat, ab da auf die Forderung aller anderen stößt, es nun wieder zu tun und sie also zu unterhalten. Tut er's dann nicht, wird man ihn geradezu befragen: „Nun, Herr X., Sie sind heute aber still?!“ […]. (Aus diesem einzigen und keinem anderen Grunde bleibt es ja immer eine Dummheit, in Gesellschaft etwas anderes als äußerste Langeweile darzubieten.)
”
”
Heimito von Doderer (Die Strudlhofstiege oder Melzer und die Tiefe der Jahre)
“
Es war sofort ersichtlich, dass er nicht um die Macht der Stille wusste, sondern sie eher fürchtete.
”
”
Timur Vermes (Er ist wieder da)
“
Wie sieht es mit ihrem nationalsozialistischen Hintergrund aus?" "Der ist einwandfrei", beruhigte ich sie.
”
”
Timur Vermes (Er ist wieder da)
“
Es ist unverantwortlich, dem Volkskörper zu schaden.
”
”
Timur Vermes (Er ist wieder da)
“
»Das ist ja das Schöne am Führerstaat. Sie haben nicht nur vorher einen Verantwortlichen oder währenddessen, sondern
”
”
Timur Vermes (Er ist wieder da)
“
In your heart of hearts, I believe all of you around this table know what this country needs.
”
”
Timur Vermes (Er ist wieder da)
“
You can forget Stalin,” he said, pledging his allegiance. “We’re not the History Channel.
”
”
Timur Vermes (Er ist wieder da)
“
Where do you get your Führer thing from?”
“From the Germanic peoples, ultimately.
”
”
Timur Vermes (Er ist wieder da)
“
« "Dica, non è che mi saccheggerà l'edicola?" Lo guardai indignato: "Le sembro forse un delinquente?" Mi guardò: "Mi sembra Adolf Hitler." "Appunto," dissi io. »
”
”
Timur Vermes (Er ist wieder da)
“
Je widerwärtiger der Gegner seine Bomben abwirft, desto fanatischer wird der Widerstand.
”
”
Timur Vermes (Er ist wieder da)
“
And stop smoking," I yelled after him. "You smell like cheap ham!
”
”
Timur Vermes (Er ist wieder da)
“
Das echte Liebesleid nistet sich an der Basis unserer Existenz ein, erwischt uns unerbittlich an unserem schwächsten Punkt, greift von da auf alles andere über und verteilt sich unaufhaltsam über unseren ganzen Körper und unser ganzes Leben. Wenn wir unglücklich verliebt sind, dienen unsere sämtlichen Leiden und Sorgen, vom Tod des Vaters bis hin zum banalsten Missgeschick, wie zum Beispiel einem verlegten Schlüssel, als neuerlicher Auslöser für den Urschmerz, der stets bereit ist, wieder anzuschwellen. Wessen Leben durch die Liebe auf den Kopf gestellt wird, so wie meines, der meint immer, zusammen mit dem Liebesleid würden auch alle anderen Sorgen ein Ende finden, und so rührt er unwillkürlich immer wieder an der Wunde in sich drinnen.
”
”
Orhan Pamuk (Masumiyet Müzesi)
“
Such people never focus on their own goal, they always elect to pursue the goal which promises the most rapid success, and yet fail to recognise that this success will never be their own.
”
”
Timur Vermes (Er ist wieder da)
“
Die großartigste Fähigkeit des menschlichen Geistes ist vielleicht die, mit Schmerzen fertig zu werden. Die klassische Philosophie spricht hier von den vier Pforten des Geistes, die man durchschreiten kann.
Die erste Pforte ist die des Schlafs. Der Schlaf beitet uns Zuflucht vor der Welt und all ihrem Leid. Im Schlaf vergeht die Zeit, und das verschafft uns Abstand zu den Dingen, die uns Schmerz zugefügt haben. Wenn Menschen Verletzungen erleiden, werden sie oft bewusstlos, und jemand, der eine furchtbare Nachricht erhält, fällt vielleicht in Ohnmacht. Der Geist schützt sich also vor dem Schmerz, indem er diese erste Pforte durchschreitet.
Die zweite Pforte ist die des Vergessens. Manche Wunden sind zu tief, um wieder verheilen zu können, oder zumindest zu tief für eine schnelle Heilung. Hinzu kommt, dass manche Erinnerungen ausschließlich schmerzlich sind und sich da nicht heilen lässt. Das Sprichwort "Die Zeit heilt alle Wunden" entspricht nicht der Wahrheit. Die Zeit heilt die meisten Wunden. Die übrigen sind hinter dieser Pforte verborgen.
Die dritte Pforte ist die des Wahnsinns. Manchmal erhält der Geist einen so verheerenden Schlag, dass er sich in den Wahnsinn flüchtet. Das ist nützlicher, als es zunächst scheint. Manchmal besteht die Wirklichkeit nur noch aus Schmerz, und um diesem Schmerz zu entrinnen, muss der Geist die Wirklichkeit hinter sich lassen.
Die vierte und letzte Pforte ist die des Todes. Der letzte Ausweg. Wenn wir erst einmal tot wären, könne uns nichts mehr etwas anhaben - heißt es jedenfalls.
”
”
Patrick Rothfuss (The Name of the Wind (The Kingkiller Chronicle, #1))
“
I had preached again and again that one must never finish off the east for good, that a certain element of conflict must always remain, that a healthy Volk needs a war every twenty five years for the renewal of its blood.
”
”
Timur Vermes (Er ist wieder da)
“
Die ersten Stunden am Kiosk gehörten den einfachen Arbeitern und den Rentnern. Sie redeten nicht viel, kauften Rauchwaren, die Morgenzeitung, vor allem eine Zeitung namens »Bild« war sehr beliebt, gerade auch bei Älteren, ich nahm an, weil der Verleger eine unerhört große Schrift bevorzugte, damit auch Menschen mit Sehschwäche nicht auf Informationen zu verzichten brauchten. Eine ausgezeichnete Idee, musste ich im Stillen zugeben, daran hatte nicht einmal der eifrige Goebbels gedacht
”
”
Timur Vermes (Er ist wieder da)
“
Eine Führerpersönlichkeit kann ohne Gedächnis sein. Vollkommen amnesiert. Denn die besondere Begabung des Führers ist nicht das Aufräumen trockener Fakten - seine besondere Begabung ist die rasche Entscheidung und die Übernahme der Verantwortung darfür.
”
”
Timur Vermes (Er ist wieder da)
“
Das wirkliche Leben, meint er, sei ja so anders...
Jedenfalls das seine, denkt er: da erkennt man keinen klaren Ablauf und keinen roten Faden, da zerrinnt es einfach, ohne Abschnitt und ohne Tat, die Leidenschaft zerrinnt in eine Stimmung, und auch die Entschlüsse sind wie Sand, der leise durch die Finger rinnt, immer wieder nimmt man eine neue Handvoll, und wenn man sie aufmacht, ist wieder nichts darin geblieben, man ist verzweifelt, und auch das zerrinnt, wie die Hoffnung und der Jubel und der Schmerz und alles, wie das ganze Leben.
”
”
Max Frisch (Antwort aus der Stille. Eine Erzählung aus den Bergen)
“
Wolln Se ´nen bestimmten Klingelton?", hatte Fräulein Krömeier gefragt. "Ich doch nicht", hatte ich spottend erwidert, "ich arbeite doch nicht in einem Großraumbüro!" "Na ja, dann mache ich halt den normalen rein." Daraufhin hörte man ein Geräusch, das klang, als spielte ein betrunkenener Clown Xylophon. Wieder und wieder. "Was ist denn das?", fragte ich entsetzt". "Det is ihr Telefon", sagte Fräulein Krömeier und fügte hinzu: "meen Führa!" "Und das klingt so?" "Nur, wenn et klingelt." "Machen sie das aus! Ich will nicht, dass die Leute mich für einen Idioten halten!
”
”
Timur Vermes (Er ist wieder da)
“
This black wardrobe all the time. This dark lipstick, this face which you always make up to look so pale, or at least that is the impression I get ... I - now, Fräulein Kromeier, please do not start crying again, I beg you - in 1916 I saw corpses on the Western Front that looked jollier than you!
”
”
Timur Vermes (Er ist wieder da)
“
An der Spitze des Landes stand eine klobige Frau mit der zuversichtlichen Ausstrahlung einder Trauerweide, die sich schon dadurch diskreditierte, dass sie den bolschewistischen Ostspuk sechsunddreißig Jahre lang mitgemacht hatte, ohne dass ihre Umgebung dabei irgendeine Form von Unwohlsein hatte feststellen können.
”
”
Timur Vermes (Er ist wieder da)
“
There are always advantages to having reached a certain time in one's life. I am most pleased that I did not come to politics until I was thirty, an age when a man finds his peace physically and sexually, and thus can focus all his energies on his actual goals, without his time and steel forever being purloined by the impulses of physical love.
”
”
Timur Vermes (Er ist wieder da)
“
Der sprachlose Papagei
Ein Kaufmann einen Papagei vor Jahren
besaß, in Sang und Rede wohl erfahren.
Der saß als Wächter an des Ladens Pforte
und sprach zu jedem Kunden kluge Worte.
Denn wohl der Menschenkinder Sprache kannt er,
doch seinesgleichen Weisen auch verstand er.
Vom Laden ging nach Haus einst sein Gebieter
und ließ den Papagei zurück als Hüter.
Ein Kätzlein plötzlich in den Laden sprang,
um eine Maus zu fangen; todesbang,
flatterte hin und her der Papagei
und stieß ein Glas mit Rosenöl entzwei.
von seinem Hause kam der Kaufmann wieder
und setzte sorglos sich im Laden nieder
und stieß das Rosenöl allüberall,
im Zorn schlug er das Haupt des Vogels kahl.
Die Zeit verstrich, der Vogel sprach nicht mehr.
Da kam die Reu´, der Kaufmann seufzte schwer.
Raufte sich den Bart und rief: "Weh mir umsponnen
ist mit Gewölk die Sonne meiner Wonnenn!
Wär mir, da auf den Redner ich den bösen
Schlag ausgeführt, doch lahm die Hand gewesen!"
Wohl gab er frommen Bettlern reiche Spende,
auf daß sein Tier die Sprache wiederfände;
umsonst! Als er am vierten Morgen klagend,
in tausend Sorgen, was zu machen sei,
daß wieder reden mög´sein Papagei,
ließ sich mit bloßem Haupt ein Büßer blicken,
den Schädel glatt wie eines Beckens Rücken.
Da hub der Vogel gleich zu reden an
und rief dem Derwisch zu: "Sag lieber Mann,
wie wurdest Kahlkopf du zum Kahlen? sprich!
Vergossest du vielleicht auch Öl wie ich?"
Man lachte des Vergleichs, daß seine Lage
der Vogel auf den Derwisch übertrage.
”
”
Jalal ad-Din Muhammad ar-Rumi
“
As I walked past I saw the extraordinary wreckage of beer-corpses. Somehow, despite all their economic mismanagement, these parties must have brought about an unexpected level of prosperity. Well, not having to wage war certainly saves the odd cost. Looking at the state of the Volk here, however, even the most deluded individual would have to admit than in 1942 or 1944, yes, even in the most harrowing nights of bombardment, the Germans were in better shape than on this September evening at the beginning of the third millennium.
”
”
Timur Vermes (Er ist wieder da)
“
Ich sehe die Szene schon vor mir, wie ich oben ankomme, mit dem Typ, der meinen Namen auf der Liste sucht und nicht findet.
"Wie heißen Sie nochmal?"
"Novecento."
"Nosjinskij, Notarbartolo, Novalis, Nozza..."
"Es ist nämlich so, daß ich auf einem Schiff geboren bin."
"Wie bitte?"
"Ich bin aif einem Schiff geboren und da auch gestorben, ich weiß nicht, ob das da aus der Liste hervorgeht..."
"Schiffbruch?"
"Nein. Explodiert. Dreizehn Zentner Dynamit. Bum."
"Aha. Ist soweit alles in Ordnung?"
"Ja, ja, bestens... das heißt... da ist noch die Sache mit dem Arm... ein Arm ist weg... aber man hat mir versichert..."
"Ein Arm fehlt ihnen?"
"Ja. Wissen Sie, bei de Explosion..."
"Da müßte noch ein Paar liegen... welcher fehlt Ihnen denn?"
"Der linke."
"Ach herrje."
"Was soll das heißen?"
"Ich fürchte, es sind zwei rechte, wissen Sie."
"Zwei rechte Arme?"
"Tja. Unter Umständen können Sie Schwierigkeiten haben,..."
"Ja?"
"Ich meine, wenn Sie einen rechten Arm nehmen würden..."
"Einen rechten Arm anstelle des linken?"
"Ja."
"Aber... nein, oder doch,... lieber einen rechten als gar keinen..."
"Das meine ich auch. Warten Sie einen Moment, ich hole ihn."
"Ich komme am besten in ein paar Tagen wieder vorbei, dann haben Sie vielleicht einen linken da..."
"Also, ich habe hier einen weißen und einen schwarzen..."
"Nein, nein, einfarbig... nichts gegen Schwarze, hm, es ist nur eine Frage der..."
Pech gehabt. Eine ganze Ewigkeit im Paradies mit zwei rechten Armen. (Näselnd gesprochen.) Und jetzt schlagen wir ein schönes Kreuz! (Er setzt zu dieser Geste an, hält aber inne. Er betrachtet seine Hände.) Nie weiß man, welche man nehmen soll. (Er zögert einen Augenblick, dann bekreuzigt er sich schnell mit beiden Händen.) Sich eine ganze ewigkeit, Millionen Jahre, zum Affen machen. (Wieder schlägt er mit beiden Händen ein Kreuz.) Die Hölle. Da gibt's nichts zu lachen.
(Er dreht sich um, geht auf die Kulissen zu, bliebt einen Schritt vor dem Abgang stehen, dreht sich erneut zum Publikum, und seine Augen leuchten.)
Andererseits... du weißt ja, daß Musik... mit diesen Händen, mit zwei rechten... wenn da nur ein Klavier ist...
”
”
Alessandro Baricco (Novecento. Un monologo)
“
Und plötzlich ist er wieder da - dieser unverwechselbare Duft, der durch die Abenddämmerung segelt. Doch diesmal währt er länger. Diesmal bleibt er mir in der Nase und endlich weiß ich, was das für ein Duft ist. Es ist der Duft schier unzähliger, vergangener Sommertage. Der Duft von Schnitzeljagden in harzschweren Fichtenwäldern und vom am See aufgehängter Badekleidung. Ich blicke über die glitzernde Stadt, deren winzige, vielfarbige Lichtpunkte in der schwarzen Nacht versinken, und suche in den Windungen meines Gehirns nach den Ursprüngen dieser Erinnerungen.
”
”
Dennis Stephan (Der Klub der Ungeliebten)
“
What irritates me most of all about these morning people is their horribly good temper, as if they have been up for three hours and already conquered France. Particularly since the vast majority of them, in spite of rising so appallingly early, have performed anything but great deeds. In Berlin I have time and again met people who make no secret of the fact that their only reason for stirring at such an ungodly hour of the morning is so that they can leave the office earlier in the afternoon. I have suggested to several of these eight-hour logicians that they ought to start work at ten o'clock at night, thereby allowing them to leave at six in the morning and perhaps even arrive home before it is time to get up. Some even took this for a serious suggestion. In my opinion, only bakers need to work early in the morning.
”
”
Timur Vermes (Er ist wieder da)
“
ich spüre wieder erschrocken, eine wie
schwache, armselige und quallige Substanz das
doch sein muß, was wir immer großspurig
Seele, Geist, Gefühl, was wir Schmerzen nen-
nen, da all dies selbst im äußersten Übermaß
nicht vermag, den leidenden Leib, den zer-
quälten Körper völlig zu zersprengen — weil
man ja doch solche Stunden mit weiterpo-
chendem Blut überdauert, statt hinzusterben und hinzustürzen wie ein Baum unterm Blitz.
Nur für einen Ruck, für einen Augenblick hatte
dieser Schmerz mir die Gelenke durchgerissen,
daß ich hinfiel auf jene Bank, atemlos, stumpf
und mit einem geradezu wollüstigen Vorgefühl
des Absterbenmüssens. Aber ich sagte es eben,
aller Schmerz ist feige, er zuckt zurück vor der
übermächtigen Forderung nach Leben, die
stärker in unserem Fleisch verhaftet scheint
als alle Todesleidenschaft in unserem Geiste.
Unerklärlich mir selbst nach solcher Zer-
schmetterung der Gefühle: aber doch, ich
stand wieder auf, nicht wissend freilich, was zu
tun.
”
”
Stefan Zweig (Sternstunden der Menschheit: Vierzehn historische Miniaturen (Gesammelte Werke in Einzelbänden) (German Edition))
“
Wozu hat der Herrgott dem Kain, dem ersten Mörder unter den Menschen, das
Kainszeichen aufgedrückt?
PAUL: Klar - damit man ihn erkennt, den Mörder, den Verbrecher, und vor ihm gewarnt ist und sich entsprechend verhalt...
FRANZ: Falsch! Sondern das Kainsmal sollte dazu dienen, dals Kain nichts geschieht, daß die Menschen ihm nichts tun, ihn nicht mehr weiter strafen, nachdem er vom Herrgott bestraft worden war, und damit sie ihn in Ruhe lassen. Geht dir jetzt ein, wozu das Kainszeichen da war? Denk doch nur einmal darüber nach, was sonst geschehen ware: das Morden hatte einfach nicht mehr aufgehort, ein Mord hatte den andern ergeben, ein Unrecht das andre gezeugt , wenn man immerfort Gleiches nur mit Gleichem heimgezahlt hätte. Nein! Endlich einmal soll die Kette des Bösen abgerissen werden!! Wir wollen nicht wieder und immer wieder Unrecht mit Unrecht vergelten, Haß mit Haß erwidern und Gewalt mit Gewalt! Die Kette, Paw, die... Kette - das ist es! Die muß endlich gesprengt werden...
”
”
Viktor E. Frankl (Yes to Life Inspite of Everything)
“
Wenn wir einsehen, dass das Urteilen nicht über dem Gegensatz von 'ist' und 'ist nicht' stehen kann, ziehen wir also nicht die Schlussfolgerung, dass das Urteilen zwei entgegengesetzte Formen hat, 'ist' und 'ist nicht'. Vielmehr folgern wir, dass es Ablehnung, Verneinung, Nein-Sagen ist. Das Urteilen ist nicht die unendliche Kraft, das Sein zu erfassen, sondern die universale Kraft zu Verneinen, auszulöschen, zu zermalmen. Die Kraft des Urteilens zur Negation ist universal, weil seine Idee von sich selbst als verneinen a priori ist, das heißt rein. Das Urteilen versteht sich selbst als Verneinen, indem es sich selbst in seiner absoluten Abstraktion erfasst. Da dieses Selbstverständnis von nichts Gegebenem abhängt, ist es absolut. Darum ist das Wort, das den Begriff des Gegenstands des Urteils ausdrückt, wie er im Selbstbewusstsein des Urteilens verstanden wird, »Nichts«. Während »nicht« der Spezifizierung dessen, was negiert werden soll, bedarf, gibt »Nichts« die Universalität des Verneinens wieder, als das sich das Urteilen selbst versteht.
”
”
Sebastian Rödl
“
…
Das verschlug mir für einen Moment die Sprache, ich hatte nicht gedacht, dass es so schlimm um sie stand. »Das tut mir leid … Kann ich irgendetwas tun?«
Nat lächelte schwach. »Hast du das nicht schon? Danke. Hau dich lieber ins Bett. Du musst früh raus. Oder hast du morgen keine Schicht?«
Während ich die restliche Soße in einen Behälter füllte und in den Kühlschrank stellte, nickte ich bejahend. »Stimmt, Punkt fünf muss ich dort sein, um bei den Vorbereitungen zu helfen.«
Seit ich vor sechs Monaten aus Amerika zurückgekommen war, jobbte ich als Frühstückskellner im Radisson Blu Palais Hotel, direkt am Parkring. Eine feine Adresse in Wien, vollgestopft mit gut betuchten Damen, die gerne zu viel Trinkgeld gaben. Mir konnte das mehr als Recht sein. Nur das Aufstehen war die Hölle.
»Du weißt, wie streng meine Chefin ist, da gibt es kein Zuspätkommen.«
Bei meinen Worten prustete Nat los: »Ja klar, als ob du sie nicht schon längst um den Finger gewickelt hättest mit deinen tiefblauen Augen«, wobei er das Wort tiefblau mit den Fingern in Anführungszeichen setzte und zu quietschen versuchte, wie es eine Bekannte von uns letzten Samstag auf einer Party getan hatte. Verspielt klimperte ich mit den Wimpern und lehnte mich an die Küchenzeile. Wieder musste Nat schmunzeln, wobei er dieses Mal schluckte, bevor er weiterredete: »Hör auf mit dem Scheiß. Verdammt, wenn ich eine Braut wäre, würde ich auch auf dich stehen. Aber weißt du was?« Nun tippte er mit der leeren Gabel in meine Richtung. »Ich würde nie mit dir ins Bett gehen, weil ich Angst vor Syphilis hätte.«
Theatralisch griff ich mir mit der Hand an die Brust und verzog schmerzverzerrt das Gesicht. »Das tut weh! Dabei wärst du so eine geile Schnitte, mit deinen blonden Locken und braunen Augen. Du brichst mir das Herz.«
Endlich erreichte Nats Lächeln auch wieder seine Augen und ich atmete innerlich erleichtert auf, bevor ich weiter blödelte. »Du bräuchtest dir gar keine Sorgen darum zu machen, Schatz. Ich nehme doch immer ein Kondom.«
»Zum Glück«, betonte er laut, »für die ganze Stadt, sonst würden drei Viertel der Frauen bereits krank im Spital liegen.«
Damit brachte er auch mich zum Lachen. »Du bist ein Idiot.«
Anstatt mir eine schnelle Retourkutsche zu verpassen, zwinkerte er mir zu und stopfte sich genüsslich den nächsten Happen in den Mund. »Deshalb ist es auch keine schlechte Idee, wenn du wieder losziehst, um die Frauen anderer Städte zu beglücken, damit unsere in Frieden weiterleben können. Weißt du schon, wann es soweit ist?«
Eigentlich hatte ich vorgehabt, spätestens im Herbst aufzubrechen und wieder für einige Zeit in Amerika herumzustreunen. Doch so wie mich Nat jetzt anguckte, wie ein zurückgelassener Welpe, meldete sich mein schlechtes Gewissen. Daher zuckte ich mit den Schultern. »Keine Ahnung. In den nächsten Monaten vielleicht. Warum?«
Er fragte nicht grundlos, etwas in seinem Blick machte mich unruhig, aber ich konnte nicht sagen was oder warum. Wir hatten die letzten Wochen schon einige Male darüber geredet. Bisher hatte er noch nie Probleme damit gehabt, dass ich manchmal für drei, vier Monate aus dem Land verschwand. Nat leckte die Gabel ab und stellte das Geschirr in die Spüle. »Nichts. Nur so.«
…
(Bildquelle: pinterest)
”
”
Martina Riemer
“
Bald sind sie allein auf der Tanzfläche, und Pierre führt seine Partnerin schon viel sicherer.
“Was haben sie mir denn da vorgemacht?” sagt Ève. “Sie tanzen doch sehr gut.”
“Das ist das erste Mal, dass man mir das sagt.”
“Sie brauchten eben mich als Tänzerin.”
“Ich glaube es fast …”
Sie sehen sich an und tanzen eine Weile schweigend.
“Sagen Sie”, fragte Pierre plötzlich, “was geht hier eigentlich vor? Vorhin dachte ich nur an meine Sorgen, und jetzt bin ich hier … Ich tanze und sehe nur Ihr Lächeln … Wenn das der Tod … wäre …”
“Das?”
“Ja. Mit Ihnen tanzen, immer, nichts sehen als Sie, alles andere vergessen …”
“Ja, und?”
“Der Tod wäre besser als das Leben. Finden sie nicht auch?”
“Halten Sie mich fester”, haucht sie.
Ihre Gesichter sind einander ganz nahe. Sie tanzen noch einen Augenblick weiter, und sie wiederholt:
“Halten sie mich fester…”
Plötzlich wird Pierres Gesicht traurig. Er hört auf zu tanzen, rückt ein wenig von Ève ab und murmelt:
“Es ist ja alles Theater. Ich habe Ihre Taille nicht einmal berührt …”
Ève begreift nun ebenfalls:
“Wahrhaftig”, sagt sie langsam, “wir tanzen jeder für sich …”
Sie bleiben voreinander stehen.
Dann streckt Pierre die Hände aus, als wolle er sie auf die Schultern der jungen Frau legen, dann zieht er sie unwillig wieder zurück:
“Mein Gott”, sagt er, “wie süß wäre es, Ihre Schultern zu berühren. Ich möchte so gerne Ihren Atem spüren, wenn Sie mich anlächeln. Aber auch das habe ich verpasst. Ich bin ihnen zu spät begegnet …”
Ève legt Pierre die Hand auf die Schulter.
Sie sieht ihn liebevoll an:
“Ich gäbe meine Seele dafür hin, einen Augenblick lang wieder zu leben und mit Ihnen zu tanzen.”
“Ihre Seele?”
“Das ist alles, was wir noch besitzen.”
Pierre nähert sich seiner Begleiterin und umfasst sie von neuem. Sie beginnen wieder zu tanzen, sehr zart, Wange an Wange, mit geschlossenen Augen.
”
”
Jean-Paul Sartre (Les jeux sont faits)
“
Der Handschuh
Vor seinem Löwengarten,
Das Kampfspiel zu erwarten,
Saß König Franz,
Und um ihn die Großen der Krone,
Und rings auf hohem Balkone
Die Damen in schönem Kranz.
Und wie er winkt mit dem Finger,
Auf tut sich der weite Zwinger,
Und hinein mit bedächtigem Schritt
Ein Löwe tritt,
Und sieht sich stumm
Rings um,
Mit langem Gähnen,
Und schüttelt die Mähnen,
Und streckt die Glieder,
Und legt sich nieder.
Und der König winkt wieder,
Da öffnet sich behend
Ein zweites Tor,
Daraus rennt
Mit wildem Sprunge
Ein Tiger hervor,
Wie der den Löwen erschaut,
Brüllt er laut,
Schlägt mit dem Schweif
Einen furchtbaren Reif,
Und recket die Zunge,
Und im Kreise scheu
Umgeht er den Leu
Grimmig schnurrend;
Drauf streckt er sich murrend
Zur Seite nieder.
Und der König winkt wieder,
Da speit das doppelt geöffnete Haus
Zwei Leoparden auf einmal aus,
Die stürzen mit mutiger Kampfbegier
Auf das Tigertier,
Das packt sie mit seinen grimmigen Tatzen,
Und der Leu mit Gebrüll
Richtet sich auf, da wird’s still,
Und herum im Kreis,
Von Mordsucht heiß,
Lagern die greulichen Katzen.
Da fällt von des Altans Rand
Ein Handschuh von schöner Hand
Zwischen den Tiger und den Leu’n
Mitten hinein.
Und zu Ritter Delorges spottenderweis
Wendet sich Fräulein Kunigund:
»Herr Ritter, ist Eure Liebe so heiß,
Wie Ihr mir’s schwört zu jeder Stund,
Ei, so hebt mir den Handschuh auf.«
Und der Ritter in schnellem Lauf
Steigt hinab in den furchtbarn Zwinger
Mit festem Schritte,
Und aus der Ungeheuer Mitte
Nimmt er den Handschuh mit keckem Finger.
Und mit Erstaunen und mit Grauen
Sehen’s die Ritter und Edelfrauen,
Und gelassen bringt er den Handschuh zurück.
Da schallt ihm sein Lob aus jedem Munde,
Aber mit zärtlichem Liebesblick –
Er verheißt ihm sein nahes Glück –
Empfängt ihn Fräulein Kunigunde.
Und er wirft ihr den Handschuh ins Gesicht:
„Den Dank, Dame, begehr ich nicht“,
Und verlässt sie zur selben Stunde.
”
”
Friedrich Schiller
“
Ehre und Scham vor dem Schlafe! Das ist das Erste! Und Allen aus dem Wege gehn, die schlecht schlafen und Nachts wachen! Schamhaft ist noch der Dieb vor dem Schlafe: stets stiehlt er sich leise durch die Nacht. Schamlos aber ist der Wächter der Nacht, schamlos trägt er sein Horn. Keine geringe Kunst ist schlafen: es thut schon Noth, den ganzen Tag darauf hin zu wachen. Zehn Mal musst du des Tages dich selber überwinden: das macht eine gute Müdigkeit und ist Mohn der Seele. Zehn Mal musst du dich wieder dir selber versöhnen; denn Überwindung ist Bitterniss, und schlecht schläft der Unversöhnte. Zehn Wahrheiten musst du des Tages finden: sonst suchst du noch des Nachts nach Wahrheit, und deine Seele blieb hungrig. Zehn Mal musst du lachen am Tage und heiter sein: sonst stört dich der Magen in der Nacht, dieser Vater der Trübsal. Wenige wissen das: aber man muss alle Tugenden haben, um gut zu schlafen. Werde ich falsch Zeugniss reden? Werde ich ehebrechen? Werde ich mich gelüsten lassen meines Nächsten Magd? Das Alles vertrüge sich schlecht mit gutem Schlafe. Und selbst wenn man alle Tugenden hat, muss man sich noch auf Eins verstehn: selber die Tugenden zur rechten Zeit schlafen schicken. Dass sie sich nicht mit einander zanken, die artigen Weiblein! Und über dich, du Unglückseliger! Friede mit Gott und dem Nachbar: so will es der gute Schlaf. Und Friede auch noch mit des Nachbars Teufel! Sonst geht er bei dir des Nachts um. Ehre der Obrigkeit und Gehorsam, und auch der krummen Obrigkeit! So will es der gute Schlaf. Was kann ich dafür, dass die Macht gerne auf krummen Beinen Wandelt? Der soll mir immer der beste Hirt heissen, der sein Schaf auf die grünste Aue führt: so verträgt es sich mit dem gutem Schlafe. Viel Ehren will ich nicht, noch grosse Schätze: das entzündet die Milz. Aber schlecht schläft es sich ohne einen guten Namen und einen kleinen Schatz. Eine kleine Gesellschaft ist mir willkommener als eine böse: doch muss sie
gehn und kommen zur rechten Zeit. So verträgt es sich mit gutem Schlafe. Sehr gefallen mir auch die Geistig-Armen: sie fördern den Schlaf. Selig sind die, sonderlich, wenn man ihnen immer Recht giebt. Also läuft der Tag dem Tugendsamen. Kommt nun die Nacht, so hüte ich mich wohl, den Schlaf zu rufen! Nicht will er gerufen sein, der Schlaf, der der Herr der Tugenden ist! Sondern ich denke, was ich des Tages gethan und gedacht. Wiederkäuend frage ich mich, geduldsam gleich einer Kuh: welches waren doch deine zehn Überwindungen? Und welches waren die zehn Versöhnungen und die zehn Wahrheiten und die zehn Gelächter, mit denen sich mein Herz gütlich that? Solcherlei erwägend und gewiegt von vierzig Gedanken, überfällt mich auf einmal der Schlaf, der Ungerufne, der Herr der Tugenden. Der Schlaf klopft mir auf meine Auge: da wird es schwer. Der Schlaf berührt mir den Mund: da bleibt er offen. Wahrlich, auf weichen Sohlen kommt er mir, der liebste der Diebe, und stiehlt mir meine Gedanken: dumm stehe ich da wie dieser Lehrstuhl. Aber nicht lange mehr stehe ich dann: da liege ich schon.
”
”
Friedrich Nietzsche (Thus Spoke Zarathustra)
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Aber in Venedig bekam das bloße Wort plötzlich für mich einen sinnlichen Inhalt. Ich kam von Mailand nachmittags in die geliebte Lagunenstadt. Kein Träger war zur Stelle, keine Gondel, müßig standen Arbeiter und Bahnbeamte herum, die Hände demonstrativ in den Taschen. Da ich zwei ziemlich schwere Koffer mit mir schleppte, blickte ich hilfesuchend um mich und fragte einen älteren Herrn, wo hier Träger zu finden seien. »Sie sind an einem schlechten Tag gekommen«, antwortete er bedauernd. »Aber wir haben jetzt oft solche Tage. Es ist wieder einmal Generalstreik.« Ich wußte nicht, warum Streik war, und fragte nicht weiter danach. Wir waren derlei von Österreich zu gewohnt, wo die Sozialdemokraten sehr zu ihrem Verhängnis allzuoft dieses ihr schärfstes Mittel einsetzten, ohne es dann faktisch auszuwerten. Ich schleppte also mühselig meine Koffer weiter, bis ich endlich aus einem Seitenkanal einen Gondoliere mir hastig und verstohlen zuwinken sah, der dann mich und die beiden Koffer aufnahm. In einer halben Stunde waren wir, an einigen gegen den Streikbrecher geballten Fäusten vorbeisteuernd, im Hotel. Mit der Selbstverständlichkeit einer alten Gewohnheit ging ich sofort auf den Markusplatz. Er sah auffallend verlassen aus. Die Läden der meisten Geschäfte waren herabgelassen, niemand saß in den Cafés, nur eine große Menge von Arbeitern stand in einzelnen Gruppen unter den Arkaden wie Menschen, die auf irgend etwas Besonderes warten. Ich wartete mit ihnen. Und dann kam es plötzlich. Aus einer Seitengasse marschierte oder eigentlich lief in hastigem Gleichschritt eine Gruppe junger Leute, gut geordnet, die in geübtem Takt ein Lied sangen, dessen Text ich nicht kannte – später wußte ich, daß es die ›Giovinezza‹ war. Und schon waren sie, Stöcke schwingend, in ihrem Laufschritt vorbei, ehe die hundertfach überlegene Masse Zeit gehabt hatte, sich auf den Gegner zu stürzen. Der verwegene und wirklich mutige Durchmarsch dieser kleinen organisierten Gruppe war so rasch erfolgt, daß sich die andern der Provokation erst bewußt wurden, als sie ihrer Gegner nicht mehr habhaft werden konnten. Ärgerlich scharten sie sich jetzt zusammen und ballten die Fäuste, aber es war zu spät. Der kleine Sturmtrupp war nicht mehr einzuholen.
Immer haben optische Eindrücke etwas Überzeugendes. Zum erstenmal wußte ich jetzt, daß dieser sagenhafte, mir kaum bekannte Faschismus etwas Reales sei, etwas sehr gut Geleitetes, und daß er entschlossene, kühne junge Menschen für sich fanatisierte. Ich konnte meinen älteren Freunden in Florenz und Rom seitdem nicht mehr beipflichten, die mit einem verächtlichen Achselzucken diese jungen Menschen als eine ›gemietete Bande‹ abtaten und ihren ›Fra Diavolo‹ verspotteten. Aus Neugier kaufte ich mir einige Nummern des ›Popolo d'Italia‹ und spürte an dem scharfen, lateinisch knappen, plastischen Stil Mussolinis die gleiche Entschlossenheit wie bei dem Sturmlauf jener jungen Leute über den Markusplatz. Selbstverständlich konnte ich die Dimensionen nicht ahnen, die dieser Kampf schon ein Jahr später annehmen sollte. Aber daß ein Kampf hier und überall bevorstand und daß unser Friede nicht der Friede war, war mir von dieser Stunde bewußt.
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Stefan Zweig (The World of Yesterday)
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Selig sind, die da Leid tragen,
denn sie sollen getröstet werden.
Die mit Tränen säen,
werden mit Freuden ernten.
Sie gehen hin und weinen
und tragen edlen Samen,
und kommen mit Freuden
und bringen ihre Garben
Denn alles Fleisch ist wie Gras
und alle Herrlichkeit des Menschen
wie des Grases Blumen.
Das Gras ist verdorret
und die Blume abgefallen.
So seid nun geduldig, lieben Brüder,
bis auf die Zukunft des Herrn.
Siehe, ein Ackermann wartet
auf die köstliche Frucht der Erde
und ist geduldig darüber, bis er empfahe
den Morgenregen und Abendregen.
Aber des Herrn Wort bleibet in Ewigkeit.
Die Erlöseten des Herrn werden wieder kommen,
und gen Zion kommen mit Jauchzen;
ewige Freude wird über ihrem Haupte sein;
Freude und Wonne werden sie ergreifen
und Schmerz und Seufzen wird weg müssen
Herr, lehre doch mich,
daß ein Ende mit mir haben muß,
und mein Leben ein Ziel hat,
und ich davon muß.
Siehe, meine Tage sind
einer Hand breit vor dir,
und mein Leben ist wie nichts vor dir.
Ach wie gar nichts sind alle Menschen,
die doch so sicher leben.
Sie gehen daher wie ein Schemen,
und machen ihnen viel vergebliche Unruhe;
sie sammeln und wissen nicht
wer es kriegen wird.
Nun Herr, wess soll ich mich trösten?
Ich hoffe auf dich.
Der Gerechten Seelen sind in Gottes Hand
und keine Qual rühret sie an
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Anonymous
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Bei Durchblättern von Büchern, die ich immer wieder zur Hand nehme, stoße ich auf Unterstreichungen wie diese: »Heute, so scheint es ihm, schreibt er mehr aus einer freien Position heraus. … Er sagt das ohne den Dünkel, der solche Unabhängigkeitserklärungen begleiten kann, und ohne die Pose des Traurigseins, mit der man eine Einsamkeit zugibt«. Die Sätze stammen aus Roland Barthes’ autobiographischem Buch Über mich selbst. Ich muss die Unterstreichung vor langer Zeit gemacht haben. Trotzdem habe ich das Gefühl, sie zum ersten Mal zu lesen.
Wenn ich in Maggie Nelsons Bluets blättere, ihren Reflexionen über das Ende einer Liebesaffäre und die Anziehungskraft der Farbe Blau, wartet, in verblassendem Neonrosa markiert, folgender Satz auf mich: »Ich habe schon seit einiger Zeit versucht, in meiner Einsamkeit Würde zu finden. Ich habe festgestellt, dass ich damit Schwierigkeiten habe.«Drei Ausrufezeichen stehen neben der Anstreichung. Es muss eine Zeit gegeben haben, in der ich mich mit Nelsons Lakonie identifizieren konnte. Tue ich das jetzt auch noch?
Und schließlich, beim Blick in Marguerite Duras’ Écrire, ihren Essay über die Einsamkeit von Schreibenden: »Sobald der Mensch allein ist, stürzt er in die Unvernunft. Ich glaube Folgendes: Ich glaube, dass eine auf sich allein gestellte Person immer schon vom Wahnsinn gezeichnet ist, da sie nichts vor dem Einbruch des eigenen Deliriums schützt.«1 Wenn ich diese Zeilen lese, schlägt mein Herz etwas schneller. Unfreiwillige Wellen des Erkennens unter Regungen des Widerstands. Haltung bewahren, den Blick nach vorn.
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Daniel Schreiber (Allein)
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„Ich renne nicht weg wie du“, brummt er daraufhin und hält mich an den Hüften fest. „Im Gegenteil. Ich laufe dir sogar hinterher.“ Er nickt nach draußen, wo es bereits dunkel wird. „In die tiefste Einöde Kanadas. Die Goldmedaille für den besten Freund der Welt habe ich mir damit verdient, oder?“
Erst lache ich, doch dann werde ich schnell wieder ernst und sehe auf seine Brust. „Bist du das denn?“
„Dein Freund?“ Connors Braue springt in die Höhe. „Korrigiere mich, wenn ich falsch liege - und du bist derjenige, der Beziehungserfahrung hat - aber es ist doch genau das, was wir haben. Du lebst bei mir, wir arbeiten zusammen, du hast deine Zunge da, wo sie noch keine Frau je hatte…“ -S.286
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Alessia Gold (Puck Mates: Gabe & Connor)
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»Hab ich irgendwo einen Fleck?«, murmelte ich und senkte den Blick.
»Nein«, sagte er. »Aber eine Spinne in den Haaren.«
Ich starrte ihn an, sprang wie von der – Achtung, Wortwitz – Tarantel gestochen auf und schüttelte meine Haare aus. »Ist sie weg?«, rief ich.
Statt einer Antwort, hörte ich ihn leise lachen. Ich blinzelte durch meine Haare hindurch und sah wieder diesen unverschämten Schalk in seinen Augen aufblitzen.
»Da war überhaupt keine Spinne … oder?« Fünf Personen fingen an zu grinsen und beantworteten meine Frage mit einem Kopfschütteln.
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Carina Bartsch
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Der Junge, der Träume schenkte: Roman (German Edition) by Luca Di Fulvio
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Und sie, die Mutter, hörte den Gutsherrn lachen, bis seine Stimme sich in der Staubwolke hinter dem Wagen verlor. Cetta nämlich – das sagte jeder, der Gutsherr jedoch ein wenig zu oft – war ein wirklich hübsches Mädchen und würde gewiss einmal eine bildschöne junge Frau werden.Read more at location 47
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Im Frühsommer sagte die Mutter zur Tochter, sie könne nun wieder genesen. Ganz langsam, um keinen Verdacht zu erregen. Cetta war dreizehn Jahre alt und hatte sich entwickelt. Doch das Jahr als Krüppel hatte sie ein wenig zum Krüppel gemacht. Und nie wieder, auch nicht, als sie erwachsen war, sollte es ihr gelingen, vollkommen gerade zu gehen. Sie lernte, ihren Makel zu überspielen, aber sie richtete sich nie mehr ganz auf. Die linke Brust war ein wenig kleiner als die rechte, die linke Schulter ein wenig gekrümmter als die rechte, der linke Oberschenkel ein wenig gedrungener als der rechte. Zudem war das gesamte Bein, das ein Jahr lang die Schulter nach unten gezogen hatte, steif geworden, oder die Sehnen hatten sich verhärtet, wodurch das Mädchen ein wenig zu hinken schien.Read more at location 69
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Aus dem Augenwinkel konnte sie beobachten,Read more at location 98
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wie die Männer das geschnittene Getreide beiseiteschoben und schließlich lachend erkannten, wer das ungewöhnliche Geräusch verursachte. Die Frauen, die sich dem Schauplatz genähert hatten, taten verlegen und schlugen sich die von weißen Spitzenhandschuhen verhüllten Hände vor den Mund, um ein Kichern zu unterdrücken, bevor alle wieder davonspazierten, da es bald Zeit für das Mittagessen war.Read more at location 98
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Brot und einem Schluck Wasser zu ihr zurückkommen, und lachend erklärte, sie beide würden viel Spaß miteinander haben. Und erst als Cetta hörte, wie die eiserne Luke von außen geschlossen wurde, trat sie vom Bullauge zurück und wischte sich mit dem Stroh, das auf dem Boden des Frachtraumes ausgestreut war, die Beine ab, bis sie ganz zerkratzt waren. Sie nahm Natale auf den Arm, entblößte die von den Händen des Kapitäns noch gerötete Brust und gab sie dem Jungen. Als das Kind danach in seinem stinkenden Hundekorb langsam in den Schlaf fiel, verkroch Cetta sich in eine dunklere Ecke, und während ihr die Tränen über die Wangen liefen, dachte sie: Sie sind salzig wie das Meer, das zwischen mir und Amerika liegt. Sie sind ein Vorgeschmack auf den Ozean, und sie leckte sie auf und versuchte, dabei zu lächeln.Read more at location 136
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Mit Blick auf den Laden lehnte er sich gegen die Wand und lachte. Sein Lachen klang nicht wie das eines Erwachsenen, aber auch nicht wie das eines Kindes. Ebenso wie seine blonden Haare nicht zu einem Italiener passten und seine dunklen Augen nicht zu einem Iren. Ein Junge mit einem Niggernamen, der nicht so recht wusste, wer er war. »Die Diamond Dogs«, murmelte er und grinste zufrieden vor sich hin.Read more at location 237
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»Das kostet ... das kostet fünf Cent ...« Lachend zuckte Christmas die Schultern. »Geld. Ist doch nur Geld. Reicht doch, wenn man’s hat, oder?«Read more at location 276
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Der Anwalt sagte etwas und blickte auf Cetta, die den Jungen im Arm hielt, der eben erst von dem Inspektor der Einwanderungsbehörde auf den Namen Christmas getauft worden war. »Um dich können wir uns kümmern«, übersetzte der andere. »Aber das Kind könnte ein Problem sein.« Ohne den Blick niederzuschlagen, drückte Cetta ihren Sohn an sich und schwieg. Der Anwalt rollte die Augen zur Decke, bevor er erneut sprach. »Wie willst du mit dem Jungen arbeiten?«, übersetzte wieder der andere. »Wir bringen ihn an einen Ort, an dem er in Ruhe aufwächst.«Read more at location 320
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Luca Di Fulvio
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Was der Mensch auch ist ist oder was er auch vorgibt, er hat ein friedloses Herz, das nach Frieden schreit. Es ist so viel Schmutz und Schuld da - wie aber werde ich frei, wie komme ich ins Licht? Hier ist ein Herz, das schreit nach Jesus. Das habe ich immer wieder gelernt. Ich habe gelernt, den Menschen ihr "Lametta" nicht zu glauben und ihre steifen Mützen und was sie sonst noch so tun, um sich wichtig zu machen. Oder Orden und Fracks oder immer wieder Neues, was Menschen erfinden, um sich wie Paradiesvögel zu kleiden. Das glaube ich ihnen nicht mehr, sondern ich glaube, dass der Mensch von heute, genau wie vor 2000 Jahren, ein armer Mensch ist, der nichts nötiger braucht, als den Heiland, den Sohn Gottes, der ihm Frieden mit Gott schenkt.
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Wilhelm Busch
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Bambi schien das eine wie das andere überaus hochmütig, die Art, wie der Hirsch ihn angeblickt hatte, und die Art, wie er jetzt vor sich hin sah, als sei niemand sonst zugegen.
Bambi wußte nicht, was er tun sollte. Er war mit der festen Absicht herausgekommen, den Hirsch anzusprechen. Guten Morgen, hatte er sagen wollen, ich heiße Bambi... darf ich um Ihren werten Namen bitten?
Jawohl! Er hatte sich das sehr einfach vorgestellt, und nun zeigte es sich, daß die Sache doch nicht so einfach war. Was half da die beste Absicht? Bambi wollte nicht gerne ungezogen sein, und das war er, wenn er hier herauskam, ohne ein Wort zu sagen. Er wollte auch nicht zudringlich sein, und das war er, wenn er zu reden anfing.
Der Hirsch stand empörend majestätisch da. Bambi war hingerissen und fühlte sich gedemütigt. Vergebens suchte er sich aufzurütteln und wiederholte immer wieder nur den einen Gedanken: Warum lasse ich mich denn einschüchtern..? Ich bin gerade so viel wie er... gerade so viel wie er!
Es half nichts. Bambi blieb eingeschüchtert und spürte es im Grunde seines Wesens, daß er doch nicht gerade so viel sei. Lange nicht. Ihm war jämmerlich zumut, und er brauchte seine ganze Kraft, um einigermaßen Haltung zu bewahren.
Der Hirsch sah ihn an und dachte: Er ist reizend... er ist wirklich entzückend... so hübsch... so zierlich... so fein in seinem ganzen Benehmen... Aber ich darf ihn nicht so anstarren. Das schickt sich wirklich nicht. Außerdem könnte es ihn auch in Verlegenheit bringen.
Und er schaute wieder über Bambi weg ins Leere.
Dieser hochmütige Blick! stellte Bambi fest. Es ist unerträglich, was so einer sich einbildet!
Der Hirsch dachte: Ich möchte gerne mit ihm sprechen... er ist so sympathisch... wie dumm, daß man nie miteinander redet! Und er blickte nachdenklich vor sich hin.
Ich bin Luft für ihn, sagte Bambi, diese Sippe tut immer, als sei sie ganz allein auf der Welt!
Aber was soll ich zu ihm sagen..? überlegte der Hirsch, ... ich habe keine Übung... ich werde eine Dummheit sagen und mich lächerlich machen... denn er ist gewiß sehr klug.
Bambi nahm sich zusammen und sah den Hirsch fest an. Wie prächtig er ist! dachte er verzweifelt.
Nun... vielleicht ein andermal... entschloß sich schließlich der Hirsch und ging unzufrieden, aber herrlich davon.
Bambi blieb verbittert zurück.
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Felix Salten (Bambi: A Life in the Woods)
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Hier, vorübergehend fern von Flüchen und von Schlägen, haben wir die Möglichkeit, wieder zu uns selbst zu finden und nachzudenken, und da wird uns klar, dass wir nie zurückkehren werden. (...) Wir werden nicht zurückkehren. Von hier darf keiner fort, denn er könnte mit dem ins Fleisch geprägten Mal auch die böse Kunde in die Welt tragen, was in Auschwitz Menschen aus Menschen zu machen gewagt haben.
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Primo Levi (Ist das ein Mensch?)
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Es war einmal ein Pferd ohne Hals, dafür aber mit Kopf. Ein Mann ohne Job begegnete diesem Pferd auf einem Weg ohne Anfang. Der Mann setzte sich auf das Pferd, tätschelte seinen Kopf, der Kopf fiel, da auf keinem Hals befestigt, runter, rollte den Weg ohne Anfang entlang zum Ziel, wohin der Mann ihm nachlief, ihn aufhob uns sagte: "Jetzt kehre ich um, und betrachte das Ziel als Anfang, so dass der Weg plötzlich doch einen Anfang hat und dieser Defekt damit behoben ist."
Er nahm den Kopf untern Arm, stellte sich hinter das Pferd und begann, danach zu treten, damit es loslief. Es lief auch tatsächlich los, und zwar ziemlich schnellm ohne Hals und Kopf.
Der Mann kam kaum noch hinterher. Der Abstand vergrößerte sich immer mehr, denn der Weg hatte kein Ziel, und wäre der Mann nun abermals umgekehrt, hätte sich der Abstand nur rascher vergrößert, um sich vielleicht nie wieder verringern zu lassen. Das Problem des Mannes wuchs gewaltig.
Als ihm der Pferdekopf allmählich zu schwer wurde und er ihn dennoch nicht fallenlassen wollte, weil er sich nicht zu Unrecht dafür verantwortlich fühlte, war der Kopf doch nur aufgrund seiner Tätschelei vom Rumpf des Pferdes getrennt worden, da nahm der Abstand zu, und das Problem wuchs, und das Pferd galoppierte, und der Kopf des Tieres schlief ein, und es gab keine Lösung, keine Hoffnung und kein Ziel. Immerhin schien die Sonne.
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Dietmar Dath (Verbotene Verbesserungen)
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Dass der Weg das Ziel ist, dieser Spruch soll wohl Mut machen, mich stimmt er traurig. Bedeutet er denn nicht, dass man niemals irgendwo ankommen wird? Man geht den Weg vorwärts und sucht, und irgendwann sperrt einem der Tod alle Straßen ab. […] Ich will einmal irgendwo ankommen und leben, und sei es nur für kurze Zeit, glücklich leben, ein Glück spüren, das man betasten und an sich pressen kann. Muss nicht lange dauern, nur so lange, dass man sich dessen bewusst wird und laut zur Sonne hinaufrufen kann, heute, heute geht es mir gut und ich habe gefunden, wonach ich so lange gesucht hab, es ist alles schön und ich möchte in tiefer Demut Danke sagen – und wenn ich es je erreichen sollte, dann werde ich es nie mit der Angst beschmutzen, es könne wieder verloren gehen, denn es ist ja da und beschenkt mich. Verloren gehen wird es, das zu wissen, sollte die Angst doch wohl betäuben.
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Helmut Krausser (Eros)
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Es ist ein Verstoß gegen den natürlichen Lauf der Dinge“, sagt sie schließlich. „Im Glauben meines Volkes ist es nämlich so: Die Natur hat uns allen das Leben geschenkt. Dir und mir, den Vögeln, die in diesem Moment um uns herum singen, den Mäusen, die durch das Dickicht huschen, den Kräutern und den Bäumen. Aber dieses Geschenk ist eigentlich bloß eine Leihgabe. Irgendwann kommt der Tag, da holt sie es sich zurück. Dann verwandeln wir uns zu Staub und werden wieder eins mit ihr. Bis sie uns erneut auf die Reise schickt, uns Leben gibt, in einem anderen Körper und zu einer anderen Zeit. Wir sind Teil eines ewigen Kreislaufs der Energien, verstehst du? Und die Natur allein bestimmt, wie er zu verlaufen hat. So wie sie bestimmt hat, dass Pflanzen über der Erde wachsen, dem Licht entgegen. Dass sie nur zu bestimmten Zeiten im Jahr Früchte tragen. Dass Bäume jeden Herbst ihre Blätter verlie-ren, um in den Winterschlaf zu gehen. Wir Menschen mögen vielleicht zu klein und unbedeutend sein, um den Sinn hinter diesen Regeln zu verstehen. Wir mö-gen uns fragen, warum wir nicht immer Äpfel essen können, warum die Winter so kalt und die Sommer so heiß sind. Dennoch müssen wir uns dem beugen. Das nicht zu tun … so radikal einzugreifen in das, was unsere Natur uns geschenkt hat … das fühlt sich für mich an wie ein furchtbares Sakrileg.
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Eva Klocke (Immuna X (German Edition))
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Im Ballsaal selbst, amüsierten sich die Verkleideten prächtig und die in rotem Umhang und roter Maske gehüllte Figur fiel kaum auf. Bei genauerem Hinsehen hätte der geschulte Beobachter, die aus Knochen bestehenden Stiefel bemerkt, die nicht zum Rest des Kostüms passen wollten. Aber da jeder ausgelassen feierte, blieb dieses Detail im Verborgenen. Der rote Tänzer zog durch den Saal, federleicht tanzte er umher. Hier kratzte er im Vorbeigehen mit seinen eiterverkrusteten Fingernägeln den adeligen Damen über den Nacken, dort hustete er einigen alten Baronen und Bankiers, kleine nicht sichtbare Bazillen in ihr Gesöff, welches sie begierig austranken. Einer dicken Botschafterin, steckte er, nach dem er sie eifrig umworben hatte, seine fahle graue Zunge in den Hals, die sie lüstern mit der eigenen erkundete. Dann ließ er wieder von ihr ab und mühte sich, jeden der ihm vor die Füße kam, emsig mit einem kräftigen Händedruck zu begrüßen. Eine eitrige Flüssigkeit troff zwischen seinen Fingern dabei hervor. Seine langen, spitzen und ungepflegten Fingernägel, verursachten bei jedwedem Handschlag kleine, kaum merkliche Verletzungen auf der Handinnenfläche der Begrüßten. Das abgesonderte Sekret konnte damit in den Körper eindringen und seine Arbeit verrichten. Immer ausgelassener tanzte der Rotmaskierte, als es auf Mitternacht zuging und erregte die Aufmerksamkeit des Grafen, der wieder auf der Empore stand und sich auf seine Ansprache vorbereitete. »Mon dieu, ein wahrhaft großartiger Tanz-Künstler. Unterdessen alle anderen zu ermüden scheinen, tanzt er weiter wie ein junger Gott.«
Der Graf blickte zur Decke, während der begnadete Tänzer ungesehen einen gelblichen Sputum-Brocken im Vorbeitanzen, dem Comte Du Monet in dessen frisch zubereitete Crème brûlée spie. »Möge es Euch munden edler Comte«, gab er lachend von sich und der Adelige nickte ihm dankbar zu. »Selbst maskiert, erkennen mich die Leute, das ist meiner einzigartigen würdevollen Ausstrahlung geschuldet.« Selbstzufrieden nahm er einen Löffel der Süßspeise zu sich und erfreute sich derer Konsistenz.
Als die Uhr Mitternacht schlug, gebot der Graf dem grandiosen Orchester Einhalt. Doch nur schleppend kehrte Ruhe im Saal ein, überall vernahm man hustende und röchelnde Laute. »Sacrebleu, was ist denn nur los mit ihnen?«, überlegte De Momiray.
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Bernhard Grendel-Grim (Erabadul - Böse Geschichten: Band I (German Edition))
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Während der von Begriffen und Abstraktionen geleitete Mensch durch diese das Unglück nur abwehrt, ohne selbst aus den Abstraktionen sich Glück zu erzwingen, während er nach möglichster Freiheit von Schmerzen trachtet, erntet der intuitive Mensch, inmitten einer Kultur stehend, bereits von seinen Intuitionen, außer der Abwehr des Übels, eine fortwährend einströmende Erhellung, Aufheiterung, Erlösung. Freilich leidet er heftiger, wenn er leidet: ja er leidet auch öfter, weil er aus der Erfahrung nicht zu lernen versteht und immer wieder in dieselbe Grube fällt, in die er einmal gefallen. Im Leide ist er dann ebenso unvernünftig wie im Glück, er schreit laut und hat keinen Trost. Wie anders steht unter dem gleichen Mißgeschick der stoische, an der Erfahrung belehrte, durch Begriffe sich beherrschende Mensch da! Er, der sonst nur Aufrichtigkeit, Wahrheit, Freiheit von Täuschungen und Schutz vor berückenden Überfällen sucht, legt jetzt, im Unglück, das Meisterstück der Verstellung ab, wie jener im Glück; er trägt kein zuckendes und bewegliches Menschengesicht, sondern gleichsam eine Maske mit würdigem Gleichmaße der Züge, er schreit nicht und verändert nicht einmal seine Stimme, wenn eine rechte Wetterwolke sich über ihn ausgießt, so hüllt er sich in seinen Mantel und geht langsamen Schrittes unter ihr davon.
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Friedrich Nietzsche (Basic Writings of Nietzsche)
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Während
der von Begriffen und Abstraktionen geleitete Mensch durch diese das Unglück nur abwehrt, ohne
selbst aus den Abstraktionen sich Glück zu erzwingen, während er nach möglichster Freiheit von
Schmerzen trachtet, erntet der intuitive Mensch, inmitten einer Kultur stehend, bereits von seinen
Intuitionen, außer der Abwehr des Übels, eine fortwährend einströmende Erhellung, Aufheiterung,
Erlösung. Freilich leidet er heftiger, wenn er leidet: ja er leidet auch öfter, weil er aus der Erfahrung
nicht zu lernen versteht und immer wieder in dieselbe Grube fällt, in die er einmal gefallen. Im
Leide ist er dann ebenso unvernünftig wie im Glück, er schreit laut und hat keinen Trost. Wie
anders steht unter dem gleichen Mißgeschick der stoische, an der Erfahrung belehrte, durch
Begriffe sich beherrschende Mensch da! Er, der sonst nur Aufrichtigkeit, Wahrheit, Freiheit von
Täuschungen und Schutz vor berückenden Überfällen sucht, legt jetzt, im Unglück, das
Meisterstück der Verstellung ab, wie jener im Glück; er trägt kein zuckendes und bewegliches
Menschengesicht, sondern gleichsam eine Maske mit würdigem Gleichmaße der Züge, er schreit
nicht und verändert nicht einmal seine Stimme, wenn eine rechte Wetterwolke sich über ihn
ausgießt, so hüllt er sich in seinen Mantel und geht langsamen Schrittes unter ihr davon.
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Friedrich Nietzsche (Basic Writings of Nietzsche)