“
Nur wer erwachsen wird und ein Kind bleibt, ist ein Mensch.
”
”
Erich Kästner
“
Ein Freund ist ein Mensch, der die Melodie deines Herzen kennt und sie dir vorspielt, wenn du sie vergessen hast.
”
”
Albert Einstein
“
Unsere Träume, Unsere Sehnsüchte, und bunten Hoffnungen wollen ernst und wichtig genommen werden.
Wer sie verdrängt, unterdrückt das Beste in sich und wird ein leerer Mensch.
”
”
Friedrich Schiller
“
Ein Optimist ist ein Mensch, der ein Dutzend Austern bestellt, in der Hoffnung, sie mit der Perle, die er darin findet, bezahlen zu können.
”
”
Theodor Fontane
“
Du bist für diese einfache, bequeme, mit so wenigem zufriedene Welt von heute viel zu anspruchsvoll und hungrig, sie speit dich aus, du hast für sie eine Dimension zu viel. Wer heute leben und seines Lebens froh werden will, der darf kein Mensch sein wie du und ich. Wer statt Gedudel Musik, statt Vergnügen Freude, statt Geld Seele, statt Betrieb echte Arbeit, statt Spielerei echte Leidenschaft verlangt, für den ist diese hübsche Welt hier keine Heimat…
”
”
Hermann Hesse (Steppenwolf)
“
Ein Mensch stirbt. Und? Nichts weiter. Der Wind weht weiter. Die Elbe quasselt weiter. Die Straßenbahn klingelt weiter.
”
”
Wolfgang Borchert (Draußen vor der Tür)
“
Du bist, was du liebst, nicht wer dich liebt. [...] Was ich damit sagen wolle? [...] Dass ein Mensch, der liebt, immer schon gewonnen hat, egal ob sich seine Liebe erfüllt oder nicht.
”
”
Peter Stamm (Seven Years)
“
Träume und Märchen waren ihr eigentlicher Lebensinhalt, dachte ich jetzt. Deshalb hat sie sich auch umgebracht, dachte ich, weil ein Mensch, der nur Träume und Märchen sich zu seinem Lebensinhalt gemacht hat, in dieser Welt nicht überleben kann, nicht überleben darf, dachte ich.
”
”
Thomas Bernhard (Woodcutters)
“
Wenn ich in Unterleuten eins gelernt habe, dann dass jeder Mensch ein eigenes Universum bewohnt, in dem er von morgens bis abends recht hat.
”
”
Juli Zeh (Unterleuten)
“
Die Definition eines Arschlochs ist ein Mensch, der nicht glaubt, was er sieht.
”
”
Richard Bachman
“
Wir sagen natürlich, die Bullen sind Schweine. Wir sagen, der Typ in Uniform ist ein Schwein, kein Mensch. Und so haben wir uns mit ihnen auseinanderzusetzen. Das heißt, wir haben nicht mit ihm zu reden, und es ist falsch, überhaupt mit diesen Leuten zu reden. Und natürlich kann geschossen werden.
”
”
Ulrike Marie Meinhof
“
Als Körper ist jeder Mensch eins, als Selle nie.
”
”
Hermann Hesse (Steppenwolf)
“
Jeder Mensch ist ein Abgrund, es schwindelt einem, wenn man hinabsieht.
”
”
Georg Büchner (Woyzeck)
“
Jetzt sehe ich erst, daß du ein Mensch bist wie ich. Ich habe gedacht an deine Handgranaten, an dein Bajonett und deine Waffen – jetzt sehe ich deine Frau und dein Gesicht und das Gemeinsame. Vergib mir, Kamerad! Wir sehen es immer zu spät. Warum sagt man uns nicht immer wieder, daß ihr ebenso arme Hunde seid wie wir, daß eure Mütter sich ebenso ängstigen wie unsere und daß wir die gleiche Furcht vor dem Tode haben und das gleiche Sterben und den gleichen Schmerz –. Vergib mir, Kamerad, wie konntest du mein Feind sein? Wenn wir diese Waffen und diese Uniform fortwerfen, könntest du ebenso mein Bruder sein wie Kat und Albert. Nimm zwanzig Jahre von mir, Kamerad, und stehe auf – nimm mehr, denn ich weiß nicht, was ich damit noch beginnen soll.
”
”
Erich Maria Remarque (All Quiet on the Western Front)
“
Heute geht es mir besser, ich bin fast ein Mensch.
”
”
Herta Müller (The Land of Green Plums)
“
Denn der Mensch liebt und ehrt den Menschen , solange er ihn nicht zu beurteilen vermag, und die Sehnsucht ist ein Erzeunis mangelhafter Erkenntnis.
”
”
Thomas Mann (Death in Venice)
“
Als junger Mensch hatte ich das Gefühl, ein anderes, falsches Leben zu führen. Noch stärker als meine Geschwister habe ich mich gefragt, wie sehr mich Ereignisse aus meiner Kindheit und Jugend bestimmt haben, und erst spät habe ich verstanden, dass in Wahrheit nur ich selbst der Architekt meiner Existenz bin. Ich bin es, wenn ich zulasse, dass meine Vergangenheit mich beeinflusst, und ich bin es umgekehrt genauso, wenn ich mich ihr widersetzte.
”
”
Benedict Wells (Vom Ende der Einsamkeit)
“
Jeder Tag gibt mir die Chance, neu anzufangen und ein guter Mensch zu sein.
”
”
Mona Kasten (Trust Again (Again, #2))
“
„Ein Mensch kann niemals Tier werden, er stürzt am Tier vorbei in den Abgrund
”
”
Marlen Haushofer
“
Eine jede Hoffnung ist ohne Sinn. Kein Mensch verfalle auf die Idee, auf die Erfüllung seiner Träume zu sinnen. Vielmehr soll er den Irrsinn des Hoffens begreifen. Hat er ihn begriffen, darf er hoffen. Wenn er dann noch träumen kann, hat sein Leben Sinn.
”
”
Robert Schneider (Schlafes Bruder)
“
Nicht die Wahrheit, in deren Besitz irgend ein Mensch ist oder zu sein vermeinet, sondern die aufrichtige Mühe, die er angewandt hat, hinter die Wahrheit zu kommen, macht den Wert des Menschen.
”
”
Gotthold Ephraim Lessing
“
Auf einmal kam Mia die Vorstellung, dass ein Vampir sich in einen Menschen verlieben könnte, unglaublich absurd vor; das wäre ja beinahe so, als würde sich ein Mensch in ein Sandwich verlieben.
”
”
Gesa Schwartz (Das Siegel des Feuers (Grim, #1))
“
Ein Gott ist der Mensch, wenn er träumt, ein Bettler, wenn er nachdenkt.
”
”
Friedrich Hölderlin
“
Sie weiß immer noch nicht, wie es weitergehen soll, aber sie weiß wenigstens, wie es nicht weitergeht, und das ist vielleicht alles, was ein Mensch im Leben wissen kann.
”
”
Juli Zeh (Über Menschen)
“
Ist es Zauberei, wenn dein Auge zu langsam ist, meiner Hand zu folgen?”
“Kein Mensch kann sich ohne Zauberei so schnell bewegen”, beharrte Mandred.
Der Anflug eines Lächelns spielte um Ollowains Lippen. “Ganz recht, Mandred. Kein Mensch.
”
”
Bernhard Hennen (Die Elfen (Die Elfen, #1))
“
Ein guter Mensch in seinem dunklen Drange
Ist sich des rechten Weges wohl bewusst.
”
”
Johann Wolfgang von Goethe (Faust, First Part)
“
Und Rasmus bohrt seine Nase in Nickes Backe und flüstert: »Denn ich hab’ dich so lieb …«
Da weint Nicke. Seit er ein Kind war, hat er nicht mehr geweint. Aber jetzt weint er. Weil er so müde ist und weil das erstemal in seinem Leben ein Mensch so etwas zu ihm sagt.
”
”
Astrid Lindgren (Kalle Blomquist, Eva Lotte und Rasmus)
“
Ich kenne Menschen, in denen steckt ein ganzes Universum, unermeßlich. Aber herauskriegen tut man es nicht. Ums Verrecken nicht. Das am Rande.
”
”
Patrick Süskind (El contrabajo)
“
Der Mensch versucht vergeblich, durch sein Planen den Erdball in eine Ordnung zu bringen, wenn er nicht dem Zuspruch des Feldweges eingeordnet ist.
”
”
Martin Heidegger (Der Feldweg)
“
Ich fürchte, grad unter Menschen möchtest du ein Mensch zu sein verlernen.
”
”
Gotthold Ephraim Lessing (Nathan der Weise)
“
Aufgrund meiner philologischen Studien bin ich überzeugt, dass ein begabter Mensch Englisch (außer Schreibung und Aussprache) in dreißig Stunden, Französisch in dreißig Tagen und Deutsch in dreißig Jahren lernen kann. Es liegt daher auf der Hand, dass die letztgenannte Sprache zurechtgestutzt und repariert werden sollte. Falls sie so bleibt wie sie ist, sollte sie sanft und ehrerbietig zu den toten Sprachen gestellt werden, denn nur die Toten haben genügend Zeit, sie zu lernen.
”
”
Mark Twain
“
Wie kam ein Mensch überhaupt dazu, so auszusehen wie er? Die große Nase war viel zu unbescheiden für sein geringes Amt im Leben; außerdem ließ er sich den ganzen Winter über die Haare nicht schneiden, was seinem Kopf von Woche zu Woche mehr Künstlerisches verlieh.
”
”
Knut Hamsun (Vagabundentage und andere Erzählungen)
“
Solange ich glücklich war, war ich ein ganz guter Mensch.
”
”
Carson McCullers (The Ballad of the Sad Café and Other Stories)
“
Ich will meine Familie nicht verlieren. Immerhin gehöre ich ja dazu. Was bin ich ohne sie? Ein Stück? Ein Teil? Muss jeder Mensch einmal ohne Familie sein, um ein Mensch zu werden?
”
”
Benjamin Lebert (Crazy)
“
Nie mehr, und das für immer. Keine Zukunft, und die Vergangenheit bedeutungslos. Nein, kein Fremder kann so fremd sein wie ein Mensch, der einem einmal nahe war.
”
”
Nicole Walter (Das Leben drehen)
“
Früher hatte der Mensch nur einen Körper und eine Seele. Heute braucht er noch einen Pass dazu, sonst wird er nicht wie ein Mensch behandelt.
”
”
Stefan Zweig
“
Denn kein Mensch kann für längere Zeit sich selbst das eine und der Menge ein anderes Gesicht zeigen, ohne am Ende in Verwirrung zu geraten, welches das echt ist.
”
”
Nathaniel Hawthorne (The Scarlet Letter)
“
Die aufregenden Dinge auf der Welt hat ein Mensch sehr schnell satt, und die Dinge, derer er nicht überdrüssig wird, sind meist langweilig. Zwar gibt es in meinem Leben langweilige Perioden, Überdruss jedoch empfinde ich nicht. Die meisten Menschen können beides nicht voneinander unterscheiden.
”
”
Haruki Murakami (Kafka on the Shore)
“
Was soll denn an dieser Behinderung Besonderes sein? Raúl Krauthausen ist einfach ein sehr beeindruckender Mensch mit starken Gaben. Er hat viel zu sagen und sich über seinen Rollstuhl schon lange erhoben.
”
”
Roger Willemsen
“
Mancher wird niemals Mensch, bleibt Frosch, bleibt Eidechse, bleibt Ameise. Mancher ist oben Mensch und unten Fisch. Aber jeder ist ein Wurf der Natur nach dem Menschen hin. Und allen sind die Herkünfte gemeinsam, die Mütter, wir alle kommen aus demselben Schlunde; aber jeder strebt, ein Versuch und Wurf aus den Tiefen, seinem eigenen Ziel zu. Wir können einander verstehen; aber deuten kann jeder nur sich selbst.
”
”
Hermann Hesse (Demian)
“
Jeder Mensch erduldet Jahr für Jahr zu viele Sünden und zu viel Leid, aber in der Sklaverei wird auch schon das erste Licht, das man bei seiner Ankunft in der Welt erblickt, von finsteren Schatten verdunkelt.
”
”
Harriet Ann Jacobs (Erlebnisse aus dem Leben eines Sklavenmädchens (Ungekürzte Gesamtausgabe) (German Edition))
“
[...] dass es völlig hirnrissig ist, etwas für andere Menschen zu tun, weil man selbst ein Mensch ist und deshalb weiß, wie wenig sie es verdienen? Kaum hat man das erkannt, bricht der Sinn jeglicher Beschäftigung in sich zusammen, und alles, was man fortan unternimmt, kann nur noch als Teil eines Spiels geschehen. Die Christen waren schlicht Pragmatiker mit ihrem 'Liebe deinen Nächsten'. Nur das 'wie dich selbst' hätten sie weglassen sollen.
”
”
Juli Zeh (Spieltrieb)
“
Geschichte lebt nicht, wenn man ihr keine Heimat im Bewusstsein gibt; sie ist eine Last, die kein freier Mensch zu tragen gezwungen werden kann.
”
”
J.M. Coetzee (Tagebuch eines schlimmen Jahres)
“
Wie jeder Mensch hat auch ein Buchstabe eine Seele und einen Körper. Seine Seele ist das, was er sagt, und sein Körper ist das, woraus er gemacht ist: aus Tinte oder aus Stein.
”
”
Harry Mulisch (The Discovery of Heaven)
“
Der freie Mensch denkt über nichts weniger nach als über den Tod: seine Weisheit ist nicht ein Nachsinnen über den Tod, sondern über das Leben.
”
”
Baruch Spinoza (Ethics)
“
Diese Grausamkeiten sind in Wirklichkeit keine. Ein Mensch des Mittelalters würde den ganzen Stil unseres heutigen Lebens noch ganz anders als grausam, entsetzlich und barbarisch verabscheuen! Jede Zeit, jede Kultur, jede Sitte und Tradition hat ihren Stil hat ihre ihr zukommenden Zartheiten und Härten, Schönheiten und Grausamkeiten, hält gewisse Leiden für selbstverständlich, nimmt gewisse Übel geduldig hin. Zum wirklichen Leiden, zur Hölle wir das menschliche Leben nur da, wo zwei Kulturen und Religionen einander überschneiden. […] Es gibt nun Zeiten, wo eine ganze Generation so zwischen zwei Zeiten, zwischen zwei Lebensstile hineingerät, dass ihre jede Selbstverständlichkeit, jede Sitte, jede Geborgenheit und Unschuld verloren geht.
”
”
Hermann Hesse (Steppenwolf)
“
Damit hing auch sein Bedürfnis nach Einsamkeit und nach Unabhängigkeit zusammen. Nie hat ein Mensch ein tieferes, leidenschaftlicheres Bedürfnis nach Unabhängigkeit gehabt als er. In seiner Jugendzeit, als er noch arm war und Mühe hatte, sein Brot zu verdienen, zog er es vor, zu hungern und in zerrissenen Kleidern zu gehen, nur um dafür ein Stückchen Unabhängigkeit zu retten.
”
”
Hermann Hesse (Steppenwolf)
“
Wer nicht weiß, was die Welt ist, der weiß auch nicht, wo er lebt. Wer aber den Zweck ihres Daseins nicht kennt, der weiß weder, wer er selbst, noch was die Welt ist. Wem aber eins von diesen Stücken fehlt, der kann auch wohl seine eigene Bestimmung nicht angeben. In welchem Lichte erscheint dir nun ein Mensch, welcher um den lauten Beifall derer buhlt, die nicht wissen, wo, noch wer sie selbst sind?
”
”
Marcus Aurelius (Wege zu sich selbst)
“
Der Mond wird doch gewöhnlich in Hamburg hergestellt, und zwar sehr nachlässig. Ich wundere mich, dass England dem keine Aufmerksamkeit schenkt. Ein lahmer Böttcher stellt ihn her, und der Dummkopf hat offenbar keine Ahnung vom Mond. Er nimmt geteertes Tauwerk und einen Teil Baumöl, und davon verbreitet sich über die Erde entsetzlicher Gestank, so dass man die Nase zustopfen muss. Und daher ist der Mond eine so zerbrechliche Kugel, auf der kein Mensch leben kann, auf der nur Nasen leben. Und deshalb können wir unsere Nasen selber nicht sehen, weil sie sich auf dem Mond befinden.
”
”
Nikolai Gogol (Diary of a Madman and Other Stories)
“
Ein geistreicher Mensch hat, in gänzlicher Einsamkeit, an seinen eigenen Gedanken und Phantasien vortreffliche Unterhaltung, während von einem Stumpfen die fortwährende Abwechslung von Gesellschaften, Schauspielen, Ausfahrten und Lustbarkeiten, die marternde Langeweile nicht abzuwenden vermag.
”
”
Arthur Schopenhauer
“
5.641 [...] Das philosophische Ich ist nicht der Mensch, nicht der menschliche Körper, oder die menschliche Seele, von der die Psychologie handelt, sondern das metaphysische Subjekt, die Grenze - nicht ein Teil - der Welt.
”
”
Ludwig Wittgenstein (Tractatus Logico-Philosophicus)
“
Wie kann ein erwachsener Mensch seine Jugend nur so vollkommen vergessen, dass er eines Tages überhaupt nicht mehr weiß, wie traurig und unglücklich Kinder bisweilen sein können. Es ist nämlich gleichgültig, ob man wegen einer zerbrochenen Puppe weint oder weil man, später einmal, einen Freund verliert.
”
”
Erich Kästner (Erich Kästner, Das Fliegende Klassenzimmer Kopiervorlagen)
“
Der Mensch ist für mich ein Wesen, das nur durch paradoxe, komödiantische Mittel, Formen, dargestellt werden kann, denn der Mensch geht nicht auf wie eine Rechnung, und wo der Mensch so aufgeht, ist die Rechnung sicher gefälscht.
”
”
Friedrich Dürrenmatt (The Pledge)
“
Soll der Direktor ruhig in seinem Jugendstil-Haus wohnen, ihm schadet das nichts - ihm nicht. Er ist ein moderner Mensch und immun; seine tiefste Sehnsucht wird dadurch befriedigt, daß er auf Knöpfe drücken und an Hähnen drehen darf.
”
”
Knut Hamsun (Vagabundentage und andere Erzählungen)
“
[Wir] dürfen annehmen, dass ein Mensch, wann immer er lebt oder lebte, dem Menschen einer beliebig anderen Epoche geistig gesehen Zeitgenosse ist. Die bekannten einzigen und unbezweifelbaren Ausnahmen waren Adam und Eva, nicht weil Adam der erste Mann und Eva das erste Weib gewesen, sondern weil sie keine Kindheit hatten.
”
”
José Saramago (The Gospel According to Jesus Christ)
“
Zyniker sagen, das Sterben beginne mit der Geburt. Wie jede polarisierende These enthält auch diese drastische Aussage ein Fünkchen Wahrheit. Jeder Mensch erreicht irgendwann einen Punkt, in dem sein Leben endet und das Sterben beginnt. Eine unendlich kleine, aber messbare, logische Sekunde, in der wir eine unsichtbare Grenze überschreiten, die den Wendepunkt unseres Daseins markiert. Hinter der Grenze liegt dann all das, was wir einst als Zukunft betrachtet haben. Und vor uns ist nur noch der Tod.
”
”
Sebastian Fitzek
“
Könnte man die Sprünge der Aufmerksamkeit messen, die Leistungen der Augenmuskeln, die Pendelbewegungen der Seele und alle die Anstrengungen, die ein Mensch vollbringen muß, um sich im Fluß einer Straße aufrecht zu halten, es käme vermutlich - so hatte er gedacht und spielend das Unmögliche zu berechnen versucht - eine Größe heraus, mit der verglichen die Kraft, die Atlas braucht, um die Welt zu stemmen, gering ist, und man könnte ermessen, welche ungeheure Leistung heute schon ein Mensch vollbringt, der gar nichts tut.
”
”
Robert Musil (The Man Without Qualities)
“
Einmal schriebst Du, Du wolltest bei mir sitzen, während ich schreibe; denke nur, da könnte ich nicht schreiben... Schreiben heisst ja, sich öffnen bis zum Übermass; die äusserste Offenherzigkeit und Hingabe, in der sich ein Mensch im menschlichen Verkehr schon zu verlieren glaubt und vor der er also, solange er bei Sinnen ist, immer zurückscheuen wird... Deshalb kann man nicht genug allein sein, wenn man schreibt, deshalb kann es nicht genug still um einen sein, wenn man schreibt, die Nacht ist noch zu wenig Nacht. Kafka
”
”
Susan Cain (Quiet: The Power of Introverts in a World That Can't Stop Talking)
“
Der Mensch hat eine instinktive Angst vor Trieben, die stärker als er selbst erscheinen.
”
”
Oscar Wilde (The Picture of Dorian Gray)
“
der Mensch ist eine aus hundert Schalen bestehende Zwiebel
”
”
Hermann Hesse (Steppenwolf)
“
Der Mensch der keine Zeit hat, und das ist eines unserer Kennzeichen, kann schwerlich Glück haben. Notwendig verschliessen sich ihm grosse Quellen und Mächte wie die Muse, des Glaubens, der Schönheit in Kunst und Natur. Damit entgeht ihm die Krönung, der Segen der Arbeit, der in Nicht-Arbeit, und die Ergänzung, der Sinn des Wissens, der im Nicht-Wissen liegt.
”
”
Ernst Jünger (An der Zeitmauer)
“
Denn wenn man an alle Völker der Erde die Aufforderung ergehen liesse, sich unter all den verschiedenen Sitten die vorzüglichsten auszuwählen, so würde jedes, nachdem es alle geprüft, die seinigen allen anderen vorziehen. So sehr ist jedes Volk überzeugt, dass seine Lebensformen die besten sind. Wie kann daher ein Mensch mit gesunden Sinnen über solche Dinge spotten!
”
”
Herodotus (The Histories)
“
Jeder Mensch kommt auf die Welt mit Kräften für die unerhörtesten Erlebnisse. Die Gesetze binden ihn nicht. Aber dann lässt ihn das Leben immer zwischen zwei Möglichkeiten wählen, und immer fühlt er: eine ist nicht darunter; immer eine, die unerfundene dritte Möglichkeit. Und man tut alles, was man will, und hat nie getan, was man gewollt hat. Schließlich wird man talentlos.
”
”
Robert Musil (Die Schwärmer)
“
Im Gegensatz zum Tier kann ich mich über die Zwänge der Natur erheben. Ich kann Sex haben, ohne mich vermehren zu wollen. Ich kann Substanzen konsumieren, die mich für eine Weile von der sklavischen Ankettung an den Körper erlösen. Ich kann den Überlebenstrieb ignorieren und mich in Gefahr bringen, allein um den Reiz der Herausforderung willen. Dem wahren Menschen genügt das Dasein nicht, wenn es ein bloßes Hier-Sein meint. Der Mensch muss sein Dasein erfahren. Im Schmerz. Im Rausch. Im Scheitern. Im Höhenflug. Im Gefühl der vollständigen Machtfülle über die eigene Existenz. Über das eigene Leben und den eigenen Tod. Das, meine arme, vertrocknete Mia Holl, ist Liebe.
”
”
Juli Zeh
“
Sooft in München in Konzert war, bei dem neue Werke von Ludwig Palffy aufgeführt wurden, kaufte sich Luiselotte Körner ein Billett, saß dann mit gesenktem Kopf in einer der letzten billigen Reihen und entnahm der Musik ihres geschiedenen Mannes, daß er kein glücklicher Mensch geworden war. Trotz seiner Erfolge. Und trotz seiner Einsamkeit.
”
”
Erich Kästner (Das doppelte Lottchen)
“
Ich glaube, ich hab's jetzt verstanden... ich bin nicht nur eine Sache. Ich bin tausend Sachen. Ich bin eine Tochter und ich bin Alex' Freundin. Und eine Vertraute. Und eine Schwester. Ich bin launisch, und ich bin loyal. Und ich bin achtzehn. Und ich bin verliebt. Ich bin ein guter Mensch, der manchmal dumme Dinge tut. Ich mache Fehler, und manchmal mache ich sie wieder gut. Ich bin kompliziert, und ich bin einfach. Ich bin Sophie. Und das Flittchen. Und Papas Motte. Ich bin einfach ich. Und ich bin lesbisch. Und ich bin nicht lesbisch. Und ich bin unsicher. Und ich bin selbstsicher. All das bin ich. Ich bin nicht nur eine Sache. Ich bin das alles. Und das ist erst der Anfang.
”
”
Anne Freytag (Den Mund voll ungesagter Dinge)
“
Denn alle Kraft dringt vorwärts in die Weite,
Zu leben und zu wirken hier und dort;
Dagegen engt und hemmt von jeder Seite
Der Strom der Welt und reisst uns mit sich fort:
In diesem innern Sturm und äussern Streite
Vernimmt der Geist ein schwer verstanden Wort:
Von der Gewalt, die alle Wesen bindet,
Befreit der Mensch sich, der sich überwindet.
”
”
Johann Wolfgang von Goethe
“
Wissen sie, Daniel, manchmal denke ich, Darwin hat sich geirrt, und in Wirklichkeit stammt der Mensch vom Schwein oder vom Hund ab, denn in acht von zehn Hominiden steckt ein Schweinehund, der darauf wartet, rausgelassen zu werden.
”
”
Carlos Ruiz Zafón (The Prisoner of Heaven (The Cemetery of Forgotten Books, #3))
“
Ich lehre euch den Übermenschen. Der Mensch ist Etwas, das überwunden werden soll. Was habt ihr gethan, ihn zu überwinden? Was ist der Affe für en Menschen? Ein Gelächter oder eine schmerzliche Scham. Und ebendas soll der Mensch für den Übermenschen sein: ein Gelächter oder eine schmerzliche Scham. Ihr habt den Weg vom Wurme zum Menschen gemacht, und Vieles ist in euch noch Wurm. Einst wart ihr Affen, und auch jetzt ist der Mensch mehr Affe, als irgend ein Affe.
”
”
Friedrich Nietzsche (Thus Spoke Zarathustra)
“
was schwer ist, ist auch schön, gut, groß etc, jeder Mensch sieht also ein, daß dieses das fetteste Lob ist, was man geben kann, denn das schwere macht schwizen (sic)"
"what is difficult is also beautiful, good, great, etc, therefore every person understands that this is the greatest praise that one can give, because the difficult makes one sweat
”
”
Ludwig van Beethoven
“
Ich schäme mich nicht, wenn ich sage, das Taschentuch war der einzige Mensch, der sich im Lager um mich kümmerte. Ich bin mir sicher, auch heute noch. Manchmal kriegen die Dinge eine Zartheit, eine monströse, die man von ihnen nicht erwartet.
”
”
Herta Müller (The Hunger Angel)
“
F.:
Du nennst dich einen Theil und stehst doch ganz vor mir?
M.:
Bescheidne Wahrheit sprech' ich dir.
Wenn sich der Mensch, die kleine Narrenwelt,
Gewöhnlich für ein Ganzes hält;
Ich bein ein Theli des Theils, der Anfangs alles war,
Ein Theil der Finsterniß, die sich das Licht gebar,
Das stolze Licht, das nun der Mutter Nacht
Dan alten Rang, den Raum ihr streitig macht,
Und doch gelingts ihm nicht da es, so viel es strebt,
Verhaftet an den Körpern klebt.
Von Körpern strömt's, die Körper macht es schön,
Ein Körper hemmt's auf seinem Gange,
So, hoff' ich, dauert es nicht lange
Und mit den Körpern wirds zu Grunde gehn.
”
”
Johann Wolfgang von Goethe (Faust, First Part)
“
Alles Mögliche kann einem im Leben passieren, und vor allem nichts. Manchmal kommt es mir seltsam vor, dass ich jemals versucht habe, glücklich zu werden. Der Mensch hat eine Vorliebe für Tragik, eine Voreinstellung, die sich im Laufe der Evolution bewährt hat. Man scheut das Risiko stärker, als man das Glück sucht, denn Verluste tun mehr weh, als Gewinne Freude bereiten. Mit jedem Jahr, das verstreicht, wird die Lage aussichtsloser, und am Ende kann man gar nicht fassen, dass DAS alles gewesen sein soll.
”
”
Heinz Strunk (Die Zunge Europas)
“
Man muß nie verzweifeln, wenn einem etwas verloren geht, ein Mensch oder eine Freude oder ein Glück; es kommt alles noch herrlicher wieder. Was abfallen muß, fällt ab; was zu uns gehört, bleibt bei uns, denn es geht alles nach Gesetzen vor sich, die größer als unsere Einsicht sind und mit denen wir nur scheinbar im Widerspruch stehen. Man muß in sich selber leben und an das ganze Leben denken, an alle seine Millionen Möglichkeiten, Weiten und Zukünfte, dem gegenüber es nichts Vergangenes und Verlorenes gibt.
”
”
Rainer Maria Rilke
“
Im Grunde unserer Seele sind wir Raubtiere. Intelligent, unersättlich und schnell. Alles, was wir in ein paar hunderttausend Jahren Entwicklung gegen unsere wahre Natur aufzubieten haben, ist bloß eine dünne Schicht aus Ritualen, die wir Zivilisation nennen.
”
”
David Gray (Wolfswechsel)
“
[Z]urück blieb ein gebrochener, von der Leere zerrissener Mensch, harrend, dass sich ihm, spürbar, wieder das Knochenbein der Gewohnheit bildete, Haut der Gewohnheit ihn wieder überzöge, und er bald, vielleicht schon am Tage darauf, ruhig und gefasst antworten könnte...
”
”
José Saramago (The Gospel According to Jesus Christ)
“
Wäre ich eine andere Art von Mensch, würde ich vielleicht sagen, dass dieser Vorfall eine Art Metapher für das Leben als Ganzes ist: Dinge gehen kaputt, und manchmal können sie wieder repariert werden, und meistens stellt man fest, dass das Leben, egal was zerstört wurde, einen Weg findet, den Verlust wieder gut zu machen, manchmal auf ganz wunderbare Weise. Und weiß du was? Vielleicht bin ich diese Art von Mensch.
”
”
Hanya Yanagihara (A Little Life)
“
Ich weiss wie er heisst und dass er Karate macht und reitet. Ist ein seltsamer Mensch. Aber das ist jetzt auch egal. Ich will nach Hause. Bringst du mich bitte nach Hause?"
Amüsiert feixte Tillmann mich an.
Das hättest du dir vorher überlegen sollen, Ellie. Ich hab keine Ahnung, wo wir sind."
Jetzt nimm mich bitte nicht auf den Arm, es reicht für heute Nacht..."
Ehrlich, Ellie. Du bist wie eine Bekloppte mitten durch den Wald gerannt. Ich weiss nicht, wo wir sind. Wir müssen warten, bis es hell ist.
”
”
Bettina Belitz (Splitterherz (Splitterherz, #1))
“
War der Mensch bei seiner Geburt eine tabula rasa, ungeformt und ohne Ideen, bereit, von der Gesellschaft beschrieben zu werden, erziehbar und imstande, auf dem Weg zur Vervollkommnung voranzuschreiten? Oder stellte die Gesellschaft, wie Rousseau behauptete, einen verderblichen Einfluss dar und nicht das Fundament alles Richtigen und Guten?
”
”
T. Coraghessan Boyle (Das wilde Kind)
“
Also ist mein Sohn ein Simpel.'
In einer Hinsicht. Aber der größte Teil der Menschheit ist so. Weil es sonst zu schwer zu ertragen ist, Mensch zu sein. Im Gegensatz zu den Tieren wissen wir zu viel. Sie, die anderen Tiere, wissen gerade genug, um ihren Job zu machen und zu sterben. Um zu essen, zu schlafen, zu vögeln, Babys zu kriegen und zu sterben.
”
”
John Updike (Terrorist)
“
Jaschwin, ein Spieler und ein Trunkenbold, ein völlig grundsatzloser Mensch ohne Moral, war im Regiment Wronskijs bester Freund. Er mochte ihn wegen seiner unwahrscheinlichen körperlichen Konstitution, die sich hauptsächlich darin ausdrückte, daß er wie ein bodenloses Fass saufen und auf Schlaf verzichten konnte, ohne daß man ihm nur das geringste anmerkte.
”
”
Leo Tolstoy (Anna Karenina)
“
Im Grunde wissen in den Jahren der Lebensmitte wenig Menschen mehr, wie sie eigentlich zu sich selbst gekommen sind, zu ihren Vergnügungen, ihrer Weltanschauung, ihrer Frau, ihrem Charakter, Beruf und ihren Erfolgen, aber sie haben das Gefühl, daß sich nun nicht mehr viel ändern kann. Es ließe sich sogar behaupten, daß sie betrogen worden seien, denn man kann nirgends einen zureichenden Grund dafür entdecken, daß alles gerade so kam, wie es gekommen ist; es hätte auch anders kommen können; die Ereignisse sind ja zum wenigsten von ihnen selbst ausgegangen, meistens hingen sie von allerhand Umständen ab, von der Laune, dem Leben, dem Tod ganz anderer Menschen, und sind gleichsam bloß im gegebenen Zeitpunkt auf sie zugeeilt. So lag in der Jugend das Leben noch wie ein unerschöpflicher Morgen vor ihnen, nach allen Seiten voll von Möglichkeiten und Nichts, und schon am Mittag ist mit einemmal etwas da, das beanspruchen darf, nun ihr Leben zu sein, und das ist im ganzen doch so überraschend, wie wenn eines Tags plötzlich ein Mensch dasitzt, mit dem man zwanzig Jahre lang korrespondiert hat, ohne ihn zu kennen, und man hat ihn sich ganz anders vorgestellt. Noch viel sonderbarer aber ist es, daß die meisten Menschen das gar nicht bemerken; sie adoptieren den Mann, der zu ihnen gekommen ist, dessen Leben sich in sie eingelebt hat, seine Erlebnisse erscheinen ihnen jetzt als der Ausdruck ihrer Eigenschaften, und sein Schicksal ist ihr Verdienst oder Unglück.
”
”
Robert Musil
“
Sozusagen grundlos vergnügt
Ich freu mich, dass am Himmel Wolken ziehen
und dass es regnet, hagelt, friert und schneit.
Ich freu mich auch zur grünen Jahreszeit,
wenn Heckenrosen und Holunder blühen.
- Dass Amseln flöten und das Immen summen,
Dass Mücken stechen und dass Brummer brummen.
Dass rote Luftballons ins Blaue steigen.
Dass Spatzen schwatzen. Und dass Fische schweigen.
Ich freu mich, dass der Mond am Himmel steht
und dass die Sonne täglich neu aufgeht.
Dass Herbst dem Sommer folgt und Lenz dem Winter,
gefällt mir wohl. Da steckt ein Sinn dahinter,
wenn auch die Neunmalklugen ihn nicht sehn.
Man kann nicht alles mit dem Kopf verstehn!
Ich freu mich. Das ist des Lebens Sinn.
Ich freue mich vor allem. Dass ich bin.
In mir ist alles aufgeräumt und heiter;
Die Diele blitzt. Das Feuer ist geschürt.
An solchem Tag erklettert man die Leiter,
die von der Erde in den Himmel führt.
Da kann der Mensch, wie es ihm vorgeschrieben,
- weil er sich selber liebt – den Nächsten lieben.
Ich freue mich, dass ich mich an das Schöne
und an das Wunder niemals ganz gewöhne.
Dass alles so erstaunlich bleibt, und neu!
Ich freue mich, dass ich… Dass ich mich freu.
”
”
Mascha Kaléko
“
Man braucht es sich ja bloß vorzustellen: wenn außen eine schwere Welt auf Zunge, Händen und Augen liegt, der erkaltete Mond aus Erde, Häusern, Sitten, Bildern und Büchern, – und innen ist nichts wie ein haltlos beweglicher Nebel: welches Glück es bedeuten muß, sobald einer einen Ausdruck vormacht, in dem man sich selbst zu erkennen vermeint. Ist irgend etwas natürlicher, als daß jeder leidenschaftliche Mensch sich noch vor den gewöhnlichen Menschen dieser neuen Form bemächtigt?! Sie schenkt ihm den Augenblick des Seins, des Spannungsgleichgewichtes zwischen innen und außen, zwischen Zerpreßtwerden und Zerfliegen.
”
”
Robert Musil (Der Mann ohne Eigenschaften I: Erstes und zweites Buch)
“
Die Einfachheit und Nacktheit des primitiven Menschen hatte wenigstens den Vorteil, daß er sich in der Natur als Gast fühlte. War er durch Nahrung und Schlaf erquickt, dann dachte er wieder ans Weiterziehen. Er lebte in der Welt gleichsam wie in einem Zelt, durchstreifte die Täler, überquerte die Ebenen oder kletterte auf Berge. Aber die Menschen haben sich zu Werkzeugen ihrer Werkzeuge gemacht! Der Mensch, der sich frei und unabhängig Beeren pflückte, wenn er hungrig war, ist Farmer geworden, und der einst unter einem Baum Schutz suchte, Hausbesitzer. Wir schlagen nicht mehr für eine Nacht unser Zelt auf, sondern haben uns auf der Erde ansässig gemacht und den Himmel vergessen. Wir haben die christliche Kultur angenommen, doch nur als verbesserte Methode der Agri-Kultur. Wir haben für diese Welt ein Familienhaus und für die andere ein Familiengrab errichtet.
”
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Henry David Thoreau (Walden or, Life in the Woods)
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Wenn man keine Sprache hat, ist alles Durcheinander, und man hat Angst vor Dingen, von denen man sich nicht zu fürchten braucht. In dieser Zeit stotterten die meisten der Kinder um mich herum, sprachen laut oder verschluckten die Wörter. Wenn man keine Sprache hat, offenbart sich der nackte Charakter. Die Vielredner unter uns wurden noch lauter, und die in sich gekehrten verschluckten ihre Stimme. Ohne Muttersprache ist der Mensch verstümmelt.
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Aharon Appelfeld (Geschichte eines Lebens)
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Ungemein viele Menschen fühlen sich heute in bedauerlichem Gegensatz stehen zu ungemein viel anderen Menschen. Es ist ein Grundzug der Kultur, dass der Mensch dem außerhalb seines eigenen Kreises lebenden Menschen aufs tiefstemisstraut, also das nicht nur ein Germane einen Juden, sondern auch einFußballspieler einen Klavierspieler für ein unbegreifliches und minderwertigesWesen hält. Schließlich besteht ja das Ding nur durch seine Grenzen und damitdurch einen gewissermaßen feindseligen Akt gegen seine Umgebung; ohne denPapst hätte es keinen Luther gegeben und ohne die Heiden keinen Papst, darum istes nicht von der Hand zu weisen, dass die tiefste Anlehnung des Menschen anseinen Mitmenschen in dessen Ablehnung besteht.
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Robert Musil (Der Mann ohne Eigenschaften I: Erstes und zweites Buch)
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Dann kam Achill das Vieh. Des Mörders Eintritt in den Tempel, der, als er im Eingang stand, verdunkelt wurde. Was wollte dieser Mensch. Was suchte er bewaffnet hier im Tempel. Grässlichster Augenblick: Ich wusst es schon. Dann lachte er. Jedes Haar auf meinem Kopf stand mir zu Berge, und in die Augen meines Bruders trat der reine Schrecken. Ich warf mich über ihn und wurde weggeschoben wie ein Ding aus Nichts [...] Lachend, alles lachend. Ihm an den Hals griff. An die Kehle ging [...] Des Bruders Augen aus den Höhlen quellend. Und in Achills Gesicht die Lust. Die nackte grässliche männliche Lust [...] Nun hob der Feind, das Monstrum, im Anblick der Apollon-Statue sein Schwert und trennte meines Bruders Kopf vom Rumpf.
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Christa Wolf (Cassandra)
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Bis Anfang dreißig ist es einfach, normal zu sein. Alle Probleme kann man unter postadoleszente Überspanntheiten verbuchen und sich bei jeder Krise damit beruhigen, dass irgendwann alles anders sein wird. Besser. Dann kommt das Alter, in dem einem jugendliche Verzweiflung nicht mehr steht. Wer unter dreißig ist und viel trinkt, ist ein Partytyp, jenseits der dreißig ist man Alkoholiker; aus sympathisch verplant wird schnell verlebt. Jenseits der dreißig entscheidet sich, ob der Mensch, der man geworden ist, für die restlichen fünfzig Jahre taugt.
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Kristof Magnusson (Das war ich nicht)
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Alles, womit sich der Mensch beschäftigt, wenn es gleich nur bestimmt ist, physische Bedürfnisse mittelbar oder unmittelbar zu befriedigen oder überhaupt äußere Zwecke zu erreichen, ist auf das genaueste mit innren Empfindungen verknüpft. Manchmal ist auch neben dem äußeren Endzweck noch ein innerer, und manchmal ist sogar dieser der eigentlich beabsichtete, jener nur notwendig oder zufällig damit verbunden. Je mehr Einheit der Mensch besitzt, desto freier entspringt das äußere Geschäft, das er wählt, aus seinem innren Sein, und desto häufiger und fester knüpft sich dieses an jenes da an, wo dasselbe nicht frei gewählt wurde. Daher ist der interessante Mensch in allen Lagen und allen Geschäften interessant; daher blüht er zu einer entzückenden Schönheit auf in einer Lebensweise, die mit seinem Charakter übereinstimmt.
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Alexander von Humboldt (Ideen zu einem Versuch, die Grenzen der Wirksamkeit des Staats zu bestimmen)
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Die Kunst ist die intensivste Form des Individualismus, die die Welt kennt. Ich bin versucht zu sagen, dass sie die einzige wirkliche Form des Individualismus ist, die die Welt je kannte." [...] Der Künstler aber kann allein, ohne Rücksicht auf seine Mitmenschen, ohne ihr Dazwischentreten, etwas Schönes gestalten; und wenn er nicht einzig zu seiner eigenen Freude arbeitet, ist er überhaupt kein Künstler. [...] Ein wirklicher Künstler glaubt an sich, weil er ganz und gar er selbst ist. [...] Ein echter Künstler kümmert sich nicht um das Publikum. Es exisitiert nicht für ihn. [...] Jede Autorität ist gleichermaßen ein Übel. [...] Mit der Zukunft allein haben wir uns auseinander zusetzen. Denn die Vergangenheit ist, was der Mensch nicht hätte sein dürfen. Die Gegenwart ist, was der Mensch nicht sein sollte. Die Zukunft ist, was die Künstler sind.
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Oscar Wilde (The Soul of Man Under Socialism and Selected Critical Prose)
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Ebenso hilft es der Seele nichts, wenn der Leib heilige Kleider anlegt, wie's die Priester und Geistlichen tun, auch nicht, wenn er sich in Kirchen und heiligen Stätten befindet; auch nicht, wenn er sich mit heiligen Dingen befaßt; auch nicht, wenn er leiblich betet, fastet, wallfahrtet und alle guten Werke tut, die in alle Ewigkeit durch und in dem Leib geschehen können. Es muß allemal noch etwas anderes sein, was der Seele Rechtschaffenheit und Freiheit bringen und geben kann. Denn alle diese genannten Dinge, Werke und Weisen kann auch ein böser Mensch, ein Gleißner und Heuchler an sich haben und ausüben, und durch so etwas entsteht auch kein anderes Volk als lauter Gleißner.
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Martin Luther (On Christian Liberty (Facets))
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Das Gehirn versandete wie ein unbefestigtes Flussbett. Erst bröckelte es nur ein bisschen vom Rand, dann klatschten große Stücke des Ufers ins Wasser. Der Fluss verlor seine Form und Strömung, seine Selbstverständlichkeit. Schließlich floss gar nichts mehr, sondern schwappte nur hilflos nach allen Seiten. Weiße Ablagerungen im Gehirn ließen die elektrischen Ladungen nicht durch, alle Enden wurden isoliert, und am Ende auch der Mensch; Isolation, Insel, Gerinnsel, England, Elektronen und Tante Ingas Bernsteinreifen, Harz wurde hart im Wasser, Wasser wurde hart, wenn der Frost klirrte, Glas war aus Silizium, und Silizium war Sand, und Sand rieselte durch die Eieruhr, und ich sollte jetzt schlafen, es wurde langsam Zeit.
(S. 78f.)
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Katharina Hagena (Der Geschmack von Apfelkernen)
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Erlaube," fuhr Meister Abraham fort, "erlaube, mein Johannes, mit dem Just magst du mich kaum vergleichen. Er rettete einen Pudel, ein Tier, das jeder gern um sich duldet, von dem sogar angenehme Dienstleistungen zu erwarten, mittelst Apportieren, Handschuhe-, Tabaksbeutel- und Pfeife-Nachtragen usw., aber ich rettete einen Kater, ein Tier, vonr dem sich viele entsetzen, das allgemein als perfid, keiner sanften, wohlwollenden Gesinnung, keiner offenherzigen Freundschaft fähig ausgeschrieen wird, das niemals ganz und gar die feindliche Stellung gegen den Mensch aufgibt, ja, einen Kater rettete ich aus purer uneigennütziger Menschenliebe ... Es ist das gescheiteste, artigste, ja witzigste Tier der Art, das man sehen kann, dem es nur noch an der höhern Bildung fehlt, die du, mein lieber Johannes, ihm mit leichter Mühe beibringen wirst.
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E.T.A. Hoffmann (The Life and Opinions of the Tomcat Murr)
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Er wollte sich, und wenn es vorläufig auch nur ein schlechtes Surrogat war, den Geruch der Menschen aneignen, den er selber nicht besaß. Freilich den Geruch der Menschen gab es nicht, genausowenig wie es das menschliche Antlitz gab. Jeder Mensch roch anders, niemand wußte das besser als Grenouille, der Tausende und Abertausende von Individualgerüchen kannte und Menschen schon von Geburt an witternd unterschied. Und doch - es gab ein parfümistisches Grundthema des Menschendufts, ein ziemlich simples übrigens: ein schweißig-fettes, käsig-säuerliches, ein im ganzen reichlich ekelhaftes Grundthema, das allen Menschen gleichermaßen anhaftete und über welchem erst in feinerer Vereinzelung die Wölkchen einer individuellen Aura schwebten.
Diese Aura aber, die höchst komplizierte, unverwechselbare Chiffre des persönlichen Geruchs, war für die meisten Menschen ohnehin nicht wahrnehmbar. Die meisten Menschen wußten nicht, daß sie sie überhaupt besaßen, und taten überdies alles, um sie unter Kleidern oder unter modischen Kunstgerüchen zu verstecken. Nur jener Grundduft, jene primitive Menschendünstelei, war ihnen wohlvertraut, in ihr nur lebten sie und fühlten sich geborgen, und wer nur den eklen allgemeinen Brodem von sich gab, wurde von ihnen schon als ihresgleichen angesehen.
Es war ein seltsames Parfum, das Grenouille an diesem Tag kreierte.
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Patrick Süskind (Perfume: The Story of a Murderer)
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Sie wollen pflanzen für die Ewigkeit,
Und säen Tod? Ein so erzwungnes Werk
Wird seines Schöpfers Geist nicht überdauern.
Dem Undank haben Sie gebaut - umsonst
Den harten Kampf mit der Natur gerungen,
Umsonst ein großes königliches Leben
Zerstörenden Entwürfen hingeopfert.
Der Mensch ist mehr, als Sie von ihm gehalten.
(...)
Gehn Sie Europens Königen voran.
Ein Federzug von dieser Hand, und neu
Erschaffen wird die Erde. Geben Sie
Gedankenfreiheit.
(...)
Sehen Sie sich um
In seiner herrlichen Natur! Auf Freiheit
Ist sie gegründet - und wie reich ist sie
Durch Freiheit! Er, der große Schöpfer, wirft
In einen Tropfen Thau den Wurm und läßt
Noch in den todten Räumen der Verwesung
Die Willkür sich ergötzen - Ihre Schöpfung,
Wie eng und arm! Das Rauschen eines Blattes
Erschreckt den Herrn der Christenheit - Sie müssen
Vor jeder Tugend zittern. Er - der Freiheit
Entzückende Erscheinung nicht zu stören -
Er läßt des Uebels grauenvolles Heer
In seinem Weltall lieber toben - ihn,
Den Künstler, wird man nicht gewahr, bescheiden
Verhüllt er sich in ewige Gesetze;
Die sieht der Freigeist, doch nicht ihn. Wozu
Ein Gott? sagt er: die Welt ist sich genug.
Und keines Christen Andacht hat ihn mehr,
Als dieses Freigeists Lästerung, gepriesen.
(...)
Weihen Sie
Dem Glück der Völker die Regentenkraft,
Die - ach, so lang - des Thrones Größe nur
Gewuchert hatte - stellen Sie der Menschheit
Verlornen Adel wieder her. Der Bürger
Sei wiederum, was er zuvor gewesen,
Der Krone Zweck - ihn binde keine Pflicht,
Als seiner Brüder gleich ehrwürd'ge Rechte.
Wenn nun der Mensch, sich selbst zurückgegeben,
Zu seines Werths Gefühl erwacht - der Freiheit
Erhabne, stolze Tugenden gedeihen -
Dann, Sire, wenn Sie zum glücklichsten der Welt
Ihr eignes Königreich gemacht - dann ist
Es Ihre Pflicht, die Welt zu unterwerfen.
(Marquis von Posa; 3. Akt, 10. Szene)
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Friedrich Schiller (Don Karlos: Infant von Spanien)
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Es ist alles eitell
Du siehst, wohin du siehst nur Eitelkeit auf Erden.
Was dieser heute baut, reißt jener morgen ein:
Wo itzund Städte stehn, wird eine Wiese sein
Auf der ein Schäferskind wird spielen mit den Herden:
Was itzund prächtig blüht, soll bald zertreten werden.
Was itzt so pocht und trotzt ist morgen Asch und Bein
Nichts ist, das ewig sei, kein Erz, kein Marmorstein.
Itzt lacht das Glück uns an, bald donnern die Beschwerden.
Der hohen Taten Ruhm muß wie ein Traum vergehn.
Soll denn das Spiel der Zeit, der leichte Mensch bestehn?
Ach! was ist alles dies, was wir für köstlich achten,
Als schlechte Nichtigkeit, als Schatten, Staub und Wind;
Als eine Wiesenblum, die man nicht wiederfind't.
Noch will, was ewig ist, kein einig Mensch betrachten!
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Du siehst, wohin du siehst, nur Eitelkeit auf Erden.
Was dieser heute baut, reißt jener morgen ein:
Wo jetzt noch Städte stehn, wird eine Wiese sein,
Auf der ein Schäferskind wird spielen mit den Herden.
Was jetzt noch prächtig blüht, soll bald zertreten werden.
Was jetzt so pocht und trotzt, ist morgen Asch’ und Bein,
Nichts ist, das ewig sei, kein Erz, kein Marmorstein.
Jetzt lacht das Glück uns an, bald donnern die Beschwerden.
Der hohen Taten Ruhm muss wie ein Traum vergehn.
Soll denn das Spiel der Zeit, der leichte Mensch, bestehn?
Ach! Was ist alles dies, was wir für köstlich achten,
Als schlechte Nichtigkeit, als Schatten, Staub und Wind;
Als eine Wiesenblum’, die man nicht wieder find’t.
Noch will, was ewig ist, kein einzig Mensch betrachten!
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Andreas Gryphius
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Weil nun aber unser Zustand vielmehr etwas ist, das besser nicht wäre; so trägt Alles, was uns umgiebt, die Spur hievon – gleich wie in der Hölle Alles nach Schwefel riecht, – indem Jegliches stets unvollkommen und trüglich, jedes Angenehme mit Unangenehmem versetzt, jeder Genuß immer nur ein halber ist, jedes Vergnügen seine eigene Störung, jede Erleichterung neue Beschwerde herbeiführt, jedes Hülfsmittel unserer täglichen und stündlichen Noch uns alle Augenblicke im Stich läßt und seinen Dienst versagt, die Stufe, auf welche wir treten, so oft unter uns bricht, ja, Unfälle, große und kleine, das Element unsers Lebens sind, und wir, mit Einem Wort, dem Phineus gleichen, dem die Harpyen alle Speisen besudelten und ungenießbar machten. Alles was wir anfassen, widersetzt sich, weil es seinen eigenen Willen hat, der überwunden werden muß. Zwei Mittel werden dagegen versucht: erstlich die eulabeia, d.i. Klugheit, Vorsicht, Schlauheit: sie lernt nicht aus und reicht nicht aus und wird zu Schanden, Zweitens, der Stoische Gleichmuth, welcher jeden Unfall entwaffnen will, durch Gefaßtseyn auf alle und Verschmähen von Allem: praktisch wird er zur kynischen Entsagung, die lieber, ein für alle Mal, alle Hülfsmittel und Erleichterungen von sich wirft: sie macht uns zu Hunden: wie den Diogenes in der Tonne. Die Wahrheit ist: wir sollen elend seyn, und sind's. Dabei ist die Hauptquelle der ernstlichsten Uebel, die den Menschen treffen, der Mensch selbst: homo homini lupus. Wer dies Letztere recht ins Auge faßt, erblickt die Welt als eine Hölle, welche die des Dante dadurch übertrifft, daß Einer der Teufel des Andern seyn muß; wozu denn freilich Einer vor dem Andern geeignet ist, vor Allen wohl ein Erzteufel, in Gestalt eines Eroberers auftretend, der einige Hundert Tausend Menschen einander gegenüberstellt und ihnen zuruft: "Leiden und Sterben ist euere Bestimmung: jetzt schießt mit Flinten und Kanonen auf einander los!" und sie thun es.
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Arthur Schopenhauer
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Zuletzt aber: wozu müssten wir Das, was wir sind, was wir wollen und nicht wollen, so laut und mit solchem Eifer sagen? Sehen wir es kälter, ferner, klüger, höher an, sagen wir es, wie es unter uns gesagt werden darf, so heimlich, dass alle Welt es überhört, dass alle Welt uns überhört! Vor Allem sagen wir es langsam... Diese Vorrede kommt spät, aber nicht zu spät, was liegt im Grunde an fünf, sechs Jahren? Ein solches Buch, ein solches Problem hat keine Eile; überdies sind wir Beide Freunde des lento, ich ebensowohl als mein Buch. Man ist nicht umsonst Philologe gewesen, man ist es vielleicht noch das will sagen, ein Lehrer des langsamen Lesens: – endlich schreibt man auch langsam. Jetzt gehört es nicht nur zu meinen Gewohnheiten, sondern auch zu meinem Geschmacke – einem boshaften Geschmacke vielleicht? – Nichts mehr zu schreiben, womit nicht jede Art Mensch, die "Eile hat", zur Verzweiflung gebracht wird. Philologie nämlich ist jene ehrwürdige Kunst, welche von ihrem Verehrer vor Allem Eins heischt, bei Seite gehn, sich Zeit lassen, still werden, langsam werden –, als eine Goldschmiedekunst und -kennerschaft des Wortes, die lauter feine vorsichtige Arbeit abzuthun hat und Nichts erreicht, wenn sie es nicht lento erreicht. Gerade damit aber ist sie heute nöthiger als je, gerade dadurch zieht sie und bezaubert sie uns am stärksten, mitten in einem Zeitalter der "Arbeit", will sagen: der Hast, der unanständigen und schwitzenden Eilfertigkeit, das mit Allem gleich "fertig werden" will, auch mit jedem alten und neuen Buche: – sie selbst wird nicht so leicht irgend womit fertig, sie lehrt gut lesen, das heisst langsam, tief, rück- und vorsichtig, mit Hintergedanken, mit offen gelassenen Thüren, mit zarten Fingern und Augen lesen... Meine geduldigen Freunde, dies Buch wünscht sich nur vollkommene Leser und Philologen: lernt mich gut lesen!
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Friedrich Nietzsche (Morgenröte/Idyllen aus Messina/Die fröhliche Wissenschaft)
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[…] Ich möchte aber gern noch einmal auf meinen Ratschlag zurückkommen; ich finde nämlich, dass du dein Leben radikal ändern und ganz mutig Dinge in Angriff nehmen solltest, die dir früher nie in den Sinn gekommen wären oder vor denen du im letzten Moment zurückgeschreckt bist. So viele Leute sind unglücklich mit ihrem Leben und schaffen es trotzdem nicht, etwas an ihrer Situation zu ändern, weil sie total fixiert sind auf ein angepasstes Leben in Sicherheit, in dem möglichst alles gleichbleibt – alles Dinge, die einem scheinbar inneren Frieden garantieren. In Wirklichkeit wird die Abenteuerlust im Menschen jedoch am meisten durch eine gesicherte Zukunft gebremst. Leidenschaftliche Abenteuerlust ist die Quelle, aus der der Mensch die Kraft schöpft, sich dem Leben zu stellen. Freude empfinden wir, wenn wir neue Erfahrungen machen, und von daher gibt es kein größeres Glück als in einem immer wieder wechselnden Horizont blicken zu dürfen, an dem jeder Tag mit einer neuen ganz anderen Sonne anbricht. Wenn du mehr aus deinem Leben machen willst, Ron, dann muss du deine Vorliebe für monotone, gesicherte Verhältnisse ablegen und das Chaos in dein Leben lassen, auch wenn es dir am Anfang verrückt erscheinen mag. Aber sobald du dich an ein solches Leben einmal gewöhnt hast, wirst du die volle Bedeutung erkennen, die darin verborgen liegt, und die schier unfassbare Schönheit. Um es auf den Punkt zu bringen, Ron: Geh fort raus Salton City und fang an zu reisen. […] Sei nicht so träge und bleib nicht einfach immer am selben Platz. Beweg dich, reise, werde ein Nomade, erschaffe dir jeden Tag einen neuen Horizont. Du wirst noch so lange leben, Ron, und es wäre eine Schande, wenn du die Gelegenheit nicht nutzen würdest, dein Leben von Grund auf zu ändern, um in ein vollkommen neues Reich der Erfahrungen einzutreten.
Es stimmt nicht, wenn du glaubst, dass Glück einzig und allein zwischenmenschlichen Beziehungen entspringt. Gott hat es überall um uns herum verteilt. Es steckt in jeder kleinen Erfahrung, die wir machen. Wir müssen einfach den Mut haben, uns von unserem gewohnten Lebensstil abzukehren und uns auf ein unkonventionelles Leben einzulassen.
Vor allem möchte ich dir sagen, dass du weder mich noch sonstwen brauchst, um dieses neue, hoffnungsfroh schimmernde Licht in dein Leben zu bringen. Du musst nur zur Tür hinausgehen und die Hand danach ausstrecken und schon ist es dein. Du selbst bist dein einziger Feind, du und deine Sturheit, mit der du dich weigerst, dich auf etwas Neues einzulassen. […]
Du wirst staunen, was es alles zu sehen gibt, und du wirst Leute kennenlernen, von denen man eine Menge lernen kann. Aber mach es ohne viel Geld, keine Motels, und dein Essen kochst du dir selbst. Je weniger du ausgibst, desto höher der Erlebniswert. […]
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Jon Krakauer (Into the Wild)